Landgasthof ganz ohne Schnitzel

Das Wirtshaus bleibt im Dorf (13): Claudia Bihlmaier realisiert in Ebni das Konzept eines veganen Restaurants auf dem Land

Kein Rostbraten? Kein Schweinelendchen? Nicht einmal ein schnödes Schnitzel? In einem Landgasthof? Viele können es sich nicht vorstellen. Aber es geht. Dass das Konzept eines veganen Restaurants in ländlicher Idylle funktionieren kann, beweist Claudia Bihlmaier in Ebni Tag für Tag aufs Neue: Aus dem einstigen Schwobastüble hat die gelernte Köchin „Gaja’s Welt“ gemacht.

Claudia Bihlmaier und ihre Tochter Lea bereiten die Speisen für den Mittagstisch vor. In der veganen Küche kommen nur pflanzliche Produkte zum Einsatz. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Claudia Bihlmaier und ihre Tochter Lea bereiten die Speisen für den Mittagstisch vor. In der veganen Küche kommen nur pflanzliche Produkte zum Einsatz. Foto: A. Becher

Von Armin Fechter

KAISERSBACH. Nein: Betriebswirtschaftliche Überlegungen waren zuallerletzt ausschlaggebend, als Claudia Bihlmaier ihre Küche von traditionell auf vegan umstellte. Es ging auch nicht darum, eine Nische oder ein Alleinstellungsmerkmal in der umkämpften gastronomischen Landschaft in der Erholungsregion rund um den Ebnisee zu finden. Im Gegenteil: „Es war die pure Herzensentscheidung“, sagt die 55-Jährige, die mit industrieller Fleischerzeugung, mit Nutztierhaltung und überhaupt mit der Ausbeutung von Lebewesen komplett gebrochen hat und stattdessen konsequent auf pflanzliche Ernährungsweise umgestiegen ist.

Gleichzeitig gesteht die Chefin des einzigen veganen Restaurants im weiten Umkreis ein, dass die ersten Zeiten wirtschaftlich alles andere als leicht waren, auch wenn es inzwischen vor allem an den Wochenenden doch recht gut läuft: „Am Anfang war’s eine Katastrophe.“

Denn viele Gäste, die das traditionelle Angebot im Schwobastüble schätzten, blieben weg. Auf der Speisekarte fanden sie nun keinen Wurstsalat mehr, sondern beispielsweise einen Country-Burger. Das gefüllte Sesamweckle kommt dabei zwar ohne Rinderhack daher, es bietet aber mit hausgemachtem Kidneybohnen-Patty, Salat, Tomate, Gürkle und Zwiebeln einen echten Gaumenkitzel, den Claudia Bihlmaier noch mit Kartoffelwedges und Salsadip anreichert.

Kritik am rohen Umgang

mit Lebewesen

„Es kann nicht sein, wie wir mit anderen Erdlingen umgehen“, erklärt Bihlmaier ihre Einstellung. „Ich kann das nicht mehr verantworten.“ Ein längerer Weg liegt hinter ihr, ehe sie zu dieser Überzeugung gekommen ist. Ihre Devise lautet nun: „Natürlich vegan.“

Dokus über Schlachthöfe und Schweinezucht, ein Schorlau-Krimi, der den Tierschutz zum Thema macht, und unmittelbare Erfahrungen, etwa der Blick auf Enten mit gebrochenen Flügeln und Hämatomen, haben zu dem Wandel beigetragen, den Bihlmaier vollzogen hat. „Mich gruselt es heute noch“, sagt sie, wenn sie an manch drastische Filmszenen zurückdenkt, und sie verurteilt die „riesige Maschinerie“ der Nahrungsmittelindustrie, die auch noch mit Milliardensummen gefördert wird.

Viele Jahre lang hatte sie zuvor traditionell gekocht. Doch immer mehr Fleischsorten strich sie aus ihrem Küchenrepertoire. Akzeptabel fand sie als Letztes noch eine Zeit lang Wild, das sie von heimischen Jägern geliefert bekam, und Rind aus Weidehaltung. Unterdessen hatte sie aber auch ihre persönlichen Ernährungsweise verändert: über vegetarisch zu vegan – ein Weg, den viele gehen, die sich Schritt für Schritt vom althergebrachten Fleischkonsum verabschieden. Heute formuliert Claudia Bihlmaier als Leitsatz für ihr Haus: „Es ist schön, dass immer mehr Menschen ein Bewusstsein für das Leben in Einklang mit der Natur am Herzen liegt. Alle diese Menschen möchten wir mit unserer Arbeit ansprechen, unterstützen und inspirieren.“

Die Gastronomie war der gelernten Köchin quasi in die Wiege gelegt. 1982 hatte ihre Mutter das Schwobastüble aus der Taufe gehoben. Sie kam damit einer wachsenden Nachfrage entgegen: Immer mehr Ausflügler zog es in den Schwäbischen Wald, immer größer wurde der Wunsch nach Bewirtung mit bodenständiger Kost. Die Familientradition reicht jedoch noch weiter zurück: Schon Bihlmaiers Urgroßmutter hatte einst die Pension Strohmaier eröffnet und damit die ersten Sommerfrischler angesprochen, die der frischen Luft wegen die Höhen aufsuchten. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die Oma den Pensionsbetrieb weiter, bis Bihlmaiers Mutter initiativ wurde. „Sie war Wirtin mit Leib und Seele“, blickt die Tochter zurück.

Die junge Claudia absolvierte derweil eine Lehre als Köchin und Restaurantfachfrau, zudem bildete sie sich später zur Ernährungsberaterin weiter. Einen großen Schatz an Erfahrungen sammelte sie auf Reisen und bei Engagements auf der ganzen Welt zwischen USA, Malaysia und Australien.

Mit diesem Hintergrund übernahm sie 1995 mit ihrem Mann den Betrieb, den sie seit 2006 allein führt. Bald tauchten auf der Speisekarte neben den traditionellen Menüs auch vegetarische und vegane Gerichte auf. Dennoch blieb das Schwobastüble im Wesentlichen eine Wirtschaft, wie man sie gemeinhin in der ländlichen Umgebung erwartet.

An Silvester 2012 war dann aber für die Inhaberin der Punkt erreicht, an dem der Spagat zwischen der persönlichen Lebenseinstellung und dem Job nicht mehr funktionierte. Claudia Bihlmaier stand am Scheideweg, sie überlegte, ob und wie es weitergehen sollte. Zu Hilfe kam ihr wiederum eine persönliche Erfahrung: Sie wollte in einem Restaurant in Stuttgart für einen veganen Brunch reservieren, dort war aber auf Wochen hinaus ausgebucht. Wenn die Nachfrage so groß ist, dachte sie, warum sollte das dann nicht auch in Ebni gelingen?

Veggie-Brunch zum Start markiert

die neue Zielsetzung

Am 27. Januar 2013 eröffnete Claudia Bihlmaier ihr Gasthaus neu – mit dem ersten Veggie-Brunch, der die Zielsetzung markierte: Das Programm sollte komplett auf vegan umgestellt werden. „Das ist mein Weg, den gehe ich“, machte sie sich damals Mut. Und den benötigte sie auch, denn von allen Seiten schlug ihr Skepsis entgegen. Die alleinstehende Geschäftsfrau musste da in vielfacher Hinsicht ihren Mann stehen und Überzeugungsarbeit leisten. Auch ihre Mutter, die noch immer tapfer mithalf, konnte sich mit dem neuen Kurs erst nicht anfreunden. Ihre Kinder aber – drei Töchter und ein Sohn – machten die Umstellung auf vegane Lebensweise mit und helfen nun immer wieder im Betrieb.

Der Umbruch wurde bald auch nach außen hin sichtbar. Claudia Bihlmaier änderte den Namen des Hauses in Gaja’s Welt – in Anlehnung an die griechische Mythologie. Der Begriff soll die Naturverbundenheit signalisieren, die sich die Inhaberin auf die Fahnen geschrieben hat. Dann Gaia ist die Erdgöttin, die personifizierte Erde. Eine mit Symbolen angereicherte stilisierte Darstellung wurde am Haus angebracht.

Während die meisten Gäste früherer Jahre den Wandel nicht mitmachten, ist der Ebni-Stammtisch, eine gemischte Gruppe von Frauen und Männern, die sich einmal im Monat treffen, geblieben. Die Mitglieder seien selbst in Bezug auf Ernährung sensibilisiert, berichtet Bihlmaier. Die anderen Gäste kommen teils aus der Umgebung, teils von weiters her, etwa aus Karlsruhe, Pforzheim oder Heidelberg. Sie schätzen die Kreativität, mit der Claudia Bihlmaier in der Küche waltet, und genießen einen Dal, ein indisches Linsengericht, ebenso wie heimische Pfifferlinge, die hier eben nicht in der üblichen Rahmsoße daherschwimmen.

„Wir sind keine abgedrehten Gurus“, macht die Chefin deutlich, und verweist auf das Festival, das sie zusammen mit ihren Leuten neulich organisiert hat und bei dem es unter dem Motto „Leben. Natürlich. Im Einklang mit Mutter Erde“ auf dem Areal Vorträge, Livemusik, Workshops, Yoga und Meditation gab: Es sei ihr ein Herzensprojekt, die Menschen miteinander zu vernetzen.

Zum Artikel

Erstellt:
30. Juni 2018, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Wie Amphibien im Rems-Murr-Kreis vor Waschbären geschützt werden sollen

Der Waschbär breitet sich im Rems-Murr-Kreis aus und bedroht unter anderem Kröten, Unken und andere Amphibien. Deshalb sind in Aspach, Oppenweiler und Schorndorf nun probeweise Tannenzweige, Elektrozäune und Fallen als Schutzmaßnahmen im Einsatz.

Stadt & Kreis

Wie viel Potenzial hat die Wasserkraft der Murr?

Energiewende vor der Haustür (7) Das Kraftwerk Rüflensmühle in Oppenweiler steht aktuell still, soll aber künftig 70 Kilowatt Leistung erbringen. Die Layhersche Mühle in Backnang ist ebenso außer Betrieb, da der Mühlkanal wegen der Arbeiten am Hochwasserschutz stillgelegt ist.

Stadt & Kreis

Lage in Backnanger Geflüchtetenunterkünften entspannt sich etwas

Durch die Eröffnung der neuen Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen in Backnang konnte der Landkreis die Zeltstadt nun leeren. Auch fallen im Moment die Zuweisungen vom Land niedriger aus als sonst.