Gesundheit
Kommen E-Patientenakten jetzt voll auf Touren?
Die allermeisten Versicherten haben inzwischen einen digitalen Speicher für Gesundheitsdaten – und Ärztinnen und Ärzte müssen sie in wenigen Tagen auch immer befüllen. Wird das dann rasch zum Alltag?

© Daniel Karmann/dpa
Die E-Patientenakte soll zum Alltag werden. (Archivbild)
Von Von Sascha Meyer, dpa
Berlin - Kurz vor dem Start der verpflichtenden Verwendung der neuen elektronischen Patientenakten (ePA) in den Arztpraxen zieht das Interesse unter Versicherten allmählich etwas mehr an. Bei der Techniker Krankenkasse (TK), den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) und der Barmer haben 1,37 Millionen Versicherte ihre E-Akte nun für sich selbst freischalten lassen, wie die Kassen auf Anfrage mitteilten.
Das sind knapp 170.000 mehr als Mitte Juli – bei jedoch insgesamt 45 Millionen angelegten ePAs. Die Kassen setzen auf einen Schub, wenn Praxen ab diesem Mittwoch wichtige Daten in die E-Akten laden müssen.
Die Chefin des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Mit der Verpflichtung zur Befüllung und Nutzung der ePA ab dem 1. Oktober dürfte sich der Anteil der Versicherten, die mit dem Thema in Berührung kommen, deutlich erhöhen." TK-Chef Jens Baas sagte der dpa, jetzt komme die entscheidende Phase. "Nur wenn die ePA zu jedem Arztbesuch selbstverständlich dazugehört, wird sie ihren vollen Nutzen entfalten."
Ärzte müssen künftig Daten in E-Akten laden
Rund 70 Millionen der gut 74 Millionen gesetzlich Versicherten haben schon seit Januar eine ePA von ihrer Krankenkasse angelegt bekommen, was man für sich auch ablehnen kann. Der Einsatz in Gesundheitseinrichtungen wurde zuerst in drei Regionen getestet und dann ab dem Frühjahr bundesweit ausgedehnt. Bisher konnten Ärztinnen und Ärzte die ePAs auf freiwilliger Basis nutzen und Daten für ihre Patienten einstellen. Zum 1. Oktober greift für sie nun eine Pflicht.
TK-Chef Baas sagte: "Damit die ePA ihr volles Potenzial entfalten kann, müssen sich Patientinnen und Patienten darauf verlassen können, dass ihre wichtigen medizinischen Informationen in der Akte bei jedem Praxisbesuch vollständig hinterlegt sind." Deshalb sei entscheidend, dass die nun greifenden Vorgaben möglichst schnell und flächendeckend umgesetzt werden. "Alle medizinischen Einrichtungen in Deutschland müssen an die ePA angeschlossen sein." Sie müsse von allen in den Behandlungsalltag integriert und auch gefüllt werden.
Auch "passive" E-Akten können befüllt werden
Rund 58.000 der 98.500 Arztpraxen nehmen nach Angaben der mehrheitlich bundeseigenen Digitalagentur Gematik bereits teil. Schon dabei sind demnach auch 19.700 Zahnarztpraxen, knapp 6.500 Apotheken und 727 Kliniken. Zuletzt wurden wöchentlich insgesamt 1,9 Millionen Dokumente hochgeladen. Bei den Kliniken wird nach Branchenangaben damit gerechnet, dass ein Großteil die ePA wohl erst im Laufe des nächsten Jahres krankenhausweit einsetzen kann.
Generell können Ärzte die ePA befüllen und einsehen, auch wenn Patienten sie nicht aktiv nutzen. Beim Einstecken der Versichertenkarte am Anmeldetresen erteilt man ein Zugriffsrecht standardmäßig für 90 Tage. Patienten können sich in ihre ePA einloggen, müssen es aber nicht. Nur wenn man es tut, kann man aber online festlegen, welche Ärzte welche Daten sehen können und was nicht.
Fürs erste Verwenden der App muss man sich einmalig identifizieren und freischalten lassen. Dafür braucht man einen elektronischen Personalausweis mit Geheimnummer (Pin) oder die E-Gesundheitskarte mit Pin, die auf Antrag von der Kasse kommt.
Etwas mehr Versicherte nutzen ePA aktiv
Bei der TK als größter Kasse nutzen nun 800.000 Versicherte ihre ePA aktiv – Mitte Juli waren es 750.000 gewesen. Bei der Barmer erhöhte sich die Zahl der aktiven Nutzerinnen und Nutzer von 250.000 auf mehr als 300.000. Bei den elf AOKs haben 265.000 Versicherte eine persönliche Gesundheits-ID angelegt, die ihnen den Zugriff ermöglicht, 65.000 mehr als Mitte Juli. Die "Ärzte Zeitung" berichtete zuerst über die aktuellen Zahlen. Bei der DAK-Gesundheit sind es nach einer Umfrage der Zeitung nun rund 100.000 aktiv geschaltete E-Akten.
Für die 8,7 Millionen Privatpatienten läuft es mit der ePA nicht so automatisch. Private Versicherungen können sie auf freiwilliger Basis für Patienten anlegen, die eine Krankenversichertennummer zur eindeutigen Identifikation haben. Aktuell bieten fünf der 36 Unternehmen mit Krankheitsvollversicherungen ePAs an, wie der Verband auf Anfrage mitteilte. E-Rezepte könnten Versicherte von 15 Versicherungsunternehmen nutzen. Damit könnten mehr als 3,7 Millionen Privatversicherte mindestens eine der beiden Digitalanwendungen nutzen.
Kommt nötige Software überall rechtzeitig?
Die ePA soll Patientinnen und Patienten ein Leben lang begleiten können. Indem sie Befunde, Laborwerte oder Angaben zu Medikamenten zentral bündelt, soll sie zu besseren Behandlungen beitragen.
Zuletzt mussten Einrichtungen teils noch auf Softwaremodule für den ePA-Einsatz warten. Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) konnte ein Fünftel der Praxen deshalb zunächst nicht mit der ePA arbeiten. Laut Gematik sollen zum 1. Oktober mehr als 90 Prozent der Praxen, Zahnarztpraxen und Apotheken dafür technisch ausgestattet sein.