„Konjunkturhimmel hat sich eingetrübt“

Mit Blick auf die USA und den Brexit schauen die Metallunternehmer im Kreis deutlich weniger zuversichtlich in die Zukunft

Der Konjunkturhimmel beginnt sich einzutrüben: Die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie (M+E) im Rems-Murr-Kreis blicken deutlich weniger zuversichtlich ins neue Jahr. Einer neuen Umfrage der Bezirksgruppe des Arbeitgeberverbands Südwestmetall zufolge erwarten für 2019 nur noch 30,8 Prozent der M+E-Unternehmen eine ansteigende Geschäftsentwicklung.

Weltmarktführer von Motorsägen Stihl in Waiblingen blickt „verhalten vorsichtig“ in die Zukunft. Foto: Stihl

© ANDREAS STIHL AG & Co. KG

Weltmarktführer von Motorsägen Stihl in Waiblingen blickt „verhalten vorsichtig“ in die Zukunft. Foto: Stihl

Von Florian Muhl

WAIBLINGEN. „Die maßgeblich von den USA ausgelösten internationalen Handelskonflikte, aber auch die wachsenden Risiken im Zusammenhang mit dem Brexit belasten das Geschäft unserer exportorientierten Unternehmen“, sagte Michael Prochaska, Vorsitzender der Südwestmetall-Bezirksgruppe Rems-Murr, gestern bei der Vorstellung der Umfrage in Waiblingen (siehe Infokasten).

„Sollten die laufenden Verhandlungen der EU mit den USA über den Abbau von Industriezöllen scheitern und US-Präsident Trump seine Drohung von Zöllen auf europäische Autoimporte wahr machen, würde die wirtschaftliche Entwicklung bei uns voraussichtlich noch deutlich negativer verlaufen als bisher erwartet“, so Prochaska. Ähnliches gelte für den seit Dienstagabend immer wahrscheinlicheren Fall eines chaotischen No-Deal-Brexits, also eines Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU ohne Übergangsabkommen. „Großbritannien ist für die baden-württembergischen Unternehmen bislang immerhin der drittgrößte Exportmarkt in der EU“, sagte der Bezirksgruppenvorsitzende.

Kritik übte Prochaska an der deutschen Bundesregierung. Derzeit sei die Arbeitsmarktlage im Rems-Murr-Kreis „unterm Strich sehr gut“. Bei einer Quote von 2,8 Prozent „kann man von Vollbeschäftigung sprechen“. Doch statt den heimischen Wirtschaftsstandort jetzt angesichts der geopolitischen Risiken „wetterfest“ zu machen, geschehe genau das Gegenteil: „Statt auf wachstumsfördernde Investitionen zu setzen, scheint es der Großen Koalition in erster Linie nur um Umverteilung zu gehen.“ Die Regierenden hätten offensichtlich vergessen, dass sich das Land international in einem harten Standortwettbewerb befinde. „Andere Länder haben enorm aufgeholt, Deutschland aber hat zuletzt spürbar an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt“, so der Bezirksgruppenvorsitzende.

„Elf Stunden Ruhezeit passen einfach nicht mehr zu den heutigen Anforderungen der Wirtschaft“

Prochaskas Forderung: Die Regierung sollte eine Reform-Agenda 2030 auf den Weg bringen. Teil einer solchen Reform-Agenda müsse aus Arbeitgebersicht unbedingt eine Neugestaltung der veralteten Arbeitszeitregeln sein. „Starre tägliche Höchstarbeitsgrenzen oder eine zusammenhängende Ruhezeit von elf Stunden passen einfach nicht mehr zu den Anforderungen einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft“, erklärte er. Mehr Spielraum und Verantwortung in den Händen von Unternehmen und Beschäftigten schafften für beide Seiten Freiräume. Prochaska wörtlich: „Diese brauchen und wollen im Übrigen beide: Das Unternehmen, das einen Auftrag kurzfristig abzuarbeiten hat, um den Kunden zu halten. Und der Arbeitnehmer, der lieber an einem Tag mal länger arbeitet, um am nächsten Tag mehr Zeit für die Familie zu haben.“ Deshalb begrüßten die Arbeitgeber auch die von der baden-württembergischen CDU-Landtagsfraktion vorgeschlagene Bundesratsinitiative für ein flexibleres Arbeitszeitrecht.

Für das Backnanger Raumfahrtunternehmen Tesat-Spacecom „war 2018 ein wirklich tolles Jahr“, sagte gestern der neue Tesat-Chef Marc Steckling, der am 1. Dezember die Geschäftsleitung übernommen hat. „Und zwar aus dem Grund, weil wir es geschafft haben, tatsächlich alle Ziele im Jahr 2018 zu erreichen.“ Tesat habe von den 2017 und 2018 weltweit ausgeschriebenen kommerziellen Satelliten „tatsächlich 19 gewonnen“, sprich alle. Zudem sei Tesat bei 21 Weltraumstarts im vergangenen Jahr mit Equipment mit dabei gewesen. Dank des gestiegenen Auftragsvolumens erwarte der 50-Jährige für das neue Jahr eine Umsatzsteigerung auf rund 300 Millionen Euro. So blickt Backnangs größter Arbeitgeber (1100 Beschäftigte) „optimistisch in die Zukunft“. Steckling sieht einen „Boom im Bereich der weltraumunterstützten Laserkommunikation“. Tesat sei das einzige Unternehmen, das acht Laserkommunikationsterminals im Weltraum hat und neun weitere würden bis 2021 dazukommen. Zudem habe Airbus im vergangenen Jahr das Backnanger Unternehmen ausgesucht, um die internationale Weltraumstation mit High-Speed-Internet, „also mit zehn Gigabyte pro Sekunde“, in Zukunft zu versorgen. „Das wird 2019, 2020 der Fall sein.“

Als Vorstandsmitglied des Motorsägen-Marktführers Stihl blickt Michael Prochaska „positiv ins Jahr 2019“. Die aktuellen Absatz- und Umsatzzahlen würden sich auf Vorjahresniveau bewegen. „Wir rechnen mit Wachstum“, so der Stihl-Vorstand, und ergänzend, mit Blick auf den Brexit: „...aber verhalten vorsichtig blicken wir in die Zukunft.“ Denn der englische Markt ist unter den Top-Ten-Märkten. Prochaska sieht speziell auf der Insel eine steigende Absatzchance durch die Produkterweiterung bei den Rasenmähern und Robotern.

Info
Umfrage im Rems-Murr-Kreis: M+E-Unternehmen schrauben Erwartungen zurück

Einer neuen Umfrage der Bezirksgruppe zufolge erwarten für 2019 nur noch 30,8 Prozent der Metall- und Elektroindustrie (M+E)-Unternehmen eine ansteigende Geschäftsentwicklung. In der Vorjahresumfrage hatten dies noch 48,5 Prozent gesagt. Im Gegenzug stieg der Anteil der Unternehmen, die zurückgehende Geschäfte erwarten, auf 30,8 Prozent von 6,1 Prozent. 38,5 Prozent der Unternehmen gehen von einer gleichbleibenden Entwicklung aus (Vorjahresumfrage: 45,5 Prozent).

Nur noch 42,3 Prozent der Unternehmen bezeichnen ihren Auftragsbestand als gut (Vorjahr 57,6). 46,2 Prozent bewerten ihn als befriedigend (Vorjahr 36,4) und 11,5 Prozent beurteilen ihn als schlecht (6,1).

40 Prozent der Maschinenbauer erwarten fürs laufende Jahr steigende Geschäfte (Vorjahr: 44,4), ebenfalls 40 Prozent gleichbleibende (Vorjahr 55,6) und 20 Prozent rückläufige (Vorjahr 0 Prozent).

Unter den Elektro-Unternehmen gehen nur 20 Prozent von steigenden Geschäften aus (Vorjahr 57,1). 60 Prozent erwarten inzwischen nur noch gleichbleibende Geschäfte (Vorjahr 42,9) und 20 Prozent sogar rückläufige (Vorjahr 0 Prozent).

In der Metallbranche erwartet sogar keines der Unternehmen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, eine steigende Geschäftsentwicklung (Vorjahr 42,9 Prozent). 57,1 Prozent sehen nun eine gleichbleibende Geschäftsentwicklung (Vorjahr 42,9) und 42,9 Prozent sogar eine rückläufige Entwicklung (Vorjahr 14,3).

Bei den Automobilzulieferern sieht es noch deutlich besser aus: 50 Prozent der Unternehmen erwarten hier steigende Geschäfte (Vorjahr 40), 16,7 Prozent gleichbleibende (Vorjahr 40) und 33,3 Prozent rechnen mit einem Rückgang (Vorjahr 20).

23,1 Prozent aller befragten Unternehmen erwarten steigende Beschäftigungszahlen (Vorjahr 27,3), 38,5 Prozent gehen von gleichbleibenden Beschäftigungszahlen aus (Vorjahr 63,6) und immerhin 23,1 Prozent planen mit rückläufigen Beschäftigungszahlen (Vorjahr 9,1).

Die Umfrage hat die Südwestmetall-Bezirksgruppe Rems-Murr Ende vergangenen Jahres unter ihren Mitgliedsbetrieben durchgeführt. Von den 79 angeschriebenen Unternehmen haben 26 geantwortet.

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Erstellt:
21. Januar 2019, 16:11 Uhr

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