Kreisräte sehen geförderte Projekte skeptisch

Zuschüsse aus dem Programm „Agenda 2030“ für ADFC, Solarverein und Kreisjugendring – Bis zu 50000 Euro jährlich verfügbar

Der ADFC ist mit drei Projekten in dem Programm vertreten Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Der ADFC ist mit drei Projekten in dem Programm vertreten Foto: A. Becher

Von Armin Fechter

WAIBLINGEN. Codierung für Fahrräder, Servicepunkte, an denen Radfahrer Pannen an ihrem Mobil beheben können, eine Fotovoltaikanlage für Togo, ein Weltenretter-Programm, das Jugendlichen ein klimabewusstes Handeln nahebringt: Vereine und Organisationen haben insgesamt sechs verschiedene Projekte beim Landkreis zur Förderung eingereicht. Mittel dafür gibt es über die „Agenda 2030 – Projekte für eine nachhaltige Entwicklung“, ein Programm, das der Landkreis aufgelegt hat. Unter den Kreisräten im Umwelt- und Verkehrsausschuss gab es jetzt jedoch Zweifel an der Sinnhaftigkeit der geförderten Projekte.

So stießen sich Thomas Bezler (ÖDP) und Klaus Riedel (SPD) an dem Fahrradcodierungsprojekt, das der ADFC angemeldet hatte: Der Radfahrerclub möchte mit einem Zuschuss über rund 4550 Euro ein Codiergerät anschaffen, um Radfahrern an Aktionstagen die Codierung ihrer Räder anzubieten – codierte Fahrräder lassen sich nach einem möglichen Verlust eindeutig dem Eigentümer zuordnen. Das aber, so Riedel und Bezler, könne jeder gut selbst zahlen, weil dafür keine Riesensummen mehr aufzubringen seien, wenn man sich ohnedies schon ein teures neues E-Bike leisten könne.

Auch Hermann Beutel (CDU) zeigte sich unzufrieden. Er signalisierte zwar Unterstützung, aber „nicht mit heißem Herzen“, wie er sagte, wenngleich „auch nicht mit der Faust in der Tasche“. So tat er sich mit der Auswahl schwer und fragte sich zum einen, ob die Servicepunkte, die der ADFC mit einer Förderung über 15000 Euro errichten will, womöglich über kurz oder lang ein Fall für den Landkreis werden. Die fünf ersten Stationen sollen, so die Idee der Initiatoren, die Anfänge für ein kreisweites Netz darstellen, das mit Sponsorenhilfe aufgebaut wird. Beutel deutete zudem auf das Weltenretter-Projekt, für das der Kreisjugendring eine Förderung über 21000 Euro beantragt hat. Er will damit an Schulen, in Ferienprogrammen und bei Aktionstagen auftreten, um Kinder und Jugendliche mithilfe von Experimenten für den Klimaschutz zu sensibilisieren.

CDU-Kreisrat Beutel: Statt Propaganda lieber Bäume pflanzen

Gegen solche Ideen hegt der Christdemokrat Vorbehalte: Statt in Propaganda zu investieren, wie er sagte, solle man lieber konkrete Aktionen unterstützen, mit denen effektiv CO2 eingespart wird, beispielsweise das Pflanzen von Bäumen.

Martin Huschka (AfD) wandte sich gegen das Fotovoltaikprojekt in Togo. Er fragte nach, wer darüber entscheide und ob dies schon endgültig geschehen sei. So ein Projekt wecke Begehrlichkeiten, und es sei auch nicht klar, wer für das Funktionieren der Technik garantiere. Gemäß der Idee des Solarvereins Rems-Murr soll ein Dorf in dem afrikanischen Land mit dem Verkauf der Solarenergie aus der Anlage die Ausbildung von Frauen zu Schneiderinnen finanzieren. Die Fördersumme beträgt 1400 Euro. Den Einwänden trat SPD-Kreisrat Riedel entgegen: Die „Agenda 2030“ schließe explizit entwicklungspolitische Projekte mit ein.

Albrecht Ulrich (Freie Wähler) machte hingegen deutlich, dass seine Fraktion das Gesamtpaket unterstütze und die Verwaltung im Übrigen die Dinge nach Förderwürdigkeit aussiebe.

Landrat Richard Sigel stellte unterdessen klar, dass das Klimaschutz-Handlungsprogramm vom Kreistag beschlossen und die „Agenda 2030“ ein Bestandteil davon sei. Klimaschutz zum Mitmachen habe man sich zum Ziel gesetzt. Die Auswahl der geförderten Projekte treffe die Kreisverwaltung, wobei aber alle Anträge die Kriterien erfüllt hätten. Sigel erklärte sich aber bereit, eine Vergabekommission einzurichten. Garantien für das Funktionieren des Vorhabens in Togo könne keiner übernehmen. Er unterstrich aber die Verlässlichkeit der Antragsteller. Zugleich erinnerte er auch an die Flüchtlingsthematik: Man müsse in den Herkunftsländern tätig werden.

Neben den genannten Projekten gibt es noch zwei weitere Vorhaben, die bezuschusst werden: 1190 Euro erhält der ADFC für die Einrichtung eines Dunkeltunnels, der Sicherheitsschulungen für Schüler und Senioren möglich machen soll, um die Sicherheit im Radverkehr insgesamt zu erhöhen. Weitere 4360 Euro gibt es als Zuschuss zur Aktionswoche Klimaschutz im Rems-Murr-Kreis.

Info
Programm der Vereinten Nationen aufgegriffen

Das Landkreis-Förderprogramm „Agenda 2030“ basiert auf der 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Deren Ziel ist es, weltweiten wirtschaftlichen Fortschritt im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit und im Rahmen der ökologischen Grenzen der Erde zu gestalten.

Auf Initiative der SPD-Kreistagsfraktion hat der Landkreis das Förderprogramm im vergangenen Jahr aufgestellt. Jährlich stehen nun 50000 Euro für entwicklungspolitische Projekte mit Bezug zum Klimaschutz von Bürgerinitiativen und Vereinen an Rems und Murr zur Verfügung.

Zu den Förderkriterien gehört die Maßgabe, dass die Projekte einen Beitrag zum Klimaschutz und zu zwei weiteren Nachhaltigkeitszielen leisten müssen. Die zu erwartende CO2-Einsparung ist anzugeben. Die Projektkosten werden anteilig bis zu 70 Prozent gefördert.

In diesem Jahr wurden sechs Vorhaben zur Förderung eingereicht. Der Gesamtbetrag der Zuschüsse beträgt 47518 Euro.

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Erstellt:
5. Oktober 2019, 06:00 Uhr

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