Landkreis mietet Allmersbacher Asylgebäude an

Im Erdgeschoss des Containergebäudes in der Industriestraße 44 in Allmersbach im Tal leben derzeit sieben Personen – drei davon im Rahmen der Obdachlosenhilfe. Die Kreisverwaltung Rems-Murr wird ab Januar das Obergeschoss der Einrichtung belegen und dort eine Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen betreiben.

Die Flüchtlingsunterkunft in der Industriestraße 44 in Allmersbach im Tal besteht aus Containern, die in zwei Geschossen angeordnet sind. Für die Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft zur Erstunterbringung geflüchteter Menschen ab Januar wird der Rems-Murr-Kreis unter anderem auch einen Hausmeister beschäftigen.  Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Die Flüchtlingsunterkunft in der Industriestraße 44 in Allmersbach im Tal besteht aus Containern, die in zwei Geschossen angeordnet sind. Für die Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft zur Erstunterbringung geflüchteter Menschen ab Januar wird der Rems-Murr-Kreis unter anderem auch einen Hausmeister beschäftigen. Foto: A. Becher

Von Bernhard Romanowski

Allmersbach im Tal. „Im Oktober hat sich die Zahl der geflüchteten Menschen, die zu uns in den Rems-Murr-Kreis kommen, von 35 Personen im Monat auf 70 verdoppelt“, berichtete Frank Schneider am Dienstag in der Ratssitzung der Gemeinde Allmersbach im Tal. Schneider leitet das Ausländeramt des Kreises und ist mit den Zahlen der fluchtbedingten Migration bestens vertraut. Und er weiß: Es fehlt derzeit an Raum für die sogenannte Erstunterbringung der Geflüchteten in der Region. Doch der Kreis setzt hier auf die Unterstützung der Gemeinde Allmersbach, die unter anderem über die Gemeinschaftsunterkunft in der Industriestraße 44 verfügt. Schneider bat den Gemeinderat, das Containergebäude dem Kreis zu vermieten. Dem stimmten beide Fraktionen in dem Gremium – die Unabhängige Wählervereinigung (UWV) und die Neue Liste Allmersbach/Heutensbach – nach einer längeren Diskussion über die Gebührenkalkulation einstimmig zu.

Schneiders Chef, Landrat Richard Sigel, hatte sich Ende Oktober mit einem Schreiben an die Kommunen des Kreises gewandt und um Unterstützung bei der Suche nach Bestandsgebäuden gebeten, die als Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge durch den Landkreis genutzt werden können.

Für das Geschäft mit dem Kreis erhält die Gemeinde Allmersbach einen Bonus

Die Industriestraße 44 in Allmersbach ist für die behelfsmäßige Unterbringung nicht nur geeignet, sondern seinerzeit auch genau dafür errichtet worden. Der Komplex umfasst ein zweigeschossiges Containergebäude. Im Erdgeschoss befinden sich neben Gemeinschaftsräumen für Küche, Aufenthalts-, Sanitär-, Wasch- und Trockenraum 17 Einzelcontainer mit einer maximalen Belegung von zwei Personen. Hier könnten maximal 34 Personen untergebracht werden. Das Obergeschoss besteht neben Gemeinschaftsräumen aus neun Doppelcontainern und einem Einzelcontainer und bietet Platz für maximal 36 Menschen. Derzeit wird die Unterkunft als Obdachlosenunterkunft und als Anschlussunterbringung für geflüchtete Personen genutzt. „Sieben Menschen – alle im Erdgeschoss – wohnen momentan dort, darunter vier im Rahmen der Anschlussunterbringung. Die restlichen Räume stehen leer“, wie die Gemeindeverwaltung mitteilt.

Insgesamt leben im Gemeindegebiet 53 Personen, die im Rahmen der Anschlussunterbringung in privaten als auch öffentlichen Wohnungen untergebracht sind. Weitere Gebäude, die für die Anschlussunterbringung genutzt werden, sind die Bauten in der Heininger Straße 33 und in der Heininger Straße 71. Betreut werden alle Personen der Anschlussunterbringung von einer Integrationsbeauftragten.

Der Landkreis möchte das Obergeschoss des Containergebäudes gerne schon ab Januar über eine Laufzeit von zwei Jahren mit einer halbjährlichen Kündigungsfrist anmieten und dann als Gemeinschaftsunterkunft nutzen. Durch die Struktur der Doppelcontainer bietet sich dieser Standort vor allem für Familien an. Betreut werden sollen sie von entsprechend ausgebildeten Sozialarbeitern. Auch wird ein Hausmeister vor Ort für die Belange des Gebäudes zuständig sein. Für das Geschäft mit dem Kreis erhält die Gemeinde Allmersbach nicht nur die Miete in Höhe von 5952 Euro pro Monat, sondern auch einen Bonus: Durch die Einrichtung der Gemeinschaftsunterkunft verringert sich die Anzahl der Personen, die von der Gemeinde im Jahr 2023 im Rahmen der Anschlussunterbringung mit Wohnraum versorgt werden müssen. Bei einer Maximalbelegung der Allmersbacher Gemeinschaftsunterkunft durch den Kreis wären das zwölf Personen weniger, so die Gemeindeverwaltung.

Diskussion um Nutzungsgebühren und Betreuungspotenzial

Grundsatzdiskussion Die Fraktionschefs Eberhard Bauer (NLAH) und Jörg Adolph (UWV) haderten am Dienstag mit der Reihenfolge der Tagesordnung und trauten auch den vorgelegten Zahlen zu den Nutzungsgebühren des Containergebäudes nicht recht. Sie beantragten, erst die Nebenkosten der Unterkunft Industriestraße 44 festzusetzen und danach zu entscheiden, ob an den Kreis vermietet wird. Bürgermeisterin Patrizia Rall hinterfragte hörbar wenig amüsiert den Sinn dieses Anliegens. Doch es geschah wie beantragt.

Kein Puffer Im Allmersbacher Gemeinderat wurde auch die Frage diskutiert, warum der Rems-Murr-Kreis die Zahl der Flüchtlingsunterkünfte ab 2018 überhaupt reduziert habe. Frank Schneider (Kreis-Ausländeramt) verwies auf die Entscheidungen der Landesregierung: „Wir als Kreis sind kein Verhandlungspartner des Landes, sondern Befehlsempfänger, und mussten uns damit abfinden, obwohl wir einen Puffer an Einrichtungen besser gefunden hätten.“

Betreuungssorgen Durch die tatkräftige Mithilfe von Ehrenamtlern habe die Betreuung der Geflüchteten seinerzeit gut funktioniert, so Timo Herbst (UWV-Fraktion). Er befürchtet aber nun Schwierigkeiten nicht zuletzt durch die Coronakrise: „Die Pandemie ist im Januar nicht vorbei. Ich sehe Probleme auf uns zukommen.“ Walter Wötzel (NLAH-Fraktion), seines Zeichens Leiter des Asylkreises Allmersbach im Tal, teilt die Befürchtung und berichtete: „Die Zahl der Ehrenamtler bei uns ist um 70 Prozent reduziert. Einer meiner Kollegen im Asylkreis ist mittlerweile 90 Jahre alt – und betreut noch zwei Leute.“ Frank Schneider gab vonseiten der Kreisverwaltung zu bedenken, dass die Situation heute eine andere als vor sechs Jahren sei: „Wir sind heute bei der Sozialbetreuung viel professioneller aufgestellt.“ Bürgermeisterin Rall verwies zudem darauf, dass nicht gleich 36 Personen auf einmal ankämen, sondern diese sukzessive und vermutlich auch eher als Familien zugewiesen würden.

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Erstellt:
2. Dezember 2021, 06:00 Uhr

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