Kommentar: Von der Staatsräson zum Wesenskern

Kommentar: Von der Staatsräson zum Wesenskern

Von Ellen Hasenkamp

Beinahe zwei Jahrzehnte lang hat dieser Satz die deutsche Außenpolitik geprägt: „Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson.“ Es ist eine Aussage der früheren Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die ihr Nachfolger Olaf Scholz (SPD) im Amt übernahm, auch und gerade nach dem blutigen Überfall der Hamas vom 7. Oktober. Was konkret aber damit gemeint war, blieb unklar.

Kanzler Friedrich Merz (CDU) wiederum hat diese Wortwahl bislang vermieden. Bei seinem Israel-Besuch wählte er eine neue Ausdrucksweise: Nach seinem Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem sagte er, für die Existenz und die Sicherheit Israels einzustehen, gehöre „zum unveränderlichen Wesenskern unserer Beziehungen“. Früher also: Israels Sicherheit quasi als Begründung der Existenz des deutschen Staates, jetzt als unabdingbarer Teil der Beziehungen zu Israel – das kann man für Wortklauberei halten. Und vielleicht hat die verbale Distanzierung auch damit zu tun, dass Merz die Übernahme ausgerechnet einer Merkel-Formulierung besonders schwerfallen dürfte.

Es ist aber auch der Versuch einer Befreiung von einer Phrase, die zunehmend hohl zu klingen drohte. Die letzten Monate haben jedenfalls gezeigt, dass Merz bereit ist, sich in Nahost zu engagieren. Und dass er sich auch nicht scheut, Konflikte mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu einzugehen. Wenn neue Begriffe dabei helfen: um so besser.

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Erstellt:
7. Dezember 2025, 22:42 Uhr
Aktualisiert:
7. Dezember 2025, 23:45 Uhr

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