Kohle für Kohleregionen: Regierung will Signal senden

dpa Berlin. Die Koalition hat es doch noch geschafft. Am Sonntag wird in Brandenburg und Sachsen gewählt - also in zwei Kohleländern. Kurz vorher bringt das Kabinett Milliardenhilfen zum Kohleausstieg auf den Weg. Umweltverbände kritisieren einen „Blankoscheck“.

Ein Schaufelradbagger fördert Braunkohle aus einem Flöz im Tagebau Profen in Sachsen-Anhalt. Foto: Jan Woitas

Ein Schaufelradbagger fördert Braunkohle aus einem Flöz im Tagebau Profen in Sachsen-Anhalt. Foto: Jan Woitas

Union und SPD lassen die Kohle-Kumpel nicht allein - das soll die Botschaft der Koalition sein. Es ist ein bewusstes Signal, dass das Bundeskabinett vier Tage vor den wichtigen Wahlen im Osten Milliardenhilfen für die Kohle-Regionen auf den Weg bringt.

Neue Jobs aber sind damit noch lange nicht geschaffen. Und die Strukturhilfen sind an ein anderes Gesetz gekoppelt. Bis 2038 soll Deutschland schrittweise aus der klimaschädlichen Stromgewinnung aus Kohle aussteigen. So hatte es eine Regierungskommission aus Wirtschaftsvertretern, Gewerkschaftern und Umweltschützern Ende Januar beschlossen. Eigentlich wäre erst in den späten 40er Jahren Schluss gewesen. Für den Strukturwandel sah der Bericht bis 2038 Hilfen von 40 Milliarden Euro vor.

Die Regierung hatte angekündigt, das Konzept umzusetzen. Umwelt- und Wirtschaftsverbände, aber auch Regierungschefs der Kohle-Länder Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen haben mehrfach kritisiert, die Regierung lasse sich zu viel Zeit. In Sachsen und Brandenburg wird am Sonntag ein neuer Landtag gewählt. Laut Umfragen müssen SPD und Union mit Verlusten rechnen, die AfD dürfte Zuwächse verzeichnen.

Nun beschloss das Kabinett den Entwurf für ein Strukturstärkungsgesetz für die Kohleregionen. Dabei geht es zum einen um direkte Finanzhilfen des Bundes „für besonders bedeutsame Investitionen“ der Kohle-Länder und ihrer Gemeinden von bis zu 14 Milliarden Euro. Das Geld soll ab 2020 gestaffelt fließen. Es soll verwendet werden, um Standortbedingungen für die Wirtschaft zu verbessern oder den Ausbau des schnellen Internets zu beschleunigen. Daneben geht es um eine bessere Stadt- und Regionalentwicklung und Maßnahmen zur Renaturierung ehemaliger Tagebauflächen. Die Länder leisten wie gesetzlich vorgesehen einen Eigenanteil. Der Bund prüft die Mittelverwendung in regelmäßigen Abständen.

Der zweite große Batzen sind Maßnahmen, die in der Zuständigkeit des Bundes liegen - zum Beispiel neue Bahnstrecken oder Straßen sowie die Ansiedlung neuer Forschungsinstitute. Bei diesen Mitteln will sich der Bund an einem Finanzvolumen von 26 Milliarden Euro bis spätestens 2038 „orientieren“, wie es im Entwurf heißt. Insgesamt will der Bund also eine Summe von 40 Milliarden Euro für den langfristigen Strukturwandel in die Hand nehmen.

Dazu kommt ein Sofortprogramm von bis zu 240 Millionen Euro, das einen schnellen Start erster Projekte ermöglichen soll. Die Länder hatten bereits viele Vorhaben angemeldet.

Der Bund selbst will außerdem bis 2028 bis zu 5000 Arbeitsplätze in Behörden und anderen eigenen Einrichtungen in den Regionen schaffen. Der Bundestag muss dem Gesetz noch zustimmen.

Die Finanzhilfen für die Länder sollen nach einem Schlüssel verteilt werden: 37 Prozent gehen an NRW, 25,8 Prozent an Brandenburg, 25,2 Prozent an Sachsen sowie 12 Prozent an Sachsen-Anhalt. Außerdem wird die Verteilung von 1,09 Milliarden Euro an strukturschwache Standorte von Steinkohle-Kraftwerken in Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Saarland geregelt, sowie an das ehemalige Braunkohlerevier Helmstedt in Niedersachsen.

In Kraft treten soll das Gesetz zu den Strukturhilfen, wenn auch das Gesetz zum konkreten Ausstieg aus der Kohle verkündet ist. Der Entwurf für das Ausstiegsgesetz soll in den nächsten Wochen vorliegen, das Gesetz dann bis Jahresende beschlossen werden. Darin soll ein konkreter Weg aufgezeigt werden, wann und wo genau Kraftwerke und Tagebaue stillgelegt werden.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte zum Strukturgesetz, die Bundesregierung halte mit den Plänen Wort. Der Staat lasse die Menschen nicht allein. „Wir wollen Arbeitsplätze erhalten und ausbauen, die Lebensqualität der in den Regionen lebenden Menschen nachhaltig sichern und gleichzeitig durch den Ausstieg aus der Kohleverstromung einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten.“

Der kommissarische SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel sagte: „Mit dem Strukturstärkungsgesetz investieren wir in die Zukunft der Menschen im doppelten Sinn: Erstens ist der Ausstieg aus der Kohle ein wichtiger Baustein für eine klimafreundliche Energiewende. Zweitens liefern wir Perspektiven für die Menschen, die vom Kohleausstieg direkt betroffen sein werden, lange vor dem Aus für die Kohle.“ Gerade in der Lausitz sei dies für die Menschen enorm wichtig.

Um Planungssicherheit für die Länder zu schaffen, sind Verwaltungsvereinbarungen mit dem Bund geplant. Dies seien verbindliche Vereinbarungen, sagte eine Sprecherin Altmaiers. Die betroffenen Bundesländer dagegen fordern einen Staatsvertrag mit dem Bund. Die Sorge: Künftige Bundesregierungen könnten sich an Zusagen nicht mehr gebunden fühlen.

Länderchefs begrüßten den Gesetzentwurf dennoch. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) etwa sagte: „Ich glaube, das ist ein ganz, ganz wichtiger Schritt nach vorne.“

Dagegen kam von Umweltverbänden und aus der Opposition im Bundestag Kritik. Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser sagte, die Regierung stelle einen „Blankoscheck“ mit Milliarden Steuergeldern aus - ohne klar zu machen, wann, wo und wie Kohlekraftwerke abgeschaltet würden. „Die Koppelung mit Klimaschutzzielen ist zwingend notwendig, alles andere ist unverantwortlich“, sagte Kaiser. Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte: „Statt endlich den Kohleausstieg einzuleiten und die Kohleregionen zu Schwerpunkten des Ausbaus der Erneuerbaren Energien zu machen, verteilt die Bundesregierung ein paar Tage vor den Landtagswahlen Geld ohne Sinn und Verstand.“

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Erstellt:
28. August 2019, 16:02 Uhr

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