Kritik an Nazi-Tattoo: Stadt Ulm ändert Kampagnen-Film nicht

dpa/lsw Ulm. Die neue Kampagne der Stadt Ulm hat vieles, was solch ein Projekt braucht: Musik und Emotion, kleine Geschichten und lächelnde Helden. Er zeigt aber auch einen Mann mit Nazi-Tattoo. „Skandal“, rufen die einen. „Mutig“, loben die anderen.

Trotz heftiger Kritik am Auftritt einer Figur mit Nazi-Tattoo will die Stadt Ulm an ihrer neuen Film-Kampagne festhalten. „Die Stadt Ulm steht zu dem im Kampagnenfilm künstlerisch umgesetzten Anspruch einer vielfältigen Gesellschaft und wird den Film auf ihren Kanälen in der ursprünglich veröffentlichten Form belassen“, erklärte das Rathaus am Dienstag. Der Film solle zeigen, „dass die zwischenmenschliche Begegnung für alle Anstoß sein kann, bisherige Einstellungen und gegebenenfalls Vorurteile zu überdenken und hoffentlich auch zu überwinden“.

Auslöser für die Debatte vor allem in den sozialen Medien war eine Filmfigur, die die „Schwarze Sonne“ - ein Ersatz- und Erkennungssymbol der rechtsextremen Szene - als Tattoo auf dem Nacken trägt. In einigen Kommentaren wurde der Stadt Ulm unterstellt, durch das Zeigen des Symbols Sympathie für Menschen mit rechtsextremen oder faschistischen Einstellungen zu zeigen.

Die Stadt dagegen erklärt, der Film zeige „die Stärke unserer gesellschaftlichen Diversität als Lebensgefühl“. Rechtsextreme Ansichten zu tabuisieren, sei nicht der Weg der Filmemacher und der Stadt Ulm gewesen, hatte sie schon nach Aufkommen der ersten kritischen Stimmen argumentiert. Der Film solle der Hoffnung Ausdruck verleihen, „dass sich im zwischenmenschlichen Kontakt, im gegenseitigen Kennenlernen, Einstellungen und Menschen auch ändern können“.

„Man muss die Bereitschaft haben, dieses Thema anzusprechen“, sagte Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU) in einer früheren Stellungnahme. „Wenn man den ganzen Film anschaut, dann ist er mutig, weil er ein tabuisiertes Thema anspricht.“ Die Reaktionen zeigten, „dass wir Gefahr laufen, in einer "Empörungsgesellschaft" zu leben“. Es wäre ein Fehler, die Szene aus dem Film herauszunehmen. „Besser wäre es, sich der Diskussion zu stellen.“

Der dreiminütige Film erzählt unter anderem die Geschichten einer mittellosen älteren Frau, eines Schach spielenden Jungen mit Down-Syndrom sowie eines tätowierten blonden Mannes, der in einem Krankenhaus um das Leben seiner kleiner Tochter bangt und dabei von einem Arzt mit Migrationshintergrund betreut wird.

Nach Ansicht der Produktionsfirma Cinematicz wird der Film fehlinterpretiert. Es gehe nicht um eine Imagekampagne, sondern um einen Kampagnenfilm mit einer Botschaft. „Es geht um eine Aussage für Menschlichkeit, nicht für Rassismus“, sagte Geschäftsführer Hosam Sidou Abdulkader der Deutschen Presse-Agentur. Mit dem Film sollten Probleme in Deutschland angesprochen werden - dazu gehöre auch der Rassismus. Abdulkader ist gegen eine Änderung des Skripts: „Dann wäre die Intention des Films weg“, sagte er.

Die Ulmer SPD ist dagegen fassungslos und fordert, den Film zu überarbeiten. „Vielfalt ist für uns positiv besetzt als Chance und nicht als Bedrohung“, sagte Dagmar Engels, die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Ulmer Gemeinderat. Ansichten der Rechtsextremen stünden jedoch im absoluten Gegensatz zum Willen, das Konzept der internationalen Stadt mit Leben zu füllen. „Wenige Tage nach dem Terroranschlag eines Faschisten in Halle hat dieser Film eine fatale Wirkung“, heißt es zudem in einem offenen Brief der Partei an den OB.

Nach Angaben der Grünen fordert zudem „die große Mehrheit der Grünen-Fraktion“, den fraglichen Imagefilm löschen zu lassen.
„Dies ist ausdrücklich keine Kritik an der Intention des Filmes, für Vielfalt zu werben“, heißt es in einer Stellungnahme der Fraktion. „Allerdings verfehlt ein Imagefilm, der einer Erläuterung bedarf und Gelegenheit zu Missverständnissen bietet, sein Ziel.“

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Erstellt:
29. Oktober 2019, 17:05 Uhr

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