Landrat verteidigt Containerverkauf

Vorwurf: Landkreis hat sich ein besseres Angebot durch die Lappen gehen lassen – Entscheidung für wirtschaftlichste Variante

Hat sich der Kreis beim Verkauf der nicht mehr benötigten Wohncontainer für Flüchtlinge im Februar dieses Jahres ein besseres Angebot durch die Lappen gehen lassen? Diese Frage stand im Raum, seit ein Unternehmer, der selbst Interesse an den Anlagen hatte, entsprechende Vorwürfe erhoben hat.

Vor dem Verkauf inspizierten der damalige Erste Landesbeamte Michael Kretzschmar (links) und Ramón Olivera von der Kreisbaugruppe die in der Kalkwerkstraße in Kirchberg an der Murr eingelagerten Wohncontainer. Archivfoto. J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Vor dem Verkauf inspizierten der damalige Erste Landesbeamte Michael Kretzschmar (links) und Ramón Olivera von der Kreisbaugruppe die in der Kalkwerkstraße in Kirchberg an der Murr eingelagerten Wohncontainer. Archivfoto. J. Fiedler

Von Armin Fechter

WAIBLINGEN. Man erinnert sich: Der Landkreis hatte die provisorischen Unterkünfte mit einer Gesamtkapazität von 1500 Plätzen auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise beschafft. Aber nur ein Teil davon kam tatsächlich zum Einsatz, weil unterdessen die Balkanroute geschlossen wurde und die Flüchtlingszahlen schlagartig zurückgingen. Tatsächlich aufgebaut wurden acht Wohnanlagen mit insgesamt rund 800 Plätzen, sieben wurden nicht mehr benötigt.

Der Versuch, die unter anderem in Kirchberg an der Murr geparkten ungenutzten Container zu vermarkten, rief damals den Bund der Steuerzahler mit kritischen Fragen auf den Plan. Kurz darauf meldete das Landratsamt Vollzug: Die Wohnanlagen seien verkauft, und zwar komplett an ein kroatisches Unternehmen für eine Summe von 200000 Euro. Die Firma wollte sofort mit dem Abbau und Abtransport beginnen. Die Container sollten überholt und für eine neue Verwendung hergerichtet werden.

Auf den ersten Blick: Mehr als das Doppelte geboten

Dass der Landkreis aber den Zuschlag für 200000 Euro erteilt hatte, stieß einem anderen Unternehmen sauer auf, wie inzwischen bekannt wurde. Diese Firma hatte nämlich 426000 Euro und damit mehr als das Doppelte geboten. Hatte sich der Landkreis also einen höheren Erlös entgehen lassen?

Im Kreistag rechtfertigten jetzt Landrat Richard Sigel und der Leiter des Ausländeramts, Frank Schneider, die Abläufe und die Entscheidung vom Frühjahr. Die Container seien Ende 2015/Anfang 2016 wegen des enormen Unterbringungsdrucks beschafft worden: Wöchentlich kamen 200 Personen im Rems-Murr-Kreis an, monatlich bis zu 1000, rief Sigel in Erinnerung. Entsprechend habe man Vorsorge treffen müssen. Dann zeigte sich, dass die Flüchtlingszahlen stark zurückgingen und doch nicht alle Container gebraucht wurden.

Das Land wiederum, das zugesagt hatte, für die Kosten der Flüchtlingsunterbringung aufzukommen, drängte bald, Überkapazitäten abzubauen, und setzte mit einer Quotenregelung auch die Daumenschrauben an: Unterkünfte mussten nun zu 70 Prozent ausgelastet sein, damit die Kosten erstattet wurden. Im Raum stand zudem, dass das Land wieder – anstelle der bisherigen Regelung, die von den tatsächlichen Kosten für die Flüchtlingsunterbringung ausging – zu einer Abrechnung nach Pauschalen übergehen würde. Angesichts dieser Risiken entschloss sich der Landkreis mit Zustimmung des Kreistags 2018, die Containeranlagen zu vermarkten. Diese waren zunächst geleast worden, wobei eine Belastung von knapp 100 Euro pro Person und Monat zu Buche schlug; vor dem Verkauf war dann eine Ablösesumme von 7,8 Millionen Euro fällig.

Mehrere Lösungen wurden parallel verfolgt, wie Schneider weiter erläuterte, unterschiedliche Angebote gingen dabei ein. Das Höchstangebot bei der Online-Ausschreibung belief sich in der Tat auf 426000 Euro. Weitere 19 Unternehmen waren bereit, bis zu 270000 Euro zu zahlen, und zwar für die unbenutzten Container. Der Abbau der aufgebauten Anlagen wäre dabei mit Kosten von geschätzten 300000 Euro am Kreis hängen geblieben. Demgegenüber hatte das Unternehmen, dem der Zuschlag erteilt wurde, in direkten Verhandlungen ein Gesamtpaket für alle Container geboten. Sprich: Der Landkreis sparte sich dabei also die Ausgaben für den Rückbau.

Ausschlaggebend sei letztlich gewesen, so erläuterte Schneider, dass dieses Angebot wirtschaftlicher und verlässlicher als alle anderen gewesen sei. Er fasste zusammen: „Diese Entscheidung war eine sinnvolle Entscheidung für den Kreis und für das Land.“

Auch der Landrat unterstrich nochmals: Man habe die Container lieber abstoßen wollen, als später zusätzliche Kosten in Kauf nehmen zu müssen.

Die Kreisräte nahmen die Darstellung zur Kenntnis. Es gab lediglich eine Äußerung dazu, nämlich die Nachfrage von Willy Härtner (Grüne), wo sich die Container denn jetzt befänden. „Verkauft“, erwiderte Sigel – und irgendwo im östlichen Europa unterwegs.

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Erstellt:
13. Juli 2019, 16:00 Uhr

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