Betrieb von Schlachthof in Gärtringen ruht

dpa/lsw Böblingen. Filmmaterial über Grausamkeiten in einem Schlachthof führt nun zu dessen vorläufigem Aus. Das Landratsamt bemängelt die Zustände bei dem Betrieb schon länger. Es sieht die Chancen für einen Neuanfang, wenn es zu Änderungen kommt.

Blick auf den geschlossenen Schlachthof in Gärtringen. Foto: Christoph Schmidt/dpa/Archivbild

Blick auf den geschlossenen Schlachthof in Gärtringen. Foto: Christoph Schmidt/dpa/Archivbild

Der nach mutmaßlichen Tierschutzverstößen geschlossene Schlachthof in Gärtringen (Kreis Böblingen) ist schon länger im Visier des Landratsamtes gewesen. „Das Fass läuft halt irgendwann über“, sagte Landrat Roland Bernhard am Freitag. Bereits seit 2018 seien dem Betreiber Auflagen im baulichen Bereich und Anordnungen für die Beschäftigten während des Schlachtbetriebs gemacht worden. Ein großer Teil davon sei nicht umgesetzt worden. Und nachdem der Verein Soko Tierschutz dann am Montag Filmmaterial veröffentlichte, das Tierquälerei belegen soll, untersagte das Landratsamt nun vorläufig den weiteren Schlachtbetrieb.

Bernhard sagte, tierschutzrechtliche Bestimmungen müssten eingehalten werden. Die vorläufige Schließung sei kein Schnellschuss. Die Verfügung werde erst wieder aufgehoben, wenn der Betreiber ein schlüssiges Gesamtkonzept vorgelegt habe. Darin solle erklärt werden, wie der Tierschutz sichergestellt werde. Der Tierschutzverein wirft dem Schlachthof unter anderem den Einsatz von Schlägen, Tritten und Elektroschockern sowie eine unprofessionelle Betäubung vor. Das Landratsamt kündigte an, das Filmmaterial auszuwerten, wenn es ihm vorliege. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Fall bereits.

Der Landrat warf dem Schlachthofbetreiber Unglaubwürdigkeit vor. Er habe Versprechungen nicht eingehalten. Der Schlachthofbetreiber teilte dagegen mit, die Anordnung zur vorläufigen Schließung erfolge ohne Not oder eine aktuelle Notwendigkeit bezüglich des Tierschutzes. Kurzfristige Maßnahmen wie Schulung des Personals, die Verringerung der Bandgeschwindigkeit oder die Anpassung der Betäubungsfalle für Schweine seien bereits eingeleitet und umgesetzt. Außerdem solle ein Kameraüberwachungssystem und eine neue Betäubungsanlage für Schlachtschweine installiert werden, die alle gesetzlichen Vorgaben erfülle.

Die Landestierschutzbeauftragte, Julia Stubenbord, begrüßte die vorläufige Schließung des Schlachthofs. Ebenso der tierschutzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, Jonas Weber. Dies sei der richtige Schritt, aber so weit hätte es erst gar nicht kommen dürfen. Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) müsse sich fragen lassen, wie die Kontrollmechanismen des Landes derart versagen konnten. „Den Fall darf man nicht einfach zu den Akten legen, er offenbart Schwächen, die wir nicht tolerieren können“, sagte Weber.

Landrat Bernhard will sich mit Metzgern, Bauern und dem Schlachthofbetreiber an einen Tisch setzen, um einen Neustart zu ermöglichen. Die Glaubwürdigkeit müsse zurückgewonnen werden. Anfang 2018 war der Schlachthof in Tauberbischofsheim (Main-Tauber-Kreis) wegen Tierschutzverstößen geschlossen worden.

Ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums sagte: „Der Landkreis ist nun gemeinsam mit dem Schlachthofbetreiber in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass der vom Landrat angesprochene Neubeginn möglich wird.“ Der Betreiber müsse ein schlüssiges Gesamtkonzept vorlegen, das jeden Zweifel an weiteren möglichen Tierschutzverstößen ausschließe. Nach Angaben des Ministeriums gibt es im Südwesten 870 zugelassene Schlachtstätten, davon sind 824 kleine Betriebe, die von Metzgern oder Landwirten betrieben werden. Auch Gemeindeschlachthäuser zählen dazu. Ferner gibt es 43 Betriebe von mittlerer Größe, darunter Gärtringen. Dazu kommen drei Schlachthöfe mit überregionaler Bedeutung.

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Erstellt:
4. September 2020, 08:34 Uhr

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