Letzte Chance für geständigen Uhrendieb

Ein 22-Jähriger, der mit einem Komplizen die Schaufenster von zwei Juweliergeschäften eingeworfen hat, darf auf eine Bewährungsstrafe hoffen.

Mit einem Gullydeckel haben die Angeklagten ein Loch in Schaufenster geschlagen. Symbolfoto: Nicky Pe/Pixabay

© Nicky Pe/Pixabay

Mit einem Gullydeckel haben die Angeklagten ein Loch in Schaufenster geschlagen. Symbolfoto: Nicky Pe/Pixabay

Von Kornelius Fritz

Backnang. Die beiden Einbrüche in Juweliergeschäfte in der Backnanger Innenstadt dauerten jeweils nur wenige Sekunden. Auf Bildern einer Überwachungskamera ist zu sehen, wie die beiden Täter einen schweren Gullydeckel in die Schaufensterscheibe werfen, durch das Loch in die Auslage greifen und Uhren und Schmuck mitnehmen. Wirklich wertvoll ist die Beute aber nicht: Auf 750 Euro im ersten und 1600 Euro im zweiten Fall beziffert die Staatsanwaltschaft den Gesamtwert. Der Schaden am Schaufenster ist in beiden Fällen höher.

Angeklagt für die beiden Blitzeinbrüche, die sich im November und Dezember 2020 ereignet haben, sind zwei junge Männer aus dem Raum Backnang. Zur Verhandlung am Amtsgericht in Waiblingen erschien gestern allerdings nur einer der beiden. Wo der zweite war, wusste auch dessen Anwalt nicht. Das Jugendschöffengericht beschloss daher, das Verfahren gegen ihn abzutrennen und Haftbefehl zu erlassen. Dem mutmaßlichen Mittäter wird also zu einem späteren Zeitpunkt der Prozess gemacht.

„Wir sind bekifft durch die Stadt gelaufen und haben überlegt, was wir machen könnten“

Der verbliebene Angeklagte, ein 22-jähriger Deutscher, legte gleich zu Beginn der Verhandlung ein Geständnis ab. An den Einbrüchen habe er sich beteiligt, um seine Drogensucht zu finanzieren, erklärte der junge Mann, der zurzeit arbeitslos ist. Zu den Straftaten sei es aber eher spontan gekommen: „Wir sind bekifft durch die Stadt gelaufen und haben überlegt, was wir machen könnten“, erzählte der 22-Jährige. Wobei er sich zur Frage, wer in den beiden Nächten sein Begleiter gewesen sei, nicht äußern wollte. Der abwesende Mitangeklagte sei es jedenfalls nicht gewesen.

Die Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen sprechen allerdings gegen die beiden. So belegt eine Funkzellenauswertung, dass sich die Handys der Angeklagten jeweils in Tatortnähe befanden und sie in einem Fall auch kurz nach der Tat miteinander telefoniert hatten. Beim zweiten Einbruch entdeckte die Polizei außerdem Fußspuren im frisch gefallenen Schnee, die vom Tatort direkt zur Wohnung des Mitangeklagten führten. Bei einer Durchsuchung fanden die Beamten dort am nächsten Tag auch einen Großteil der Beute. Auch bei dem 22-Jährigen wurden eine Uhr und eine Kette aus den Einbrüchen gefunden.

„Hopfen und Malz noch nicht verloren“

Wegen des Geständnisses musste sich das Gericht mit der Beweiskraft dieser Indizien aber nicht mehr im Detail beschäftigen. Wichtiger war die Frage, ob der Angeklagte, der zum Tatzeitpunkt noch unter 21 war und deshalb nach Jugendstrafrecht verurteilt wurde, mit einer Bewährungsstrafe davonkommt oder ins Gefängnis muss.

Ein unbeschriebenes Blatt ist der junge Mann nämlich nicht: Richter Martin Luippold verlas insgesamt sechs Einträge aus dem Bundeszentralregister, darunter eine Verurteilung wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und Vergewaltigung. Knapp drei Jahre hatte er dafür in einem Jugendgefängnis gesessen. Zum Zeitpunkt der Einbrüche war er erst seit fünf Monaten wieder auf freiem Fuß. Trotzdem plädierten sowohl die Staatsanwältin als auch der Verteidiger für eine Bewährungsstrafe. „Die Situation ist wackelig, aber noch ist Hopfen und Malz nicht verloren“, meinte Staatsanwältin Anja Neubauer. Neben dem Geständnis hielt sie dem Angeklagten zugute, dass er mittlerweile psychologische Hilfe in Anspruch nimmt, um seine Probleme in den Griff zu bekommen.

Das Jugendschöffengericht verurteilte den Angeklagten letztlich unter Berücksichtigung einer früheren Verurteilung zu einer Haftstrafe von 14 Monaten wegen besonders schweren Diebstahls und Sachbeschädigung. Die Frage, ob diese zur Bewährung ausgesetzt wird, ließ das Gericht offen. Während einer sechsmonatigen Vorbewährung muss der Verurteilte nun unter anderem fünf Termine bei der Suchtberatung wahrnehmen und zwei negative Drogenscreenings vorweisen. Erfüllt er alle Auflagen, kann die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden; wenn nicht, muss der 22-Jährige erneut ins Gefängnis.

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Erstellt:
31. August 2022, 11:30 Uhr

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