Laute Motorradfahrer nerven einfach nur

Auf zwei Rädern motorisiert durch die Landschaft...einfach herrlich. Die meisten Biker fahren gesittet und halten sich an die Regeln. Einige schwarze Schafe unter ihnen lassen es allerdings richtig krachen. Anwohner sind stinksauer und zu Recht frustriert.

Die meisten Biker verhalten sich rücksichtsvoll, aber immer wieder gibt es auch welche, die voll auf drehen und lärmend davonjagen. Norbert Kuhnt aus dem Kirchberger Ortsteil Neuhof hat es sich langsam abgewöhnt, an schönen Sonntagen die Sonne auf seiner Terrasse zu genießen. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Die meisten Biker verhalten sich rücksichtsvoll, aber immer wieder gibt es auch welche, die voll auf drehen und lärmend davonjagen. Norbert Kuhnt aus dem Kirchberger Ortsteil Neuhof hat es sich langsam abgewöhnt, an schönen Sonntagen die Sonne auf seiner Terrasse zu genießen. Foto: J. Fiedler

Von Simone Schneider-Seebeck

KIRCHBERG AN DER MURR. Ein idyllischer Sonntagnachmittag, die Sonne scheint, es ist warm. Viele Menschen nutzen die Gelegenheit und gehen spazieren, schwingen sich aufs Fahrrad, genießen die warmen Strahlen auf dem Balkon oder im Garten. Der eine oder andere ist auch motorisiert unterwegs, man sieht Cabrios mit offenem Verdeck und auch zahlreiche Motorradfahrer sind auf den trockenen Straßen unterwegs.

Des einen Freud ist des anderen Leid, das trifft auf vielerlei zu, besonders im Bereich Freizeitvergnügen. Während der Biker es genießt, nach langer Winterpause endlich mal wieder das motorisierte Zweirad auszufahren, stöhnen die Anwohner an beliebten Strecken auf. In Ruhe die Sonne auf der Terrasse genießen? „Heute ist es noch relativ ruhig“, so Norbert Kuhnt aus dem Kirchberger Ortsteil Neuhof. Das mag man kaum glauben. Innerhalb einer Stunde sind am späten Sonntagnachmittag um die dreißig Motorradfahrer auf der Kreisstraße1835/ 1604 zwischen Affalterbach und Kirchberg unterwegs, hauptsächlich allein, manchmal zu zweit oder als kleinere Gruppe. Eine reizvolle Strecke, nach dem Kirchberger Bahnhof Richtung Neuhof verführen einige Kurven dazu, das Fahrerkönnen auszutesten. Hält man sich direkt an der Einmündung in den Ortsteil auf, an der Bushaltestelle, ist es eigentlich gar nicht so laut. Hier ist die Geschwindigkeit begrenzt, seit dem 19. April mahnt zudem ein großes Schild „Fahr nicht wie die Sau“.

Erschreckend ist das Wechselspiel zwischen Gasgeben und Abbremsen.

Die meisten Biker, die in dieser Stunde unterwegs sind, verhalten sich rücksichtsvoll, vor allem diejenigen, die bergab fahren – das Grüppchen Leute an der Bushaltestelle ist aus dieser Richtung schon von Weitem gut zu sehen. Wer von unten nach oben fährt, sieht die interessierten Beobachter nicht oder erst spät. Da wird schon mal ordentlich aufgedreht. Einer ist besonders auffällig mit bunten Felgen, schwarzem Outfit; dass im Einmündungsbereich Überholverbot herrscht, interessiert ihn auf der Fahrt Richtung Affalterbach keineswegs. Norbert Kuhnt, Mitglied der Aktionsgemeinschaft Umweltschutz Kirchberg, der sich schon seit Jahren für eine Reduzierung des Lärms durch rücksichtslose Fahrer einsetzt, kennt ihn schon und prophezeit: „Den sehen wir wieder.“ Tatsächlich. Kurz darauf düst der Fahrer wieder vorbei, diesmal Richtung Bahnhof. Er hebt die behandschuhte Hand – ist das womöglich eine obszöne Geste?

Etwa 150 bis 200 Meter von der Einmündung entfernt sitzt ein Ehepaar auf seinem Balkon bei Kaffee und Kuchen. Eigentlich recht idyllisch, der Blick fällt auf den Garten, auf den Wald, die Kreisstraße ist etwas verborgen. Durch die Zweige blickt man auf die Bushaltestelle. Auf dem Balkon ist der Geräuschpegel wesentlich lauter als direkt am Ortseingang. Bevor noch etwas zu sehen ist, hört man ein lautes Knattern. Es wird wieder leiser und schon sieht man das Gefährt an der Haltestelle wenden. Der erste von vielen innerhalb der nächsten halben Stunde. Normal fahrende Pkw und Motorräder stören kaum, das ist ein recht niedriger und kontinuierlicher Geräuschpegel. Erschreckend das Wechselspiel zwischen Gasgeben und Abbremsen bei denjenigen, die rücksichtslos den Berg hinaufheizen. Dann versteht man sein eigenes Wort fast nicht mehr. „Heute ist es noch relativ ruhig“, meint die Anwohnerin dazu. Am Ostersonntag sei es extremer gewesen. Und die Saison hat erst begonnen.

Ein Nachbar schaltet sich in die Diskussion mit ein und meint ebenfalls nur: „Das ist der Vorführeffekt.“ Dabei hört man immer wieder ein lautes aggressives Summen, wie ein wütender Hornissenschwarm, zwischendurch heftiges Knattern, das Gasgeben nach der Kurve bekommt man sehr deutlich mit. „Normale Motorradfahrer sind gar kein Problem“, versichert der Nachbar, aber wenn sie aufdrehten, das sei kaum auszuhalten. Wohl wahr! Und das, obwohl es an diesem Tag nach Aussage der Anwohner doch relativ ruhig ist. Im Sommer düsen die Fahrer oft bis 21 Uhr die Strecke hin und her. Was der Nachbar bedauert: „Es sind nur ein paar wenige, die so rücksichtslos sind, und die bringen alle Motorradfahrer in Misskredit. Der Lärm ist für sie der Kick.“

Doch nicht nur der Fahrstil macht den Lärm aus, es sind auch die Fahrzeuge an sich. Daher hofft er, dass bei den Herstellern dieser Maschinen ein Umdenken einsetzt, da die Öffentlichkeit mittlerweile sensibilisiert sei und somit solch eine krachende Lautstärke eher zu einem negativen Image führe.

Die Neuhofer versuchen, mit den Bikern zu reden, besonders Norbert Kuhnt ist seit Jahren immer wieder an der Bushaltestelle, um die Fahrer auf ihr rücksichtsloses Verhalten aufmerksam zu machen. Manche zeigen sich einsichtig, andere werden aggressiv. Auch der Anwohner auf dem Balkon hat das schon erlebt. Als es einmal besonders laut gewesen war, ging er zur Bushaltestelle vor. Dort hielt sich eine Gruppe Motorradfahrer auf, die ihn rüde angegangen war: „Was willst du, du alter Sack?“ Weshalb weder er noch seine Frau ihre Namen in der Zeitung lesen möchten. Oft bleibt nur, die Polizei zu verständigen, die, wie Kuhnt lobend erwähnt, meistens auch kommt, um die Strecke zu kontrollieren.

Doch nicht nur im Neuhof hört man den röhrenden Krach. Ute L. wohnt auf der anderen Seite des Tals im Hauptort, im Römerweg, und sie ist früher selbst Motorrad gefahren. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so laut ist auf diese Entfernung“, sagt sie. Allerdings zeigt sie auch ein gewisses Verständnis für die ihrer Erfahrung nach meist jungen Männer, denn im Moment könne man ja nichts anderes machen, um seinen Frust abzulassen, und sie betont: „Das ist eine ganz kleine Randgruppe.“ Dennoch – wenn es ganz schlimm wird, dann geht sie lieber rein, denn der Lärm sei dann doch sehr belastend.

In der halben Stunde auf dem Balkon nutzen mindestens zehn Fahrer die Bushaltestelle für ihr Wendemanöver. Auch der Raser mit den bunten Felgen ist wieder mit ohrenbetäubendem Aufdrehen den Berg hochgeschossen. Manche fahren hier mit unglaublicher Geschwindigkeit den Berg hoch. „Was die hier machen, kann man nicht, wenn man bei normalem Verstand ist“, so der Nachbar. Einig sind sich die Betroffenen jedoch: Sie wollen keine Fahrverbote für Motorradfahrer, denn das würde auch die große Mehrheit treffen, die sich rücksichtsvoll und vernünftig verhält.

Drei Bürgermeister fordern: Kein unnötiges Hin- und Herfahren auch auf Außenbereichsstrecken

Die drei Bürgermeister Dieter Zahn (Sulzbach an der Murr), Uwe Bossert (Spiegelberg) und Christoph Jäger (Großerlach) wenden sich in einer gemeinsamen Erklärung zum Tag gegen den Lärm an die Presse. Nachfolgend einige Auszüge:

Es ist nicht zu überhören, die Motorradsaison läuft (...) schon sprichwörtlich auf vollen Touren. Und während zahlreiche willkommene Ausflugs- und Genussfahrer rücksichtsvoll ihre Runden drehen, scheint die Zahl der rücksichtlosen und lärmenden Raser allen Aktionen und Appellen zum Trotz einen neuen traurigen Höhepunkt zu erreichen.

B14 (Sulzbach bis Großerlach), L1066 (Richtung Spiegelberg) oder andere Strecken – sie werden inzwischen regelmäßig von Rasern missbraucht, welche solo oder in der Gruppe feste Streckenabschnitte mehrfach hoch- und runterrasen, und dies stets hart am Limit.

Dieser durchgehende Lärm erreicht vielleicht nicht in jedem Hausgarten gesetzliche Grenzwerte – ist aber durch die Dauerbelastung über mehrere Stunden ein nicht zumutbarer Eingriff in die Lebensqualität der betroffenen Anwohner – von der damit zugleich verbundenen extremen Verkehrsgefährdung einmal ganz abgesehen.

Die drei Bürgermeister der hiervon betroffenen Gemeinden fordern in ihrem Schreiben an den Lärmschutzbeauftragten der Landesregierung, MdL Thomas Marwein, das Verbot des unnötigen Hin- und Herfahrens in geschlossenen Ortschaften dringend auch auf Außenbereichsstrecken zu erweitern.

Zahn, Bossert und Jäger stellen klar: Wir möchten weder allgemeine Fahrverbote, noch das Motorradfahren an sich verbieten und haben im Gegenteil durchaus Sympathie für dieses schöne Hobby – aber diese rücksichtslose, lärmende und brandgefährliche Raserei Einzelner hat damit nichts zu tun.

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Erstellt:
10. Mai 2021, 06:00 Uhr

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