Koalitionsstreit um Bleiberecht: Polizeigesetz liegt auf Eis

dpa/lsw Stuttgart. Nach langem Ringen haben sich Grüne und CDU kurz vor Weihnachten auf eine Verschärfung des Polizeigesetzes geeinigt. Nun gibt es wieder Zoff. Das Gesetz steht auf der Kippe.

Eine Polizistin trägt eine Bodycam. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Eine Polizistin trägt eine Bodycam. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Der Streit in der grün-schwarzen Koalition um Abschiebungen gut integrierter und arbeitender Asylbewerber spitzt sich zu. Die Grünen im Landtag wollen den mühsam ausgehandelten Kompromiss zum Polizeigesetz nicht mittragen, solange weiterhin Flüchtlinge in Arbeit abgeschoben werden.

Die Koalition habe am 12. Dezember mehrere innenpolitische Vereinbarungen getroffen - zum Bleiberecht für Geflüchtete in Arbeit, Abschiebungen nach Afghanistan, zur Härtefallkommission und zum Polizeigesetz. „Es gilt dabei der Grundsatz, dass jede einzelne Vereinbarung nur dann gilt, wenn das Gesamtpaket gilt“, sagte Grünen-Innenexperte Uli Sckerl am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.

Er kritisierte Innenminister Thomas Strobl (CDU): „Inzwischen ist der Innenminister auf Distanz zur Vereinbarung zum Bleiberecht gegangen. Damit hat er den Vollzug des gesamten vereinbarten innenpolitischen Pakets erst einmal gestoppt.“ Die CDU müsse zeitnah klären, „dass die getroffenen Vereinbarungen Bestand haben und umgesetzt werden“, forderte Sckerl.

Damit liegt die Novelle des Polizeigesetzes auf Eis. Die Koalitionspartner hatten sich im Dezember nach monatelangen Verhandlungen auf eine Änderung des Gesetzes geeinigt. So sollen Polizisten in bestimmten Fällen Schulterkameras auch in Wohnungen oder Diskotheken einsetzen dürfen. Zudem soll die Rechtsgrundlage für Kontrollen bei Großveranstaltungen - etwa Weihnachtsmärkte oder Fußballspiele - verbessert werden. Die Pläne müssen noch im Landtag beschlossen werden.

Teil der grün-schwarzen Einigung im Koalitionsausschuss vom 12. Dezember war auch, eine Bundesratsinitiative zur Ausweitung des Bleiberechts auf den Weg zu bringen. Nun streiten CDU und Grüne aber über die aktuelle Abschiebepraxis - darüber, ob betroffene Personen, die durch die Initiative eine verlässliche Bleibeperspektive erhalten würden, abgeschoben werden sollen, während die Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht wird. Auch Sicht der CDU wurde eine solche Regelung weder vereinbart noch besprochen.

Strobl hatte zwar nach der Sitzung des Koalitionsausschusses im Dezember angekündigt, in der Verwaltungspraxis zu priorisieren, so dass man zunächst Straftäter, Integrationsverweigerer und Identitätstäuscher abschiebe und die, die Arbeit haben, „nicht prioritär“ zurückführe. Vor kurzem sagte Strobl dazu, dass die Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht werde. Aber er fügte an: „Solange dies nicht der Fall ist, bleibt es dabei: Wer kein Bleiberecht bekommt, muss ausreisen und notfalls abgeschoben werden“. Trotz Kritik aus der Wirtschaft gibt es damit keinen pauschalen Abschiebestopp für integrierte und arbeitende Flüchtlinge.

Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand hatte sich verärgert gezeigt und Strobl im „Badischen Tagblatt“ vorgehalten, sich nicht an die Details einer Einigung vom Dezember zu erinnern.

„Der Landesvorsitzende der Grünen hat über die Weihnachtstage offenbar den Überblick über die Verhandlungsverläufe verloren“, entgegnete nun CDU-Generalsekretär Manuel Hagel. Hildenbrand versuche, Ergebnisse nachzuschieben, die weder besprochen noch konsentiert seien. „Am allerschlimmsten ist aber, dass die Grünen absichtlich den Einsatz der Bodycam in geschlossenen Räumen blockieren. Das ist ein unlauteres Vorgehen. Befinden sich die Grünen etwa schon im Wahlkampfmodus?“

Aufgrund der langen Verhandlungen mit den Grünen sei Baden-Württemberg beim polizeilichen Datenschutz in Verzug, kritisierte Hagel. „Wenn das Land deshalb von der EU zu Strafzahlungen verknackt wird, sind das grüne Strafzahlungen. Das sollte Herr Hildenbrand nicht vergessen.“ Das Polizeigesetz musste auch geändert werden, um es an die Vorgaben der EU-Datenschutzrichtlinie anzupassen.

Die Opposition warf der Regierung Stillstand vor. „Das Gezänke um die Polizeireform und um das Bleiberecht für arbeitende Asylbewerber ist ein Beweis für die Handlungsunfähigkeit der Koalition“, kritisierte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. „Grün-Schwarz wird bis zur Landtagswahl nichts mehr zustande bringen.“ SPD-Innenpolitiker Sascha Binder sagte: „Wer im Januar nicht mehr weiß, was er im Dezember vereinbart hat, sollte dieses Land nicht länger regieren.“ Es sei Zeit, dass diese Landesregierung abgelöst werde.

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Erstellt:
23. Januar 2020, 16:21 Uhr

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