Kollektives Versagen gegenüber dem Iran
Die Vereinten Nationen setzen auf Sanktionen, doch damit wird sich das Atomproblem nicht lösen lassen.
Von Eidos Import
Das Atomabkommen von 2015 ist endgültig gescheitert. Der Vertrag war ein Meisterstück internationaler Diplomatie, weil er zehn Jahre lang die Entwicklung einer iranischen Atomwaffe verhinderte, ohne dass dafür Krieg geführt werden musste. Der Grundgedanke des Abkommens – den Iran mit dem Anreiz eines Sanktionsabbaus zum Wohlverhalten in der Atomfrage zu bewegen – war und ist richtig, doch alle Beteiligten versagten bei der Umsetzung. Seit Sonntag sind UN-Sanktionen gegen Teheran per „Snapback“ wieder in Kraft – diese treten wieder in Kraft, wenn der Iran seine Verpflichtungen nicht einhält.
Die Kriegsgefahr wächst. Dabei ist allen klar, dass der Atomstreit nur diplomatisch gelöst werden kann. Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde wiesen nach Abschluss des „Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplans“ (JCPOA) vor zehn Jahren nach, dass sich der Iran an seine Pflicht zur Begrenzung der Urananreicherung hielt. Die Islamische Republik konnte ihren Ölexport verdoppeln, weil Sanktionen wegfielen, das Wirtschaftswachstum erreichte neun Prozent im Jahr.
Fachleute schätzten damals, dass Teheran rund ein Jahr brauchen würde, wenn das Regime trotz aller Zusagen versuchen sollte, heimlich Material für eine Bombe zu sammeln – genug Zeit für die internationale Gemeinschaft um einzuschreiten.
Heute könnte der Iran in ein paar Tagen genug Uran für fünf Atomwaffen zusammentragen. Schuld daran sind sowohl die USA und der Iran als auch Europa. Donald Trump verkündete in seiner ersten Amtszeit 2018 den Ausstieg der USA aus dem JCPOA und erließ neue Sanktionen gegen Teheran. Der Iran steigerte daraufhin seine Urananreicherung auf ein Niveau knapp unterhalb der Schwelle für eine Atombombe. Europa kritisierte Trump, war aber unfähig, das Abkommen zu retten. Ein Anschlussvertrag für den JCPOA, der offiziell im Oktober ausläuft, rückte in weite Ferne.
Das Vertrauen in die Diplomatie wurde absichtlich untergraben. Kurz vor einem geplanten Gespräch von Iran und USA im Juni über einen neuen Atomvertrag griff Israel iranische Atomanlagen an und brachte die Verhandlungen damit zum Abbruch. Statt Israel aufzuhalten, beteiligten sich die USA an den Luftangriffen. Europa schaute zu. Iranischen Politikern ist es vor diesem Hintergrund nicht zu verdenken, dass sie sich von Trump und vom Westen hintergangen fühlen.
Aber auch Teheran zündelt, weil sich der Atomstreit und der Überlebenskampf des theokratischen Regimes überlagern. Die iranische Führung will keine Kompromisse bei der Urananreicherung, weil sie befürchtet, dass ihr das von den Iranern und Verbündeten im Nahen Osten als Schwäche ausgelegt wird. Regimechef Ajatollah Ali Chamenei weiß, wie unbeliebt das System der Islamischen Republik bei den Bürgern ist. Wo Chamenei und seine Anhänger eine gottgefällige Ordnung sehen, sehen die Iraner nur Korruption, Misswirtschaft und ein betonhartes Nein zu Reformen. Einige iranische Politiker träumen von der Bombe, weil sie denken, Nuklearwaffen stärkten das Regime. Israel droht zugleich mit neuen Angriffen.
Die Eskalation ist nicht unausweichlich, aber wenn nichts getan wird, läuft es darauf hinaus. Können Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die den „Snapback“ bei der UNO durchgesetzt haben, eine neue diplomatische Initiative in Gang setzen? Sie brauchen dafür die Mitarbeit von Amerikanern und Iranern, doch weder Trump noch das Regime in Teheran sind verlässliche Verhandlungspartner. Versuchen sollten es die Europäer trotzdem, denn die Alternative heißt Krieg.