Humanitäre Katastrophe

Krieg im Sudan: Hunger, Cholera und kolumbianische Kämpfer

Ausländische Akteure befeuern den Krieg um Dafur: In einem abgeschossenen Flugzeug aus den Arabischen Emiraten finden sich angeblich Söldner aus Kolumbien.

Vertriebene stehen in Tawila in Norddafur für Wasser an.

© Imago/Xinhua

Vertriebene stehen in Tawila in Norddafur für Wasser an.

Von Christian Putsch

Es ist einer der ungewöhnlichsten militärischen Erfolge des sudanesischen Militärs seit Beginn des Bürgerkriegs im April 2023. Anfang August meldete es, über dem von der Miliz Rapid Support Forces (RSF) kontrollierten Flughafen der Stadt Nyala in Darfur sei ein Transportflugzeug abgeschossen worden. Es stamme aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), die mit den RSF verbündet sind. An Bord, so die Darstellung der Armee, befanden sich Waffen, Ausrüstung – und Dutzende kolumbianische Söldner. Sie sollten demnach an der Seite der RSF kämpfen.

Mindestens 40 von ihnen seien ums Leben gekommen. Abu Dhabi wies die Vorwürfe als „haltlos“ zurück. Doch Aussagen ehemaliger Kämpfer sowie Videos in den sozialen Netzwerken stützen die Behauptung, dass die RSF auf Hunderte kolumbianische Kämpfer zurückgreifen, rekrutiert über emiratische Netzwerke. Jeder bekommt umgerechnet 2600 Dollar Gehalt, berichtete das Magazin „The Africa Report“. Für den Einsatz spricht auch, dass Kolumbiens Präsident Gustavo Petro angekündigt hat, die Rückführung von Leichen kolumbianischer Staatsangehöriger zu prüfen – und rigoros gegen das völkerrechtlich verbotene Söldnergeschäft vorzugehen.

Kämpfer haben selten politische Motive

Die Präsenz von Kolumbianern in Konflikten, an denen die VAE beteiligt sind, ist kein Novum: Bereits im Jemenkrieg setzte Abu Dhabi auf kampferprobte Ex-Soldaten aus dem lateinamerikanischen Land, angeworben über private Sicherheitsfirmen. Auch im Sudan übernehmen diese Kämpfer offenbar mehr als reine Unterstützungsrollen – sie bilden den Angaben zufolge RSF-Einheiten im Einsatz moderner Waffensysteme aus und führen Truppen in Gefechten.

Neben Kolumbianern finden sich in den RSF-Reihen auch Kämpfer aus einigen Nachbarländer des Sudan. Bei einer Recherche dieser Zeitung in der sudanesischen Großstadt Omdurman führte die Armee im vergangenen Dezember gefangen genommene Söldner vor. Ein Mann aus dem Tschad gab an, er habe sich angeschlossen, weil er zu einer ethnischen Gruppe gehöre, die in den RSF stark vertreten sei und weil ihm ein Vielfaches seines Farmerlohns geboten worden sei. Ein zweiter Kämpfer aus dem Südsudan behauptete, er sei Bauarbeiter in der Hauptstadt Khartum gewesen. Die RSF hätten ihn gezwungen, sich dem Kampf anzuschließen.

Jetzt breitet sich Cholera aus

Verifizieren lässt sich das kaum, die Motive sind jedoch selten politischer Natur. Einige werden über den Goldhandel bezahlt, den die Miliz über die VAE abgewickelt, in vielen Fällen wird den Söldnern aber auch schlicht freie Hand bei Plünderungen und Wegzöllen gelassen. Die RSF wiederum behaupten, dass auch die Armee Söldner einsetzt, etwa Scharfschützen aus der Tigray-Region in Äthiopien. Sudans Armee ließ das unkommentiert, die Regionalregierung in Tigray dementierte allerdings entschieden.

Während externe Akteure den Konflikt anheizen, verschärft sich für Millionen Sudanesen die humanitäre Lage dramatisch. El-Fasher, letzte Bastion der Armee im Westen des Sudans, ist seit 15 Monaten von RSF-Einheiten eingekesselt. Die Märkte sind leer, die Preise explodieren, und in den Flüchtlingslagern Abu Shouk und Zamzam sterben täglich Kinder an Hunger.

Gleichzeitig erlebt das Land die schlimmste Cholera-Epidemie seit Jahren. Seit Juli 2024 registrierte die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF) 100 000 Verdachtsfälle und über 2470 Todesopfer. In der Stadt Tawila, wohin 380 000 Menschen geflohen sind, sei das Behandlungszentrum völlig überlastet. „In den Camps sind Menschen dazu gezwungen aus verschmutzten Wasserquellen zu trinken“, sagte der MSF-Koordinator Sylvain Penicaud.

Mehr Flüchtlinge als in Syrien

Einige hätten gar aus einem Brunnen getrunken, in dem nur zwei Tage zuvor ein Toter gefunden worden sei. „Die Situation erfordert unverzügliches Handeln. Jeder Tag Verzögerung kostet Menschenleben“, mahnte MSF-Landeschefin Tuna Turkmen. Es sei nicht hinnehmbar, dass Überlebende der Kämpfe an vermeidbaren Krankheiten sterben. Am vergangenen Wochenende gab es in Darfur neue Angriffe auf Krankenhäuser der Organisation – die daraufhin ankündigt, ihr Personal aus einer der wichtigsten Kliniken der Region abzuziehen.

Längst hat sich der Krieg zur schlimmsten humanitären Katastrophe entwickelt. Über 30 Millionen Menschen – mehr als zwei Drittel der Bevölkerung – sind auf Hilfe angewiesen, darunter 16 Millionen Kinder. Mit elf Millionen Binnenvertriebenen verzeichnet der Sudan die größte Vertreibung innerhalb eines Landes seit Beginn der UN-Aufzeichnungen. Das sind mehr als in Syrien auf dem Höhepunkt des Bürgerkriegs. Hinzu kommen vier Millionen Flüchtlinge, die sich in die Nachbarländer gerettet haben. Mindestens 40 000 Menschen wurden getötet.

In Nord-Darfur hat die Eskalation der Gewalt besonders katastrophale Folgen für die Zivilbevölkerung – insbesondere für Kinder. Seit dem brutalen Angriff auf das Vertriebenenlager Zamzam im April 2025 wurden fast 500 000 Menschen, darunter 260 000 Kinder, in die Flucht getrieben – das entspricht nahezu der gesamten Lagerbevölkerung.

Jedes zweite Mädchen hat sexuelle Gewalt erlebt

Die meisten fanden Zuflucht im etwa 60 Kilometer entfernten Lager Tawila. Eine Erhebung der Hilfsorganisation „Save the Children“ unter über 450 dort lebenden Kindern zeigt das Ausmaß des Traumas: Viele berichten von Toten auf den Straßen, von Vergewaltigungen auf der Flucht und vom Verlust von Eltern, Geschwistern oder Freunden. Über die Hälfte der befragten Mädchen im Alter von 12 bis 18 Jahren gab an, sexuelle Gewalt erlebt zu haben.

Zahlreiche Kinder reisten allein oder mussten erschöpfte Verwandte zurücklassen. „Kinder in Nord-Darfur haben die Hölle durchlebt“, sagt Francesco Lanino von Save the Children. Viele seien traumatisiert und seien ohne Schulbildung oder medizinische Versorgung. Die Kinderrechte würden systematisch verletzt, warnt die Organisation – und fordert dringend einen Waffenstillstand sowie humanitären Zugang. Im vergangenen Jahr wurden 60 Mitarbeiter humanitärer Organisationen im Sudan getötet – der zweithöchste Wert nach dem Gazastreifen (181).

Experten haben wenig Hoffnung

Hoffnung auf eine baldige Beilegung des Sudan-Konflikts gebe es derzeit wenig, sagte Gerrit Kurtz von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP). Die USA bemühten sich zwar durchaus, doch die Trump-Administration finde in Sudan keinen Ansatz für ihre „sehr transaktionale, ressourcenorientierte“ Diplomatie unter Präsident Donald Trump.

So wurde ein für Ende Juli in Washington geplantes Treffen der Außenminister der USA, Saudi-Arabiens, der VAE und Ägyptens im letzten Moment auf unbestimmte Zeit verschoben. Die VAE und Ägypten, das traditionell auf der Seite von Sudans Armee steht, hatten sich nicht auf eine Abschlusserklärung einigen können, in der sowohl Sudans Streitkräfte als auch die RSF von einer führenden Rolle in der künftigen Regierung ausgeschlossen werden sollte.

Sudan-Experte Kurtz hält es für höchste Zeit, dass der internationale Druck auf die Emirate erhöht wird, ihre Unterstützung für die Miliz einzustellen. Öffentliche Kritik bleibe weitgehend aus – auch von deutscher Seite. Bei der Sudan-Konferenz vor einigen Monaten in London hatten die Organisatoren – darunter Deutschland, Frankreich und Großbritannien – die RSF nicht einmal namentlich erwähnt – trotz des Massakers im Zamzam-Flüchtlingslager. „Das haben viele als ziemlichen Rückschlag empfunden“, sagt Kurtz, „und das völlig zu Recht.“

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Erstellt:
24. August 2025, 16:12 Uhr

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