Leidenschaft in Palisander und Mahagoni

Arne Schumacher fertigt im Keller seiner Eltern in Murrhardt Gitarren in Handarbeit – „Arbeiten mit Holz macht Heidenspaß“

Vor zwei Jahren hatte Arne Schumacher mit Saitenmusikinstrumenten nichts am Hut. Dann infizierte sich der Murrhardter mit dem Gitarrenvirus. Heute baut der 21-Jährige die Klangkörper selbst. Er hat dafür seinen Job als Industriemechaniker auf 80 Prozent reduziert und arbeitet darauf hin, einmal als selbstständiger Gitarrenbauer seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Und er spielt das Instrument leidenschaftlich gerne in jeder freien Minute.

Gitarrenfan Arne Schumacher präsentiert eines seiner ersten selbst gefertigten Modelle. Sein Traum ist, von dieser Arbeit leben zu können.Fotos: privat

Gitarrenfan Arne Schumacher präsentiert eines seiner ersten selbst gefertigten Modelle. Sein Traum ist, von dieser Arbeit leben zu können.Fotos: privat

Von Matthias Nothstein

MURRHARDT. Die Ausbildung beim Murrhardter Bosch-Standort hat Arne Schumacher für seine neue Passion viel gebracht. Zwar hatte er während seiner Lehre zum Industriemechaniker überwiegend mit Metall zu tun, aber bei der Bearbeitung von Holz gibt es etliche Parallelen: Sägen, fräsen, feilen, leimen, schleifen – dem jungen Mann gehen die Arbeiten leicht von der Hand. „Ich habe schon immer gerne gebastelt und mir vieles selbst beigebracht. Nun konnte ich viele Techniken auf Holz übertragen.“

Im Keller seines Elternhauses hat er seine Werkstatt eingerichtet. Der Vater hat – beeindruckt vom Arbeitseifer seines Juniors – eine Hälfte seines Reichs freigeräumt. Nun lagern dort verschiedenste Hölzer, aus denen der junge Mann den Korpus der Gitarren und deren Hälse fertigt. Und in einem – der Ordnung wegen – eigens angeschafften Apothekerschrank sind die nötigen Werkzeuge verstaut: unterschiedlichste Stechbeitel, Feilen und Zangen, dazu jede Menge Schleifpapier und Bestand- und Ersatzteile für die Mechanik und Elektrik.

Zu der außergewöhnlichen Leidenschaft ist Schumacher erst vor zwei Jahren gekommen. Mehr oder weniger zufällig. Damals wurde er zum Vorstand des Murrhardter Jugendzentrums gewählt. Im Proberaum des Juze hat ihm ein Kumpel einige Griffe auf der Gitarre gezeigt, und von dem Tag an war es um ihn geschehen. Recht schnell spielte er erste, wenn auch leichte Stücke. Aber er investierte massig Zeit in sein neues Hobby: „Ich übe täglich.“ Obwohl er von sich sagt, „musikalisch war ich nie, ich habe als Kind nur etwas Flöte und Schlagzeug gespielt“, machte er schnell beachtliche Fortschritte und erhielt gutes Feedback.

Bald reifte die Idee, auch einmal eine Gitarre selbst bauen zu wollen. Die ersten Kniffe und Tricks eignete er sich bei einem Praktikum bei Gitarrenbauer Nico Schack an. Dafür reiste er extra in die Nähe von Frankfurt und mietete sich eine Woche lang in einer Jugendherberge ein. Wissbegierig schaute er dem Gitarrenbauer über die Schulter. Der Lehrling stellte sich geschickt an und durfte gleich viel selbst machen und probieren. „Da habe ich viel mitnehmen können.“

„Lehrmeister“ helfen jederzeit mit Rat, Werkzeug und Material

Seit einem Jahr ist Armin Dreier aus Schorndorf eine große Hilfe für ihn. Bei allen Fragen wendet sich der Murrhardter an den Gitarrenbauer von der Rems. „Ohne ihn könnte ich das alles nicht. Wenn mir Werkzeuge fehlen oder sonst etwas, kann ich mich immer an ihn wenden und vorbeikommen. Das ist echt cool.“

Auch das Holz bezieht er von seinem Schorndorfer „Lehrmeister“. Blöcke aus Esche, Erle, Nussbaum für die eigentlichen Körper. Aber auch ganz spezielle Hölzer wie Palisander, Sumpfesche oder Riegelahorn. Und was natürlich auch nicht fehlen darf: „Mahagoni, ein sehr beliebtes Material.“ Beim Blick ins Holzlager kommt Schumacher ins Schwärmen: „Aus diesem weißen Ebenholz fertige ich ein Griffbrett an“, erklärt er und streicht mit Vorfreude darüber. Nebenan lagert ein dünnes Brett Vogelaugenahorn, „das wird super aussehen“.

Alles Handarbeit. In vielen Stunden sägt, schnitzt, fräst und feilt Arne Schumacher aus einer groben Holzdiele ein edles Musikinstrument mit individueller Note und voller Perfektion.

Alles Handarbeit. In vielen Stunden sägt, schnitzt, fräst und feilt Arne Schumacher aus einer groben Holzdiele ein edles Musikinstrument mit individueller Note und voller Perfektion.

Ein Dutzend Gitarren in den unterschiedlichsten Fertigungsstadien findet sich in dem aufgeräumten Raum. Einige Exemplare stehen kurz vor der Fertigstellung, andere werden noch roh mit Stechbeitel und Oberfräse behandelt, wiederum andere lagern als grobe Holzblöcke im Regal. Anfangs sägt er die grobe Form aus und arbeitet mit dem Beitel an der Oberfläche, „das hat schon etwas mit Bildhauerei zu tun“. Für die Aussparungen der Tonabnehmer hat er sich eine Fräse gekauft, und für die nervigen Feinarbeiten eine Kantenschleifmaschine mit Absauganlage. „Das Schleifen ist sehr wichtig. Trotzdem mache ich es nicht gerne, aber es gehört halt dazu.“ Die Hälse bestehen meist aus anderem Holz. Damit sie sich nicht aufgrund der Saitenspannung verziehen, fräst Schumacher einen Längsspalt, in den er einen Halsstab einsetzt. Mit ihm kann er Abweichungen regulieren.

Der Traum des jungen Mannes ist es, sich mit seiner Leidenschaft selbstständig machen zu können. Noch ist es ein weiter Weg bis dahin. Den aber beschreitet der einstige Realschüler voller Überzeugung. Seinen Job hat er bereits auf 80 Prozent reduziert. Jeden Freitag arbeitet er an den Gitarren. Dazu fast jeden Feierabend und am Wochenende. „Ich knie mich voll rein, das ist genau mein Ding.“

Im Wohnzimmer stehen bereits drei fertige Instrumente, eines schöner als das andere. Der Erbauer streichelt fast zärtlich über deren Hals und Silhouette und erklärt detailliert die verschiedenen Arbeitsschritte, die im Laufe der Entstehung nötig sind. Die Formen sind Eigenkreationen. Sie ähneln sich zwar stark, weichen aber allesamt in Nuancen voneinander ab.

Ein Bekannter hat bereits ein Modell bei ihm geordert. „Ich werde sie ihm günstig verkaufen, schließlich bin ich froh, überhaupt einen Auftrag zu bekommen, das ist mein Erstlingswerk.“ Der Kumpelkunde braucht indes keine Sorge zu haben, dass ihm seine Anschaffung fehlerhaft ausgeliefert wird, dazu ist Schumacher viel zu ehrgeizig: „Die Gitarre wird einzigartig werden. An der arbeite ich so lange, bis sie perfekt und mein Freund zufrieden ist.“ Als Entlohnung hat er sich den doppelten Materialwert vorgestellt. Für den Anfang. Später werden die Preise steigen. Er weiß von dem Nischensegment und dass Liebhaber gute Preise zahlen. „Es gibt einen kleinen, aber feinen Markt.“ Noch hat Schumacher keine eigene Homepage, dafür ist er auf Instagram unter _arnsson.guitars_ unterwegs.

Damit alles seine Richtigkeit hat, hat der Jungunternehmer auch schon ein Nebengewerbe angemeldet. Zumal er heute schon nebenher Gitarren von Bekannten und Freunden repariert. Auf der Werkbank liegen die neuesten Aufträge. An einer Epiphone-Westerngitarre, die mit Sicherheit schon 30 Lenze auf den Saiten hat, musste er den Hals abfräsen. Jetzt werden noch neue Bünde eingesetzt. Nebenan liegt eine Ukulele, ganz ohne Saiten, an der es auch einiges zu erledigen gilt. Und eine Bassgitarre. An ihr sind die Knöpfe der verschiedenen Regler lose.

Als Nächstes möchte der Geselle, der aufgrund guter Leistungen seine Ausbildung sogar auf drei Jahre verkürzt bekam, eine Akustikgitarre bauen. „Aber davor habe ich großen Respekt und brauche noch viel Unterstützung. Ich weiß sehr wohl, dass ich noch viel lernen muss, bevor ich Gitarren für 6000 Euro bauen und verkaufen kann. Aber ich habe es nicht eilig, und es macht mir einen Heidenspaß.“

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Erstellt:
3. April 2020, 16:00 Uhr

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