Krachender Ausklang eines Clubbesuchs

Unter Alkoholeinfluss Schlägerei in einer Backnanger Tankstelle angezettelt – Bewährungsstrafen für zwei Beteiligte

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Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Vor dem Amtsgericht mussten sich zwei Brüder, ein 25-jähriger Kurierfahrer aus Backnang und ein 27-jähriger Lagerlogistiker aus Spiegelberg, wegen Körperverletzung verantworten. Sie waren an einer Prügelei in einer Backnanger Tankstelle beteiligt und wurden nun mit mehrmonatigen Bewährungsstrafen belegt.

Es ist mitten in der Nacht an einem Januartag dieses Jahres. Man hat lange gefeiert in einem Backnanger Club. Der eine will Zigaretten, der andere etwas zu essen. Außerdem ist ein Taxi bestellt. Mehrere junge Leute treffen zu dieser Nachtstunde im Verkaufsraum einer Tankstelle unweit des Clubs zusammen. Man hat ordentlich getankt, allerdings nicht Benzin, sondern Alkohol. Drei Krüge, so gibt der ältere Angeklagte an, seien es bei ihm gewesen. Macht drei Liter Wodka Lemon. Die Überwachungskamera gibt über das Geschehen in der Tankstelle Auskunft. Mehrmals werden die Filmsequenzen von den am Verfahren Beteiligten im Gerichtssaal angesehen. Anfangs ist die Lage noch entspannt. Man kennt sich flüchtig und klopft sich freundschaftlich auf die Schulter.

Aber dann schlägt die Stimmung mit einem Mal um. Der jüngere Angeklagte stößt einen 31-jährigen Kaufmann heftig zur Seite. Dann holt er mit dem Arm aus. Hat er den Kaufmann getroffen? Es ist nach den Filmaufnahmen nicht genau zu entscheiden. Sein Verteidiger sagt: Ich denke nicht. Auf alle Fälle trägt der Kaufmann nach der Tankstellenepisode eine Platzwunde über der Augenbraue davon. Wann hat er sich die Verwundung zugezogen, gleich zu Beginn der Rangelei oder später? Es ist, trotz großer Bemühungen aller Beteiligten, nicht eindeutig zu entscheiden.

Das Stoßen geht weiter. Beteiligte, darunter eine 26-jährige Vertriebsassistentin, die Freundin des Kaufmanns, krachen in das Getränkeregal. Flaschen zerbersten, ihr Inhalt ergießt sich auf den Boden. Der Getränkesee wird dem Kurierfahrer zum Verhängnis. Jetzt geht er zu Boden, verliert, auch wenn das etwas rätselhaft ist, seine Schuhe. Der Tankstellenbetreiber stellt den Schaden an Waren und Einrichtung später den Brüdern in Rechnung: 1300 Euro. Die Sache scheint sich zu beruhigen, zumal der Ältere der beiden Angeklagten immer wieder versucht hatte, auf seinen Bruder mäßigend einzuwirken. Der leicht verletzte Kaufmann will sich offenbar für die erlittene Schmach rächen und tut dies verbal. „Hurensöhne“ soll das Kosewort gelautet haben. Da reicht’s dem älteren Angeklagten und er nimmt Anlauf. Die nächtliche Auseinandersetzung geht in die zweite Runde. Erst die Polizei setzt dem Geschehen ein Ende.

Zum Geschehen äußert sich der Kurierfahrer nicht. Sein Verteidiger erklärt für ihn. Da sei zum einen die erhebliche Alkoholisierung seines Mandanten gewesen. Zum anderen sei er von dem Kaufmann beleidigt worden. Und schließlich habe er nur gestoßen. Von einem Faustschlag kann keine Rede sein.

Die Zeugen können zur Aufklärung des Geschehens wenig beitragen. Entweder standen sie auch unter erheblichem Alkoholeinfluss oder sie können sich nicht genau erinnern. Auch die Versuche der Richterin, anhand der Vernehmungsprotokolle der Polizei dem Erinnerungsvermögen auf die Sprünge zu helfen, laufen ins Leere.

Widersprüchliche Aussagen zu einem weiteren Vorfall

Für den Kurierfahrer kommt noch eine weitere Sache hinzu. Im April dieses Jahres hat es sich zugetragen. Auf der Strecke nach Sulzbach an der Murr ist es, dass sich der Angeklagte mit einem 27-jährigen Transportunternehmer anlegt. Erst überholen sich die beiden gegenseitig, kommen dann an einer Ampel hintereinander zum Stehen. Der 25-Jährige schimpft aufgrund des Erlebten empört aus dem Fenster. Der Transportunternehmer kann die Schimpftirade nicht einordnen, steigt aus und will sich bei seinem Kontrahenten erkundigen. Erneut machen zweifelhafte Koseworte den Anfang. „Scheiß-Ausländer“, „Bastard“ und Schlimmeres muss sich der Unternehmer anhören. Dieser kehrt zu seinem Fahrzeug zurück. Hat er dem anderen noch „Verpiss dich!“ zugerufen? Die Erklärungen der beiden Männer widersprechen sich. Während der Transportunternehmer zu seinem Fahrzeug zurückgeht, geht der Kurierfahrer ihm nach und versetzt ihm einen Hieb auf den Hinterkopf. Eine Schädelprellung trägt der davon. Die Polizei hat davon ein Foto gemacht, aber das befindet sich nicht in den Gerichtsakten.

Die Staatsanwältin sieht die Anklageschrift bestätigt. Erschwerend kommt bei dem Kurierfahrer hinzu, dass er unter Bewährung stand. Eine Vorstrafe legt den Schluss nahe, dass er unter Alkoholeinfluss seiner Wut durch Tätlichkeiten Ausdruck verleiht. Sie will die Sache mit 14 Monaten Gefängnis ahnden, der Bruder soll mit sechs Monaten auf Bewährung davonkommen. Der Verteidiger des jüngeren Angeklagten zeigt Widersprüche in den Zeugenaussagen auf. Und den Vorfall auf der Fahrt nach Sulzbach will er gar nicht gelten lassen. Der Kontrahent seines Mandanten sei der einzige Belastungszeuge. Dieser habe Widersprüchliches von sich gegeben. In diesem Punkt sei sein Schützling freizusprechen.

Das Urteil: Der Kurierfahrer erhält ein Jahr auf Bewährung. Zudem eine Geldauflage in Höhe von 1500 Euro. Von dieser gehen 500 Euro als Schmerzensgeld an den Kaufmann. Und ein Antiaggressionstraining muss er nachweisen. Der ältere Angeklagte erhält wegen seiner Beteiligung an der Tankstellenrangelei sechs Monate auf Bewährung. Auch er muss 500 Euro an Schmerzensgeld entrichten. Beide Angeklagte gaben in der Verhandlung an, dem Alkohol mittlerweile abgeschworen zu haben. Man kann nur hoffen, dass dem so ist.

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Erstellt:
25. September 2019, 06:00 Uhr

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