Leisere Töne nach Säbelrasseln: Iran-Konflikt ohne Lösung

dpa Washington/Teheran. Es geht um politischen Einfluss, Vormachtstellungen und Bodenschätze. Der Iran-Konflikt gilt als derzeit vielleicht gefährlichste Krise der Welt. Aus Washington kommen nach Tagen der großen Töne inzwischen nachdenklichere Stimmen.

John Bolton, Nationaler Sicherheitsberater der USA, spricht während der täglichen Pressekonferenz im Weißen Haus. Foto: Evan Vucci/AP

John Bolton, Nationaler Sicherheitsberater der USA, spricht während der täglichen Pressekonferenz im Weißen Haus. Foto: Evan Vucci/AP

Quo vadis, Iran? Rasen die USA und die Islamische Republik in einen offenen Schlagabtausch, an dessen Ende eine militärische Auseinandersetzung steht?

Oder bekommt die Diplomatie eine weitere Chance, führt Donald Trumps Politik des maximalen Drucks also zu einer Verhandlungslösung für die Krise im Nahen Osten, zu einer Art Atomdeal 2.0?

Nach Tagen des gegenseitigen Säbelrasselns kommen vor allem aus dem Weißen Haus inzwischen wieder etwas versöhnlichere Töne. Donald Trump, der ständig im Wahlkampf befindliche Präsident, will keinen Krieg. Allzu gut hat er die Situation von 2003 im Kopf, als sein Vor-Vorgänger George W. Bush auf der Grundlage bewusst oder unbewusst falsch interpretierter Geheimdienstinformationen über angebliche Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins in den Irak einmarschierte - und dafür genau wie sein britischer Mitstreiter Tony Blair politische Prügel einsteckte, von denen er sich nie richtig erholte.

Damals wie heute sitzt allerdings in John Bolton ein Mann in der Nähe der Schalthebel der Macht in Washington, der wie ein guter Teil der politischen Rechten in den USA eine Bombardierung des Irans als eine der wenigen nachhaltigen Maßnahmen einer wirksamen Nahostpolitik ansieht.

Im Moment sieht Trumps Scharfmacher Bolton, dem eine ganze Geschichte von Fehlinterpretationen bei Geheimdienstmaterial nachgesagt wird, eher wie ein Verlierer aus. Ausgerechnet unter dem politischen Polterer Trump könnten nun die Nachdenklicheren die Oberhand gewinnen. „Es gibt noch immer viele Sprossen auf der Eskalationsleiter zwischen dem, was gerade passiert, und einem Krieg“, schreibt etwa der Politologe und Außenpolitik-Experte James Jay Carafano vom erzkonservativen und in der Trump-Administration einflussreichen Think Tank Heritage Foundation in Washington.

Für Carafano funktioniert die Politik Trumps, die vor allem auf wirtschaftlicher und politischer Isolierung des Irans fußt. „Aus der US-Perspektive scheint die Kampagne, den Iran zu isolieren und unter Druck zu setzen im Großen und Ganzen zu funktionieren“, schreibt der Politologe. Todd Rosenblum vom liberalen Atlantic Council sieht das komplett anders. Seit Jimmy Carter versuchten US-Präsidenten, den iranischen Einfluss zu beschneiden. Mit dem Austritt aus dem Atomabkommen habe Trump eine Atempause beendet und den Erfolg der jahrzehntelangen Bemühungen ernsthaft in Zweifel gezogen. „Den (Atom)deal zu verlassen, ohne einen realistischen Plan, war ein großer, großer Fehler“, schreibt er.

Für die USA ist der Nahe Osten geopolitisch eine wichtige Einflusssphäre. Mit Saudi-Arabien und Israel ist die Region Heimat von zwei der wichtigsten Verbündeten. Ein ohnehin fast unmöglicher Nahost-Friedensplan zwischen Israelis und Palästinensern - Donald Trumps Leib- und Magen-Vorhaben - ist mit einem starken Iran noch viel schwieriger umzusetzen. Nahost ist die Schnittstelle von West und Ost, die wichtigste Region für Bodenschätze weltweit. Wer dort die Oberhand hat, hält einen großen Trumpf. So viele Kräfte zerren an dieser Karte, dass die Region seit Jahrzehnten ein Hort für politische Instabilität geworden ist.

Kuwait, Irak, Syrien, Türkei, Afghanistan - der Iran hat kaum ein Nachbarland, in dem keine Soldaten des Erzfeindes USA stationiert sind, ausgerüstet mit modernsten Waffensystemen zu Wasser, zu Lande und in der Luft. In Teheran ist bekannt, dass ein Regierungswechsel das eigentliche Ziel der Amerikaner und ihrer Verbündeten ist - weg von der religiös-schiitischen Mullah-Herrschaft, hin zu einem freieren - und damit für die Nachbarn ungefährlicheren System.

Das wiederum läuft aber den Interessen der Mächtigen in Teheran massiv entgegen. Sie wollen die schiitische Macht ausdehnen, die Revolution von 1979, als der letzte Schah gehen musste, sozusagen exportieren. Die Islamische Republik will ihren Einfluss ausbauen, auch wenn das in Teheran keiner zugibt. Die Mullahs haben in Ländern wie dem wirtschaftlich und technisch abhängigen Irak, in Syrien und dem Libanon viel zu sagen. Die Crux: Zumindest im Irak und in Syrien ist die iranische Vorherrschaft auch auf außenpolitisches Versagen in Washington zurückzuführen.

Israel, dem Schutzbefohlenen der USA im Nahen Osten, geht es ähnlich. Das kleine Land ist seinerseits umzingelt von den Waffen des Irans und seiner Verbündeten wie der Hamas, den Hisbollah und den Huthi-Rebellen. Der Iran bemängelt, Israel habe Atomwaffen und sei nicht im Atomwaffensperrvertrag - der Iran hat keine Atomwaffen, ist aber Mitglied in dem internationalen Abkommen.

Die Krise zwischen dem Iran und den USA ist Machtpolitik pur, es geht um Einflusssphären und den Vorrang gegenseitiger Interessen. Und die Ausgangsstellung ist explosiv. Das ist der Grund, warum westliche Politiker wie der deutsche Außenminister Heiko Maas die Gefahr eines Flächenbrandes sehen.

Das „Wall Street Journal“ berichtete am Freitag über eine Interpretation von Geheimdienstinformationen, der zufolge beide Länder Signale der anderen Seite jeweils missverstanden hätten. Die von der US-Regierung gesammelten Informationen zeigten, dass der Iran geglaubt habe, dass die USA einen Angriff beabsichtigten, und dass Teheran daraufhin Vorbereitungen für mögliche Gegenschläge getroffen habe. Das sei zumindest eine Interpretation der Informationen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf eingeweihte Kreise. Diese Sicht könne erklären, warum iranische Kräfte und ihre Verbündeten Maßnahmen ergriffen hätten, die wiederum als Bedrohung für US-Soldaten im Irak und anderswo wahrgenommen wurden, hieß es in dem Bericht weiter.

Trump warf den Medien am Freitag die Verbreitung von Falschnachrichten vor, was den Konflikt angeht. Dies schade dem Land und sei gefährlich. „Wenigstens weiß der Iran nicht, was er denken soll, was an diesem Punkt durchaus gut sein kann!“, schrieb er auf Twitter.

Der Iran will nach außen mit dem ganzen Säbelrasseln nicht viel zu tun haben. Teheran gehe es in erster Linie um die Umsetzung des Wiener Atomabkommens von 2015. „Nicht ein Wort mehr, nicht ein Wort weniger“, sagt Präsident Hassan Ruhani. Doch in Wahrheit steckt sein Land in der Zwickmühle. Die Wirtschaft ist am Boden, nicht alleine wegen der Wirkung der US-Sanktionen. Und auf politische Rückendeckung aus Europa ist nach dem Zerfall des Atomabkommens keineswegs Verlass. Letztlich geht es um den Machterhalt eines islamischen Systems.

Bei den Bürgern auf der Straße im Iran wird die Angst vor einem militärischen Konflikt mit den USA von der Wirtschaftskrise im Land überschattet. Wegen der amerikanischen Sanktionen hat die nationale Währung Rial gegenüber internationaler Devisen 60 Prozent an Wert verloren. „Wenn das Geld nicht mal mehr die Hälfte wert ist, dann denkt man nur ans Portemonnaie und nichts anderes“, sagt ein Bankier in Teheran.

Verhandlungen mit Trump will im Iran parteiübergreifend keiner. „Wer ein auch von den USA unterzeichnetes und von den UN anerkanntes Abkommen ignoriert, was soll man mit dem noch bereden“, fragt Außenminister Mohamed Dschawad Sarif. Man habe den Weg des Widerstands gewählt, heißt es aus Teheran. Wohl wissend, dass ein Krieg mit dem flächenmäßig riesigen und militärisch hochgerüsteten Iran ein politisch wie militärisch höchst fragwürdiges Unterfangen wäre. Sarif spricht von „politischem Harakiri“.

Ob allerdings die iranische Strategie, den Westen unter Druck zu setzen und ein Ultimatum zu stellen, aufgehen kann, scheint mehr als fraglich. Ruhani sollte sich nicht wundern, wenn das Ultimatum nach hinten losgeht und er dann auch die politische Unterstützung der fünf Länder verliert, die jetzt noch am Deal festhalten, sagt ein Politologe in Teheran.

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Erstellt:
17. Mai 2019, 16:28 Uhr

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