Lebenslange Haft für Daniel E.

Auch in der Neuauflage des Prozesses verurteilt das Gericht den 27-Jährigen wegen Mordes an der 22-jährigen Backnangerin Katharina K. Eine besondere Schwere der Schuld wird dieses Mal jedoch nicht festgestellt.

In erster Instanz ist Daniel E. des Mordes verurteilt worden. Zu diesem Schluss kam nun auch die erste Große Strafkammer.Archivfoto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

In erster Instanz ist Daniel E. des Mordes verurteilt worden. Zu diesem Schluss kam nun auch die erste Große Strafkammer.Archivfoto: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG/STUTTGART. Eine monatelange Beweisaufnahme und die erneute Vernehmung zahlreicher Zeugen nach der Teilaufhebung des ersten Urteils durch den Bundesgerichtshof haben am Ergebnis nur wenig geändert: Erneut ist Daniel E. des Mordes an seiner Ex-Freundin, der 22-jährigen Katharina K., für schuldig befunden worden. Einziger Unterschied: Dieses Mal sah das Gericht die besondere Schwere der Schuld nicht als erwiesen an. Für den inzwischen 27-Jährigen ist dies eine Verbesserung, denn so steigen seine Chancen auf eine vorzeitige Entlassung. Ob er und seine Verteidiger das Urteil jedoch akzeptieren, ist noch nicht entschieden. „Wir werden das in Ruhe prüfen, wenn uns die Urteilsbegründung zugegangen ist“, erklärte Anwalt Markus Bessler. Diese hatte die Vorsitzende Richterin Ute Baisch zwar mündlich vorgetragen, jedoch war die Erklärung sehr ausführlich und vielschichtig.

Daniel E. hat Katharina K. am Abend des 8. November 2017 in deren Wohnung in Backnang-Strümpfelbach erwürgt, die Leiche dann in einem Gartenstück in Ludwigsburg verbrannt und später in einem Komposthaufen versteckt. Diese sogenannten äußeren Umstände hatte der Bundesgerichtshof nicht beanstandet, darüber wurde nicht erneut verhandelt. Bis zum letzten Verhandlungstag hatte Daniel E. die Tat in erster Instanz bestritten. Sein Schuldeingeständnis mit dem Versuch einer Erklärung in der Neuauflage des Prozesses hat ihm jedoch nicht viel gebracht. Seine Einlassung, in der er behauptete, der Konsum von Kokain und Aufputschmitteln habe ihn aggressiv gemacht, kam bei der ersten Großen Strafkammer nicht gut an. Die Vorsitzende Richterin Ute Baisch machte dies unmissverständlich klar: „Die Kammer hat ihm von dieser Einlassung kein Wort geglaubt.“ Die Beweisaufnahme habe keinerlei Hinweise auf den Konsum von Drogen ergeben. Auch hätte es sein Geständnis, das diesen Namen kaum verdiene, nicht gegeben, wenn der 27-Jährige nicht bereits dahingehend verurteilt worden wäre, sagte sie.

Die Verteidiger hatten auf Totschlag plädiert.

Als Motiv für die Tat sah das Gericht zum einen den Sorgerechtsstreit um den gemeinsamen Sohn der beiden. Daniel E. hatte sich das gemeinsame Sorgerecht durch Falschaussagen und Urkundenfälschungen erschlichen. Durch einen Zufall war dies ans Licht geraten, woraufhin Katharina K. vor Gericht Beschwerde eingelegt hatte. Die erneute Verhandlung vor dem Oberlandesgericht stand unmittelbar bevor, als der damals 24-Jährige seine Ex-Freundin umbrachte. Nach Auffassung des Gerichts wollte er die junge Mutter dazu drängen, ihre Beschwerde zurückzuziehen, worauf diese jedoch nicht einging. „Er musste die Oberhand in der Beziehung haben“, erklärte Baisch. Die Kontrolle über Katharina und den gemeinsamen Sohn zu verlieren, das habe er nicht verkraften können. Das Gericht verwies auf das psychiatrische Gutachten, das den 27-Jährigen „im Übergangsbereich zu einer manifesten Persönlichkeitsstörung“ sah. Ausgeprägt dissozial und narzisstisch waren nur zwei Beschreibungen für Daniel E.s Charakter. Er sei ein Mensch, der „wenn die Dinge nicht so laufen, wie er will, massiv bedrohlich und gewalttätig wird“, führte Baisch aus. Gleichzeitig aber habe er sich selbst nie hinterfragt oder Konsequenzen aus den vielen Verurteilungen wegen Betrugs gezogen. Das Gericht sah daher niedere Beweggründe als gegeben an.

Im Gegensatz zu den Richtern in erster Instanz wurde dieses Mal jedoch keine Heimtücke als weiteres Mordmerkmal festgestellt und daher auch keine besondere Schwere der Schuld. Sie sehe zwar ein, dass dieser Punkt durchaus diskussionswürdig sei, so Baisch, allerdings stand für das Gericht fest: „Dafür reicht die Beweislage einfach nicht.“

„Ohne Zweifel hat der Angeklagte eine monströse Tat begangen“, hatte auch Daniel E.s Verteidiger Markus Bessler in seinem Plädoyer eingeräumt. Es sei ein nicht wieder gut zu machendes Unrecht. Und dennoch gebe es auch einiges, dass er zu Gunsten seines Mandanten aufführt: sein Geständnis, seine Reue, die lange Zeit der Untersuchungshaft sowie das spontane Tatgeschehen. Vor allem wegen letzterem sei die Tat als Totschlag mit einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren zu ahnden. Denn, diese Auffassung vertrat auch Verteidiger Thomas Raich, „wir wissen über das Motiv ehrlicherweise überhaupt nichts“. Sein Fazit: „Totschlag – mehr kann man dem Angeklagten nicht nachweisen.“ Bessler ging sogar noch einen Schritt weiter und behauptete, dass sich die Ermittler früh auf eine „Arbeitshypothese“ gestützt hatten, nach der Daniel E. aus niederen Beweggründen gehandelt habe und es nur darum ging, ihm die Höchststrafe zuzuführen.

Auch nach der Urteilsverkündung konnte sich Bessler nicht des Eindrucks erwehren, dass zu sehr am Urteil des ersten Durchgangs festgehalten worden war. Seiner Ansicht nach sei zu wenig zwischen Daniel E.s Verhalten während der Beziehung und nach der Trennung differenziert worden. Nachdem Schluss war zwischen beiden, habe es keinerlei Übergriffe mehr gegeben. Daniel E. hatte zuletzt noch seine Möglichkeit genutzt, vor Gericht zu sprechen. Zwei Jahre habe er sich „hinter einer Mauer aus Lügen“ versteckt, sagte er. Seine Einlassung las er hastig ohne große Unterbrechungen zwischen den Sätzen vor, seine Hände unablässig in nervöser Bewegung. Er wolle sich der Verantwortung stellen, das sei das einzige, was ihm jetzt noch übrig bleibe. „Ich würde am liebsten die Zeit zurückdrehen oder ihr Leben gegen meines tauschen“, sagte er. Dass es so ein Ende nimmt, sei niemals seine Intention gewesen. Er wolle sich bei Katharinas Familie entschuldigen, wisse aber, dass diese das nicht wünsche.

Katharina K.s Vater bezeichnete die Situation im Nachgang des Prozesses als irreal. Man spüre zwar eine gewisse Genugtuung, dass die höchstmögliche Strafe ausgesprochen wurde. Doch: „Unsere große Sorge gilt ihren beiden Kindern, die irgendwann wissen wollen, was eigentlich genau passiert ist.“ Die angedeutete Entschuldigung Daniel E.s habe er als „ziemliche Unverschämtheit“ aufgefasst und ist sich sicher, „dass er nur taktiert“. „Würde er das bereuen, hätte er sich den Fragen des Gerichts gestellt.“ Dass die Vorsitzende Richterin das durchschaut und auch in klaren Worten verurteilt hat, habe er so nicht erwartet. „Das hat mich beeindruckt.“ Ob die Familie das Urteil akzeptiert oder in Revision geht, bleibt abzuwarten. „Das Geschachere darum, ob vielleicht doch eine besondere Schwere der Schuld vorliegt, macht alles nicht besser“, sagte der Vater. „Nichts bringt uns Katharina zurück.“

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Erstellt:
3. August 2020, 17:51 Uhr

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