Erneut Kritik am dritten Entlastungspaket

Land erwartet ein Milliarden-Minus

Nach Verkehrsminister Hermann kritisiert auch Finanzminister Bayaz den Bund und spricht von einem „vergifteten Angebot“ beim dritten Entlastungspaket.

Minister Bayaz fordert Gespräche mit dem Bund.

© dpa/Bernd Weißbrod

Minister Bayaz fordert Gespräche mit dem Bund.

Von Christoph Link

Das Landesfinanzministerium rechnet mit einem Milliarden-Minus in der Landeskasse durch das dritte Entlastungspaket, welches der Bund verabschiedet hat. Ein Sprecher des Ministeriums sagte unserer Zeitung, dass eine präzise Kostenabschätzung noch nicht möglich sei, da die Bundesregierung noch kein Finanzierungstableau vorgelegt habe – jedoch: „Überschlägig dürften auf Baden-Württemberg aber Mindereinnahmen in Höhe von etwa vier Milliarden Euro zukommen, sollte das Entlastungspaket in dieser Form in Kraft treten.“

Abbau der kalten Progression wird teuer

Allein der Ausgleich der kalten Progression würde zu „Mindereinnahmen in den nächsten beiden Jahren von rund zwei Milliarden Euro führen“, sagte der Sprecher. Die gesenkte Mehrwertsteuer in der Gastronomie koste Land und Kommunen pro Jahr „gut 200 Millionen Euro“. Die gesenkte Umsatzsteuer auf Gas dürfte ebenfalls einen dreistelligen Millionenbetrag kosten.

Wort von Kretschmann wird erwartet

An diesem Dienstag wird erwartet, dass sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor der Landespressekonferenz zum Entlastungspaket des Bundes äußert. Nach heftiger Kritik von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Entlastungspaket in unserer Zeitung hat sich nun auch sein Parteifreund Finanzminister Danyal Bayaz im „Spiegel“ ähnlich kritisch gezeigt: Er bezeichnete das Angebot des Bundes zur Nachfolge des 9-Euro-Tickets als „vergiftetes Angebot“.

Länder sehen sich unter Druck

„Der Bund startet ein Projekt und setzt die Länder unter Druck mitzumachen. Er lässt aber offen, ob seine Unterstützung dauerhaft ist. Das lief beim Gute-Kita-Gesetz oder der Unterbringung von Geflüchteten ähnlich“, sagte Bayaz. Auf die Frage, ob sich Baden-Württemberg an einem Nachfolgeticket beteiligen werde, sagte Bayaz: „Man kann mit uns immer verhandeln, aber bislang hat das niemand getan. Wir kennen nicht einmal einen konkreten Vorschlag, geschweige denn ein Finanztableau.“ Man müsse darüber reden, welche strukturellen Ausgaben der Bund plane und welche Kosten für die Bundesländer entstünden. Erst dann werde entschieden.

Lob und Tadel vom grünen Fraktionschef

Auch der Grünen-Fraktionschef im Landtag, Andreas Schwarz, zeigte sich im Gespräch mit unserer Zeitung skeptisch: Das Entlastungspaket gehe zwar in die richtige Richtung, die Instrumente aus Direktzahlungen – etwa die 300 Euro Energiepauschale für Rentner – und die Regulierung von Preisen werde einen wirksamen sozialen Effekt entfalten. „Das Geld muss vor allem bei Menschen mit schmalem Geldbeutel und bei Beschäftigten mit mittlerem Einkommen ankommen. Dieses Ziel unterstütze ich“, so Schwarz.

Rechnung ohne die Länder gemacht

Allerdings habe Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Rechnung ohne die Länder gemacht, sagte der Grünen-Fraktionschef. „Ersten Prognosen zufolge müssen die Länder rund die Hälfte der Last tragen. Es wäre fatal, wenn sie unter der finanziellen Last erdrückt würden. Derzeit weiß keiner, aus welchen Hüten wir diese Milliarden zaubern sollen.“ Nachbesserungen müsse es im Verkehrsbereich geben. Für einen guten öffentlichen Verkehr benötigten die Länder mehr Geld vom Bund, um das Angebot im öffentlichen Personennahverkehr überhaupt halten und ausbauen zu können.

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Erstellt:
11. September 2022, 12:40 Uhr

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