Kurze Beine, kurze Wege

Leben auf dem Land Kleine Schulen und Kindergärten auf dem Dorf können viele Vorteile haben: kurze Wege, die Nähe zur Natur, individuelle Betreuung. Doch fallen Erzieher oder Lehrkräfte aus, kann das in kleinen Einrichtungen schnell zu großen Problemen führen.

In der Grundschule Kleinapsach passt die Hälfte der Schülerschaft auf ein Klettergerüst. Gerade einmal 56 Schüler hat die Schule. Foto: B. Beytekin

© Benjaimin Beytekin

In der Grundschule Kleinapsach passt die Hälfte der Schülerschaft auf ein Klettergerüst. Gerade einmal 56 Schüler hat die Schule. Foto: B. Beytekin

Von Kristin Doberer

Aspach. In der Grundschule Kleinaspach werden die Kinder jeden Morgen persönlich begrüßt. Vor Corona sogar per Handschlag. Und das dauert an der kleinen Schule gar nicht lang, denn die Schule hat gerade einmal 56 Schülerinnen und Schüler. „Jeder kennt jeden. Man hat zu allen Kindern einen persönlichen Bezug und kann ganz individuell auf sie zugehen“, erzählt die Schulleiterin Ursula Naundorf. Das sei nur einer der vielen Vorteile von kleinen Schulen auf dem Land, ein großer Vorteil sei die räumliche Nähe. „Fast alle Kinder könnten in die Schule laufen.“ Und nicht nur die Nähe der Schule zum Wohnort sei positiv, besonders auch die Nähe zur Natur wird sehr geschätzt. So gehöre es zum Schulkonzept, in den Weinbergen, Wiesen und Wäldern der näheren Umgebung unterwegs zu sein oder zum Beispiel auch auf Streuobstwiesen Äpfel einzusammeln und selbst Saft zu pressen. „Wir können sehr spontan rausgehen und haben viel Platz für Bewegung“, sagt die Schulleiterin.

Wenn Lehrpersonal ausfällt, kann nicht so einfach Ersatz gefunden werden

Aufgrund der geringen Schülerzahl gibt es an der Schule nur zwei Regelklassen, die Klassen 1 und 3 sind zusammengelegt sowie die Klassen 2 und 4. Diese Aufteilung ist zwar etwas ungewöhnlich – häufiger findet die Aufteilung eher in Klasse 1/2 sowie 3/4 statt –, funktioniert an der Grundschule Kleinaspach aber seit zirka zehn Jahren sehr gut. „Wir haben uns damals auch bewusst für das pädagogische Konzept entschieden und das über längere Zeit ausgearbeitet“, erzählt Naundorf. So können die Kinder immer zwei ganze Jahre zusammenbleiben. Die Einführung der zusammengelegten Klassen sei zunächst nicht einfach gewesen, mittlerweile habe sich das aber sehr gut entwickelt. „Gerade für die Erstklässler ist das ganz toll.“ Durch die Unterstützung der Großen fänden sich die Erstklässler sehr schnell zurecht. Die älteren Schülerinnen und Schüler übernehmen Patenschaften für ihre jüngeren Mitschüler. „Es ist schön, Patin zu sein“, erzählt zum Beispiel die neunjährige Jule. „Aber manchmal sind die Jüngeren auch etwas nervig.“ Die unterschiedlich alten Kinder sind nicht in jeder Schulstunde zusammen, es gibt auch einige Trennstunden, in denen die Kinder differenziert unterrichtet werden. „Dadurch können wir viel in Kleingruppen lernen“, sagt Naundorf. Für die Schulleiterin ist ganz klar: Die Vorteile überwiegen die Nachteile deutlich. Der größte Nachteil kleiner Schulen ist die Problematik der Vertretung, wenn Lehrkräfte ausfallen. An der Grundschule Kleinaspach gibt es inklusive der Schulleiterin nur vier Lehrkräfte. „Wenn eine Klassenlehrerin krank wird, haben wir schon ein Problem“, sagt Naundorf. Manchmal könne eine pensionierte Lehrerin einspringen, im Notfall müssen die letzten beiden Stunden aber ausfallen. Außerdem müssen sich die wenigen Lehrkräfte um alles kümmern, das eben im Alltag anfällt, zum Beispiel den täglichen Pausendienst. Das Team müsse da gut zusammenpassen und zusammenarbeiten. „Die Flexibilität ist in größeren Schulen weitaus größer“, weiß auch Schulamtsleiterin Sabine Hagenmüller-Gehring. Auch gebe es manchmal weniger Möglichkeiten, geeignete Lernpartner und Freunde zu finden. „Hier ist natürlich alles begrenzter, aber dafür kennen sich alle Kinder schon vom Kindergarten“, sagt Naundorf dazu.

Einen kleinen Nachteil sieht die Schulleiterin an ihrer dörflichen Lage aber doch. „In Stuttgart gäbe es natürlich viele tolle Angebote, zum Beispiel Theater oder ein Planetarium. Ein Ausflug mit Bus und Bahn ist aber immer sehr aufwendig.“ Dafür kann sie sich immer auf die Unterstützung der Eltern verlassen, bei Projekten helfen sie mit und übernehmen zum Beispiel Stationen oder unterstützen beim Weihnachtsbasteln. „Unsere Erfahrung ist, dass kleine Schulen auf dem Land sehr viel Unterstützung und Wertschätzung durch die Dorfgemeinschaft erhalten“, sagt auch die Schulamtsleiterin.

Wenn es dann an den Übertritt in die weiterführende Schule geht, verändert sich für die Kinder der Dorfschule natürlich viel. Die beiden Viertklässlerinnen Romy und Jule freuen sich zwar darauf, aber ihre werden beide sehr vermissen. „Der Abschied wird sehr schwer“, sagt Romy. Und Jule erzählt: „Wir haben vor Kurzem das Lied ‚Alte Schule, altes Haus‘ gesungen und mussten dann sogar weinen.“

Während die kleineren Dorfschulen mit der Mindestzahl an Schülern kämpfen, sieht es im Kindergartenbereich ganz anders aus. Hier kommen viele Gemeinden mit dem Schaffen von neuen Plätzen kaum hinterher. Zwar bemühen sich die Gemeinden um einen Ausbau der Plätze, doch die Betreuungslücke kann nicht so schnell geschlossen werden. „Die Eltern müssen dann entweder länger warten oder können ihre Kinder eben nicht in den Wunschkindergarten geben“, sagt Janina Schmid vom Fachdienst Kindertagesbetreuung des Kreisjugendamts. Allerdings sei das je nach Gemeinde auch unterschiedlich.

Auch in den Kindergärten steht die naturnahe Erziehung im Vordergrund

Auch Maren Spaney, die Elternbeiratsvorsitzende des Rietenauer Kindergartens, hat für ihr zweites Kind nicht sofort einen Platz bekommen. „Es sind viele neu hierher gezogen. Und in Aspach ist das generell schwer“, meint sie. Der Rietenauer Kindergarten bietet eine Betreuung von 7 bis 14 Uhr, wer eine Ganztagsbetreuung braucht, müsste dann mit dem Auto nach Großaspach fahren. „Aber wir können in den Kindergarten laufen, als Mama finde ich das sehr schön“, sagt Spaney. Auch ansonsten sieht sie eigentlich keine Nachteile bei einem kleinen Dorfkindergarten – im Gegenteil. „Unser Kindergarten hat einen riesigen Garten.“ Hier werde mit den Kindern Gemüse angebaut, geerntet und auch – zum Beispiel bei einem Kartoffelfest – verarbeitet. Allgemein schätzt sie es, dass die Kinder naturnah aufwachsen können. Im Kindergarten beschäftigen sie sich viel mit dem Thema Umwelt und es gibt auch ganze Naturwochen, in denen die Kinder nur draußen unterwegs sind und den ganzen Tag im Wald oder auf Wiesen verbringen. „Das gibt es so in der Großstadt sicher nicht“, meint Spaney. Zusätzliche Angebote oder Kooperationspartner, die es in einer Stadt gibt, vermisst sie gar nicht. „Die Erzieherinnen versuchen, alles möglich zu machen. Da muss ich ein riesen Lob aussprechen.“

Sobald ihre Kinder in die Grundschule kommen, müssen sie mit dem Bus alleine nach Großaspach fahren. „Mit gerade mal sechs Jahren finde ich das schon sportlich“, sagt die Mutter. Dass die örtliche Schule 2015 aufgrund von zu wenig Schülern geschlossen werden musste, findet sie auch heute noch schade. „Das ist schon etwas ärgerlich, gerade für die Kinder wäre die Grundschule direkt im Dorf sehr schön gewesen.“ Mittlerweile gäbe es in Rietenau sogar wieder genug Kinder. Wieder aufmachen kann die Grundschule allerdings nicht, dafür fehlen jetzt zwar nicht mehr die Kinder, dafür aber die Lehrer.

In der Serie „Leben auf dem Land“ beleuchten wir verschiedene Aspekte des dörflichen Lebens in unserer Region genauer.
Schulen und Kindergärten auf dem Dorf

Volle Kindergärten

Die Geburtenzahl ist gestiegen, Menschen sind zugezogen und es gibt nicht genügend Erzieher. 2020 fehlten 340000 Kitaplätze in Deutschland. Verschärft wird die Situation durch den Wunsch vieler Eltern nach Ganztagsbetreuung.

Seit 2013 gilt der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung für Kinder zwischen einem und drei Jahren. Die Kommune ist verpflichtet, Kindern dieses Alters einen Kitaplatz oder eine Tagesmutter zur Verfügung zu stellen.

Zwergschulen

In einer Klasse müssen mindesten 16 Schüler sein, ansonsten sind der Aufwand und die Ressourcen nicht mehr gerechtfertigt.

Im Kreis gibt es laut Schulamt Backnang aktuell neun Schulen mit jahrgangsübergreifendem Unterricht. Nicht immer liegt das an fehlenden Schülern. „Es gibt auch Schulen, die dies ganz bewusst machen, weil sie vom pädagogischen Ansatz überzeugt sind“, sagt Hagenmüller-Gehring.

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Erstellt:
18. Dezember 2021, 06:00 Uhr

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