Markus Lanz

Der Moderator treibt Wagenknecht kaum in die Enge

Wie der Versuch des Moderators Markus Lanz, den russischen Angriffskrieg mit Argumenten aus dem Völkerrecht zu ächten, nach hinten los geht.

Sahra Wagenknecht bei ihrer umstrittenen Rede im Parlament.

© dpa/Michael Kappeler

Sahra Wagenknecht bei ihrer umstrittenen Rede im Parlament.

Von Christian Gottschalk

Politik, das ist einer der immer wiederkehrenden Vorwürfe, Politik werde immer mehr im Fernsehen, denn im Bundestag gemacht. Sahra Wagenknecht hat in der vergangenen Woche das Gegenteil davon bewiesen. Die Politikerin der Linkspartei hat im deutschen Parlament eine Rede gehalten, die es in sich hatte. Sie hat die Regierung als „dümmste Regierung in Europa“ bezeichnet, die einen Wirtschaftskrieg gegen Russland vom Zaun gebrochen habe – und ein Ende der Sanktionen gefordert. In der Nacht zum Mittwoch hatte Wagenknecht bei Markus Lanz die Möglichkeit, ihre Gedanken ausführlich zu begründen. Ebenfalls mit von der Partie und nicht minder hörens- und sehenswert: der russische Oppositionspolitiker Leonid Wolkow.

Einblick in die Argumentationskunst

Als Wagenknecht vor der Aufzeichnung der Sendung in der Maske saß, da diskutierte ihre Fraktion in Berlin, ob sie künftig besser ohne ihr Enfant terrible auskommen würde. Der Antrag wurde zurückgezogen – und Wagenknecht gab umgehend einen fernsehtauglichen Einblick in ihre Argumentationskunst. Das mehrfach wiederholte Credo: die Ukrainer leiden am meisten unter dem Krieg, und wir in Deutschland unter den Sanktionen. Während sich Gazprom dumm und dämlich verdiene, gehe hierzulande das Rückgrat der deutschen Wirtschaft kaputt – „und in Russland haben die Ladas vielleicht keine Airbags mehr“.

Lanz hat Probleme

Jetzt ist Markus Lanz nicht gerade dafür bekannt, sich von den Profis aus dem Politikbetrieb einlullen zu lassen. Der Versuch, Wagenknecht argumentativ in die Enge zu treiben, gelang allerdings nur zum Teil. Bei der Frage, was die ehemalige Fraktionschefin denn machen würde, als Alternative zu Sanktionen, blieb die Linke eher blass – und wiederholte mehrfach, dass die heimische Wirtschaft viel mehr unter den Beschränkungen leide. Eher vernuschelt auch die Antwort auf ein mögliches Kriegsende. Eine Autonomie im Donbass wie auf der Krim und weitere Zugeständnisse, empfahl Wagenknecht – da wäre ein Nachhaken wünschenswert gewesen.

Der Versuch des Moderators, den russischen Angriffskrieg mit Argumenten aus dem Völkerrecht zu ächten, ging hingegen komplett nach hinten los. Aserbaidschan habe die Grenzen gerade völkerrechtswidrig ausgedehnt und sei nun „der neue Gaskumpel“, sagt Wagenknecht, die Vereinigten Arabischen Emirate beteiligten sich am Krieg im Jemen, „von US-Kriegen nicht zu reden“. Überall dort werde über diese Tatsachen aber hinweggegangen. Da konnte Markus Lanz nur Zustimmung signalisieren.

Nawalny und die Beziehung zum Krieg

Die gab es nicht von Leonid Wolkow. Oft haben die Gäste in der Gesprächsrunde gerade ein Buch geschrieben, selten wird so offensiv dafür geworben wie bei dem Mann, der aus Litauen hinaus die Projekte des Oppositionellen Alexei Nawalny betreut, der nach wie vor in russischer Haft sitzt – seit einigen Wochen unter verschärften Bedingungen. Dies habe, sagt Wolkow, unmittelbar mit der bevorstehenden Generalmobilmachung in Russland zu tun. Für junge Menschen ändere sich nun das Riskoprofil. Bisher drohte Haft, wenn man gegen den Krieg protestiert, nun stehe dem der mögliche Tod gegenüber. „Der Kreml hat Angst vor Protesten“, so die Analyse des ehemaligen Abgeordneten aus Ekaterinburg.

Mit seinem Buch wolle er gegen die Logik anschreiben, wie sie von Leuten wie Sahra Wagenknecht vertreten werde. „Der Westen versteht Putin nicht, denn der ist nicht verhandlungsbereit“, sagt Wolkow. Ein Waffenstillstand, wie von der Bundestagsabgeordneten gefordert, wäre zum jetzigen Zeitpunkt „Putins Traum“. Der Kreml-Herrscher würde besetze Gebiete für sich reklamieren, durchatmen, Truppen sammeln und weiter machen, ist sich Wolkow sicher.

Korrupter Oligarchenkapitalismus

Mit der vergleichbaren Begründung, nämlich Zeit gewinnen zu wollen, habe der ehemalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko einst das Minsker-Abkommen unterzeichnet, sagt Sahra Wagenknecht. Das ist denn wieder eine der zahlreichen Relativierungen, mit der Wagenknecht arbeitet – und dabei stets den Eindruck erweckt, sie stehe den in Moskau Herrschenden wohl geneigt gegenüber. Das aber will sie dann auch nicht so stehen lassen. Für das russische System habe sie keine Sympathie, das sei „korrupter Oligarchenkapitalismus“.

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Erstellt:
21. September 2022, 01:46 Uhr
Aktualisiert:
21. September 2022, 08:05 Uhr

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