Treffen in Damaskus

Konferenz über die Zukunft Syriens

Ist es ein Meilenstein oder doch nur eine Schau? In Damaskus debattieren Deligierte unverbindlich über einen nationalen Dialog.

Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa (Mitte) bei der Zukunftskonferenz in Damaskus

© dpa/Omar Albam

Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa (Mitte) bei der Zukunftskonferenz in Damaskus

Von Thomas Seibert

Von einem „Wunder“ schwärmte der syrisch-amerikanische Arzt Zaher Sahloul: Er nahm am Dienstag in Damaskus an der „Konferenz des Nationalen Dialogs“ teil, die nach einem halben Jahrhundert Diktatur des Assad-Clans und 13 Jahren Bürgerkrieg über die Zukunft des Landes beriet. Sahloul war einer von 600 Delegierten, die zu der ersten Konferenz ihrer Art in Syrien eingeladen wurden. Nach Ansicht von Kritikern war das Treffen jedoch kein Meilenstein, sondern eine Schauveranstaltung, die Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa mehr Legitimität verschaffen sollte.

Manche Einladung zur Konferenz erfolgte zeitlich zu knapp

Scharaa und seine islamistische Miliz HTS hatten im Dezember den Großangriff auf das Regime von Baschar al-Assad angeführt, die mit der Flucht des Diktators endete. Seitdem wird Syrien von einem Übergangskabinett der HTS regiert; Sharaa ließ sich im Januar zum Übergangspräsidenten ausrufen. Im März soll eine neue, breiter aufgestellte Regierung gebildet werden; die „Konferenz des Nationalen Dialogs“ soll die Grundlage dafür schaffen. Die Ausarbeitung einer neuen Verfassung wird nach Scharaas Angaben bis zu drei Jahre dauern, Neuwahlen soll es nach seinen Worten erst in vier Jahren geben.

Die neuen Machthaber in Damaskus hatten die „Konferenz des Nationalen Dialogs“ ursprünglich schon im Januar versprochen. Vorbereitet wurde das Treffen von einem siebenköpfigen Gremium, dessen Mitglieder mehrheitlich der HTS nahestanden. Die Mitglieder des Komitees reisten in verschiedene Teile Syriens, um Vorschläge und Anregungen zu sammeln, und sprach mit rund 4000 Bürgern, wie die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete.

Nach den Gesprächen in der Provinz verschickte das Organisationskomitee die Einladungen an die Delegierten. Teilweise geschah das erst zwei Tage vor dem Treffen. Zu den landesweit bekannten Teilnehmern gehörte Raed al-Saleh, Chef der Hilfsorganisation der Weißhelme, die während des Bürgerkrieges viele Zivilisten nach Luftangriffen des Regimes aus zerstörten Häusern rettete.

Bei der Konferenz befassten sich sechs Arbeitsgruppen mit den Themen Justiz, Freiheitsrechte, Verfassung, Wirtschaft, Rolle der Zivilgesellschaft und Reform der Staatsinstitutionen. Scharaa sagte in einer Ansprache vor der Konferenz, das Treffen sei eine „historische Gelegenheit“, die Zukunft Syriens zu gestalten.

Wegen der kurzen Fristen konnten prominente Assad-Gegner aus dem Ausland nicht an der Konferenz teilnehmen. Zu ihnen gehörte George Sabra, ehemaliger Chef einer syrischen Exilregierung während der Assad-Zeit, der im Exil in Paris lebt. Er sei zwar zu der Konferenz eingeladen worden, schaffe es aber nicht, rechtzeitig in Damaskus zu sein, schrieb Sabra auf X.

Skeptiker bemängeln, dass ausländische Diplomaten fehlen

Selbst einige Konferenzteilnehmer äußerten Skepsis. Sie nehme teil, weil sie es als ihre Pflicht betrachte, sagte die Aktivisten Hanin Ahmad der Zeitung „The National“ aus Abu Dhabi. „Einen richtigen nationalen Dialog“ könne sie aber nicht erkennen. Die Organisatoren hätten die Unterstützung der UNO bei der Vorbereitung der Konferenz und die Teilnahme ausländischer Diplomaten an dem Treffen abgelehnt, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters.

Einer der Gründe für die Eile bei der Organisation der Konferenz könnte in der Forderung der internationalen Gemeinschaft nach raschen Reformen in Syrien liegen. Die EU setzte am Tag vor dem Treffen einige Sanktionen aus, die sie gegen das Assad-Regime verhängt hatte, um damit Syrien bei der Energieversorgung, dem Bankensystem und beim Wiederaufbau zu helfen. Bevor die Sanktionen ganz abgeschafft werden, will Europa die Entwicklung in Syrien jedoch weiter beobachten.

Der UN-Syrienbeauftragte Geir Pedersen forderte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP die Bildung einer „inklusiven Regierung“ in Damaskus zum 1. März. Mit der Ausrichtung der Konferenz kurz vor dieser Frist signalisiert die syrische Führung, dass sie auf die Vorgaben der UNO achtet. Allerdings gibt es keine festen Zusagen von Scharaa oder der HTS, dass Vorschläge des Treffens auch umgesetzt werden.

Die Drusen, eine religiöse Minderheit im Süden Syriens, kritisierten, sie seien bei der Konferenz unterrepräsentiert. Die kurdische Selbstverwaltung im Nordosten Syriens, die ein Drittel des Landes regiert, wurde nicht eingeladen. Die Kurdenregierung besteht darauf, ihre Autonomie und ihre Miliz YPG auch im neuen Staat zu erhalten, was Scharaa ablehnt. Scharaa ging in seiner Rede bei der Konferenz indirekt auf den Streit ein. Syrien sei unteilbar, sagte er. Zudem müsse der Staat das Gewaltmonopol besitzen. Eines der drängendsten Probleme Syriens bleibt damit trotz der Konferenz ungelöst.

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Erstellt:
25. Februar 2025, 17:16 Uhr

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