Land gewinnt Prozess um Plakettenskandal

ExklusivKarlsruher Prüfunternehmen muss Kosten für Nachuntersuchung Hunderter Autos übernehmen

Stuttgart Gleich mehrere Prüfingenieure einer Karlsruher Überwachungsorganisation sind in den vergangenen Jahren verurteilt worden. Sie sollen Tausende von Fahrzeugen im Land die Plakette der Hauptuntersuchung (HU) verliehen haben, ohne sie richtig anzuschauen. Zahlreiche schrottreife Autos waren dadurch auf den Straßen. Jetzt hat das Karlsruher Oberlandesgericht letztinstanzlich entschieden, dass das Unternehmen dem Land dafür Kosten erstatten muss.

Als der Skandal erstmals aufflog, mussten allein im Großraum Stuttgart 8500 Fahrzeughalter ihre Autos zu einer Nachprüfung vorfahren. Viele der Fahrzeuge wiesen dabei große Mängel auf, manche mussten gleich komplett aus dem Verkehr gezogen werden. Sofort entbrannte ein Streit darüber, wer denn die Kosten für die Nachprüfungen zu tragen habe. Letztlich machten 310 Fahrzeughalter ihre Forderungen beim Verkehrsministerium als Aufsichtsbehörde geltend und wurden entschädigt.

Die Kosten dafür wollte sich das Land von Anfang an vom betroffenen Unternehmen, der kleinen Karlsruher Gesellschaft für technische Sicherheitsprüfungen (GTS), zurückholen. Die jedoch wehrte sich vehement. Zwar waren die Prüfingenieure selbstständig für die GTS unterwegs, das Land wies aber darauf hin, dass das Unternehmen die hoheitliche Aufgabe vom Land übertragen bekommen habe und sicherstellen müsse, dass sie auch ordnungsgemäß ausgeführt wird. Das aber war nachweislich bei gleich mehreren Prüfern nicht der Fall. Zum Teil waren auch Werkstattbetreiber und Autobesitzer bei den illegalen Machenschaften mit von der Partie.

In der ersten Instanz hat das Landgericht Karlsruhe die Forderungen noch zurückgewiesen. Doch beim Oberlandesgericht ist das Ministerium jetzt erfolgreich gewesen. „Das Land Baden-Württemberg hat obsiegt, eine Revision ist nicht zugelassen“, sagte eine Gerichtssprecherin unserer Zeitung.

Laut dem Urteil von Anfang April muss die GTS dem Land knapp 18 000 Euro bezahlen und die Kosten des Verfahrens tragen. Das Unternehmen war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Nach Informationen unserer Zeitung ist die Verurteilung aber nicht die einzige Konsequenz, die der GTS droht. Mit einiger Verzögerung – die Verurteilungen diverser GTS-Ingenieure teils zu mehrjährigen Gefängnisstrafen datieren aus den Jahren 2014 bis 2017 – prüft das Verkehrsministerium offenbar, dem Unternehmen die Zulassung als Prüforganisation zu entziehen. Damit dürfte die GTS zumindest in Baden-Württemberg keine Hauptuntersuchungen mehr machen. „Wir können derzeit nichts dazu sagen, weil es sich um ein schwebendes Verfahren handelt“, sagte ein Ministeriumssprecher unserer Zeitung.

Die Fälle sprengen von der Dimension her alles, was es in dieser Richtung bisher in Deutschland gegeben hat. Bei einem der Verurteilten gehen die Ermittler davon aus, dass er 39 000 Fahrzeuge geprüft hat – wie viele davon zu Unrecht eine HU-Plakette erhalten haben, ist unklar. Nachgewiesen wurden ihm schließlich 18 Fälle.

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Erstellt:
25. April 2019, 03:12 Uhr

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