Kreml: Gaslieferungen auch bei Sanktionen

dpa Moskau/Essen. Mit der Debatte über mögliche neue Sanktionen gegen Russland wächst im Westen die Sorge über ein Gas-Lieferstopp. Moskau spricht von „Hysterie“.

Rohrsysteme der Ostseepipeline Nord Stream 2, mit der Gas aus Russland nach Deutschland kommen soll. Foto: Stefan Sauer/dpa

Rohrsysteme der Ostseepipeline Nord Stream 2, mit der Gas aus Russland nach Deutschland kommen soll. Foto: Stefan Sauer/dpa

Der Kreml hat Befürchtungen auch in Deutschland zurückgewiesen, Russland könnte im Fall von Sanktionen den Gashahn zudrehen.

„Russland hat in den schwierigsten Momenten der Konfrontation zwischen Ost und West seine Vertragsverpflichtungen tadellos erfüllt“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau der Agentur Interfax zufolge. „Russland hat noch nie einen Grund gegeben, an seiner Zuverlässigkeit zu zweifeln.“ Moskau betont immer wieder, dass auch im Kalten Krieg in der Konfrontation zwischen Sowjetunion und Bundesrepublik das Gas immer geflossen sei.

Russland reagierte damit in der Debatte über neue Sanktionen auf Medienberichte, wonach auch ein Gas-Lieferstopp drohen könnte. Peskow bezeichnete dies als „Hysterie“ und „Unterstellungen“. Der Westen hat Moskau mit Konsequenzen gedroht, sollte Russland in die Ukraine einmarschieren. Russland weist solche Pläne fast täglich zurück.

Der Chef des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), hatte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gesagt, falls der Westen Sanktionen verhänge, könnten Gaslieferungen aus Russland „in Gefahr geraten“. Der CDU-Europapolitiker Gunter Krichbaum vermutete, „dass die Preise in diesem Fall steigen würden“.

Nach Einschätzung des Energiemarktexperten Hanns Koenig vom Analysehaus Aurora Energy Research ist ein „kompletter Lieferstopp“ zwar nicht „das wahrscheinlichste Szenario“, aber das Risiko sei „da“. Deutschland bezieht einen Großteil seines Gases aus Russland.

Gasspeicher-Füllstände sinken

Angesichts sinkender Gasspeicher-Füllstände hat Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen das Wirtschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen aufgefordert, sich für Versorgungssicherheit einzusetzen. Man beobachte mit großer Sorge, dass die deutschen Gasspeicher schon jetzt recht niedrige Füllstände aufwiesen, „und das, obwohl die kalten Monate erst noch vor uns liegen“, schrieb der CDU-Politiker an Landes-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP). Zuvor hatte die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ darüber berichtet.

Nach einer Übersicht der Speicherbetreiber lag der Füllstand der deutschen Speicher bei abnehmender Tendenz am Samstag bei knapp 42 Prozent und damit unter den Werten der Vorjahre für das gleiche Datum.

Anlass für sein Schreiben sei eine Meldung der Stadtwerke Essen, dass die Entwicklungen der vergangenen Wochen auf eine mögliche nationale Gasmangellage deuteten, schrieb Kufen. Ein Sprecher der Stadtwerke Essen sagte, dass man sich technisch auf Szenarien vorbereite, bei denen wenig oder gar kein Gas mehr geliefert werde. „Wir haben noch keine Anzeichen, dass wir kein Gas mehr kriegen“, betonte er. Es gingen auch alle Beteiligten davon aus, dass erstmal nichts passiere.

Ein Sprecher der Bundesnetzagentur sagte, dass die Speicher unter anderem zur Spitzenlastabdeckung an kalten Wintertagen benötigt würden. „Es erfolgt also keine Versorgung des deutschen Markts allein aus den Speichern.“ Vielmehr ergänzten sie den laufenden Energiebezug aus dem Pipelineimport. „Die Langfristlieferverträge werden nach unseren Informationen eingehalten“, sagte er.

Am Spotmarkt gebe es aber weiter eine hohe Nachfrage. Die Speicher würden von Gashändlern und Lieferanten im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit genutzt. „Von der vor allem wirtschaftlichen Einschätzung der Speichernutzer hängt ab, inwieweit sie Speicher befüllen.“

Ein Sprecher des Düsseldorfer Energiekonzerns Uniper bewertete die Lage bei den Füllständen in Deutschland und Europas als „immer noch angespannt, aber noch nicht dramatisch“. Viel hänge von der Temperaturentwicklung in diesem Winter ab. Er bestätigte die Einhaltung von Lieferverträgen durch den russischen Staatskonzern Gazprom. Diese Verträge liefen teilweise über 20 oder 30 Jahre. Uniper ist Deutschlands größter Gasspeicher-Betreiber. Auf das Unternehmen entfällt nach einer Übersicht der europäischen Speicherbetreiber rund ein Viertel der deutschen Speicherkapazität.

© dpa-infocom, dpa:220124-99-832092/3

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Erstellt:
24. Januar 2022, 16:33 Uhr

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