Lieber auf der Autobahn als im Büro
Von Montag bis Freitag ist die 31-jährige Nicole Instinsky kreuz und quer auf der Autobahn unterwegs. Sie genießt die Freiheit in ihrer Fahrerkabine. Ihr kleiner Stoffhund Chico, ein Geschenk ihrer Mutter, und ein kleiner Teddy begleiten sie.

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Ihr kleiner Teddy hat alles im Blick: Nicole Instinsky macht der Job als Fernfahrerin viel Spaß. Foto: T. Sellmaier
Von Simone Schneider-Seebeck
Burgstetten. Nicole Instinsky ist eine attraktive junge Frau. Sorgfältig lackierte Nägel, dezent geschminkt – sie achtet auf ihr Äußeres. Kaum vorstellbar, dass sie schon von Kindheit an davon geträumt hat, als Fernfahrerin ihre Brötchen zu verdienen. Langsam hat sie sich an ihren Traumberuf vorgetastet und zunächst bei einer Spedition im Büro gearbeitet.
Doch: „Mir hat im Büro einfach etwas gefehlt“, erklärt sie, warum sie lieber im Führerhaus als auf dem Bürostuhl sitzt. Da reichte es dann auch nicht aus, einen eigenen Fuhrpark zu disponieren, wie sie festgestellt hat. „Das war mir dann auch nichts.“ Den Lastwagenführerschein hat die 31-Jährige bereits vor sechs Jahren gemacht. „Wenn ich draußen Lkw gesehen habe, dachte ich: Ich will auch wieder fahren! Es hat mich schon jahrelang gereizt.“ Ihr Vater und ihr Bruder arbeiten als Fernfahrer, Letzterer ließ sie zwischendurch hin und wieder ans Steuer. Und schließlich hat sie beschlossen, es einfach eine Weile tatsächlich als Fernfahrerin zu versuchen. „Einfach nur um zu sehen, ob es was für mich ist“, erinnert sie sich. „Ich muss es ja nicht auf Dauer machen. Ich kann ja immer wieder zurück ins Büro.“
Mit Kusshand habe man sie genommen, lacht sie, am 28. Juni dieses Jahres hat sie angefangen. Und ist glücklich damit. Nachteile oder Vorurteile habe sie bisher in dieser Männerdomäne nicht erlebt, im Gegenteil: „Man bekommt viel Hilfe als Frau.“ Überhaupt seien die Kollegen untereinander sehr hilfsbereit, beispielsweise wenn es um manchmal enge Parkplätze auf Rastplätzen geht. „Da steigen viele aus und gucken mit“, hat sie erfahren. „Das ist nicht nur bei einer Frau so, das ist generell.“ Vor allem bei ausländischen Fahrern ist ihr das aufgefallen. Von Montag bis Freitag ist sie ununterbrochen unterwegs. Sie war bereits in Holland, in der Schweiz, Frankreich, Luxemburg, Belgien und natürlich innerhalb Deutschlands auf Achse. Von einem Lager geht es zum nächsten. Da muss man selbstverständlich entsprechend planen, um einen freien Platz zum Übernachten zu finden. Die Fahrerkabine ist gemütlich eingerichtet. Ihr kleiner Stoffhund Chico, ein Geschenk ihrer Mutter, und ein kleiner Teddy begleiten sie. Und wenn Nicole Instinsky abends auf dem Rastplatz steht oder beim Kunden wartet, bis fertig geladen ist, vertreibt sie sich die Zeit mit lesen oder Kreuzworträtsel lösen.
„Bisschen das Gehirn anstrengen, damit es nicht einschläft“, sagt sie. Einen Fernseher hat sie nicht, das möchte sie auch gar nicht. Schlafprobleme kennt sie nicht. „Wenn man einen guten Schlaf hat, bekommt man von draußen nichts mit. Und ich habe einen guten Schlaf“, erzählt sie. Damit ihr die Zeit hinterm Steuer nicht lang wird, hört sie am liebsten Musik – oder sie telefoniert mit ihrem Vater. Von ihm holt sie sich viele Tipps. Er fährt bereits seit 37 Jahren im Fernverkehr. „Da kann ich mir viel abgucken“, lacht sie. Vor allem ihr Bruder habe es „voll gefeiert“, dass sie sich nun auch entschlossen habe, den Familienberuf zu ergreifen. Die bisher schwierigste Situation, die sie zu meistern hatte, war ein schleichender platter Reifen gleich in der ersten Woche, in der sie allein gefahren ist. Doch sie konnte das Problem souverän meistern, auch dank der Erfahrung und fernmündlichen Hilfe ihres Bruders.
Freitags gibt es dann meistens eine Heimatrunde, von dort aus fährt die 31-Jährige dann ins heimatliche Burgstetten. Der Lastwagen steht so lange in Affalterbach. Was ihr an ihrem neuen Arbeitsplatz besonders gut gefällt? „Man hat seine Ruhe und man kommt rum. Man ist irgendwie sein eigener Chef.“ Die Zeit auf den Touren muss man sich selbst einteilen, das sei anfangs etwas schwierig gewesen: „Aber so langsam habe ich das raus.“ Was sie jedoch bedauert – es gibt einfach nicht genug Nachwuchs. Die Bezahlung sei mit ein Grund dafür. Der Grundlohn ist häufig gering, über die Spesen erhöht sich das Gehalt. Doch ist man einmal krank oder hat man Urlaub, dann fehlen die Spesen. Urlaubsgeld zahlt nicht jede Firma. Sie gibt auch zu bedenken, dass man nur im Urlaub die Möglichkeit hat, Arzttermine oder Ähnliches wahrzunehmen oder das ein oder andere zu regeln, da man unter der Woche ja immer unterwegs sei. Ihrer Ansicht nach können dafür jedoch nicht unbedingt die Speditionen verantwortlich gemacht werden. Denn auch diese müssen ihre Fahrten entsprechend kalkulieren, um Aufträge zu bekommen. Da steht die Industrie mit in der Verantwortung und schlussendlich auch der Endverbraucher.
Am Wochenende zu Hause wird dann erst mal Wäsche gewaschen, aufgeräumt, ausgeräumt, alles für die nächste Arbeitswoche vorbereitet und, ganz wichtig, der Oma stattet Nicole Instinsky auch immer einen Besuch ab. Bis es dann am Montagmorgen um vier Uhr wieder heißt: On the road again.
Die bisher schwierigste Situation, die sie zu meistern hatte, war ein schleichender platter Reifen.