Krise kostet den Kreis 4,7 Millionen Euro

Finanzdezernent Peter Schäfer hat ausgerechnet, welche finanziellen Auswirkungen die Coronapandemie auf die Kreisfinanzen hat. Falls die angekündigten Hilfen von Bund und Land fließen, kommt der Rems-Murr-Kreis wohl mit einem blauen Auge davon.

Abstand wird während der Krise allerorten gefordert. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Abstand wird während der Krise allerorten gefordert. Foto: A. Becher

Von Armin Fechter

WAIBLINGEN. Landrat Richard Sigel sagt es mit Nachdruck: Das Landratsamt in Waiblingen ist in der Region Stuttgart das einzige, das – nach der coronabedingten Schließung – jetzt wieder ohne Anmeldung offen ist. Darin spiegle sich die Einstellung, die in seinem Haus zum Thema Dienstleistung gepflegt werde.

In der Bevölkerung stoße dies auch auf Anerkennung, fährt der Kreischef fort und verweist auf die schwäbischen Verse, die ein dankbarer Besucher der Zulassungsstelle vor einigen Tagen verfasst und der Behörde geschickt hat. „I gang beklemmt zom Landratsamt ond frog me, wo dui Sorg herstammt“, reimte der Autor Hans-Jörg Polzer, um am Ende seiner Zeilen – nach der Begegnung mit freundlich zuvorkommenden Amtspersonen – generös festzustellen: „Kommt ’s Lob au meischtens knapp ond schmal: Mei Lob isch groß fürs Personal.“

Doch die Kreisräte im Verwaltungs-, Schul- und Kulturausschuss konnten sich gestern bei ihrer Sitzung im Waiblinger Bürgerzentrum nicht mit Lyrik aufhalten. Sie bekamen aus dem Munde von Finanzdezernent Peter Schäfer etwas sprödere Prosa, gespickt mit Zahlen, vorgetragen. Der oberste Kassenverwalter im Kreis erinnerte an die schwierige wirtschaftliche Lage und die wegbrechenden Steuereinnahmen bei Bund und Land. Das hat für den Landkreis einen Rückgang bei den sogenannten Schlüsselzuweisungen zur Folge. Einen Teil des Differenzbetrags zahlt das Land zwar noch als Liquiditätshilfe aus, aber die Unterstützung ist nächstes Jahr zurückzuzahlen. Folglich muss Schäfer schon jetzt Rückstellungen dafür einplanen.

Auch die Grunderwerbsteuer wird, so schätzt der Herr der Zahlen, zurückgehen. Gleichzeitig dürften die Ausgaben im Sozialbereich steigen, weil infolge von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit mehr Menschen auf Stütze angewiesen sind und Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II bekommen, also Hartz IV. Überdies hat der Landkreis während der Zeit der Schulschließungen Kostenanteile in der Schülerbeförderung übernommen. Dem steht zwar die Corona-Soforthilfe als Entlastung gegenüber. Doch summieren sich allein diese Punkte auf 10,8 Millionen Euro. Hinzu kommen dann noch geschätzte sieben Millionen Euro, weil bei den Kliniken ein erhöhtes Defizit droht: Um genügend Kapazitäten für Coronapatienten zu haben, waren planbare Operationen abgesagt wurden – und die fehlen nun in der Abrechnung.

Dafür hat sich aber der Bund bereit erklärt, seine Leistungen im Hartz-IV-Bereich zu erhöhen. Angekündigt ist, dass Berlin bei den Kosten der Unterkunft einen Anteil von bis zu 75 Prozent übernimmt. Das würde dann den Landkreis um 13,1 Millionen Euro entlasten, sodass am Ende noch ein Manko von 4,7 Millionen Euro stehen bleibt.

„Wenn die Umsetzung so kommt“, erklärte der Landrat und zitierte eine Stellungnahme des Landkreistags, könnten sich die Kommunen zufrieden schätzen. Ansonsten werde er aber mit den Worten von Andrea Berg konstatieren müssen: Houston, ich hab’ ein Problem.

Laut Schäfer gehen die Steuerschätzungen davon aus, dass bereits 2021 das Niveau von 2019 übertroffen wird. Kürzungen bei den Investitionen, etwa bei den Bauvorhaben fürs Landratsamt in Waiblingen, seien nicht erforderlich, um den Kreishaushalt zu stützen. Zum einen entwickelten sich die Baupreise günstig, zum anderen bringe die Finanzierung über Kredite mit Nullzins keine Belastung. Auf lange Sicht wirkten die Neubauten sogar entlastend, weil dadurch Mietobjekte aufgegeben werden könnten, die teurer kämen als die künftigen Abschreibungen. Abgesehen davon trage antizyklisches Verhalten dazu bei, den Mittelstand und die Handwerker zu fördern.

Reinhold Sczuka (CDU), Andreas Hesky (Freie Wähler), Ulrich Lenk (FDP/FW) und Christine Besa (Grüne) zeigten sich mit diesen Angaben zufrieden, man komme wohl mit einem blauen Auge davon. Vorbehalte zu den Investitionen äußerten Jürgen Hestler (SPD), der den Bedarf für neue Büroräume anzweifelte und lieber in andere Vorhaben wie die Kliniken, Altbausanierung und Digitalisierung investieren würde, und von Christian Throm (AfD), der die millionenschweren Projekte lieber zeitlich strecken würde.

Krise kostet den Kreis 4,7 Millionen Euro

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Erstellt:
23. Juni 2020, 06:00 Uhr

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