Lieferdienste

Lieferando baut rund 2.000 Fahrerstellen ab

Lieferando reduziert seine Flotte in Deutschland um fast ein Fünftel. Außerdem will die Plattform stärker mit Subunternehmen kooperieren. Man müsse im knallharten Wettbewerb bestehen, sagt der Chef.

Der Lieferdienst Lieferando reduziert seine Fahrerflotte in Deutschland um rund ein Fünftel. (Archivbild)

© Sebastian Gollnow/dpa

Der Lieferdienst Lieferando reduziert seine Fahrerflotte in Deutschland um rund ein Fünftel. (Archivbild)

Von Von Matthias Arnold, dpa

Berlin/Hamburg - Der Essens-Lieferdienst Lieferando will ab dem Jahresende bundesweit rund 2.000 Fahrerinnen und Fahrer entlassen, viele davon in Hamburg. Das entspreche rund 20 Prozent der gesamten Flotte, teilte Lieferando mit. Grund sei, dass die Plattform bei der Auslieferung auf der sogenannten letzten Meile künftig stärker mit Subunternehmen zusammenarbeiten werde. Arbeitnehmervertreter äußerten sich entsetzt. 

"Die Wettbewerbslandschaft und der Markt ändern sich immer rasanter und tiefgreifender", sagte Deutschlandchef Lennard Neubauer der Deutschen Presse-Agentur. "Kunden erwarten zuverlässigen Service und kurze Bestellzeiten." Mancherorts könne dies mit den derzeitigen Strukturen nicht ausreichend sichergestellt werden. 

Hamburg besonders betroffen

Insbesondere in kleineren Märkten, etwa Wiesbaden, Lübeck oder Bochum, werde Lieferando künftig deshalb mit spezialisierten Logistik-Unternehmen zusammenarbeiten, die die Auslieferung mit eigenen Fahrerinnen und Fahrern übernähmen, sagte Neubauer weiter. Auch in Hamburg gehe Lieferando diesen Weg. Aufgrund ihrer Größe werde der Stellenabbau die Hansestadt besonders stark treffen. 

Über die Maßnahmen sollte am Nachmittag der Gesamtbetriebsrat informiert werden. "Die Verhandlungen über einen Sozialplan sollen bei der Schwestergesellschaft so schnell wie möglich beginnen", betonte Neubauer. Ziel sei, den Prozess bis zum Ende des Jahres, spätestens im ersten Quartal 2026 abzuschließen. Der Gesamtbetriebsrat äußerte sich am Abend enttäuscht über die späte Information. 

Rider bisher bei eigener Tochter angestellt

Lieferando gehört zum niederländischen Lieferdienst Just Eat Take Away. Das Geschäft in Deutschland wird von der Tochter Lieferando Marktplatz Gesellschaft geführt. Die Fahrerinnen und Fahrer waren über eine weitere Tochter, Takeaway Express, bisher fast ausschließlich fest beim Unternehmen angestellt. 

Das soll auch künftig für die meisten Fahrer so bleiben. Rund fünf Prozent des Liefervolumens werde indes an spezialisierte Drittanbieter ausgelagert, hieß es. Das Konzept wurde bereits in Berlin mit einem Subunternehmen getestet. Auch in der Hauptstadt soll das in einigen Bezirken weiter so umgesetzt werden.

"Das ist so ziemlich die wichtigste Komponente der ganzen Geschichte: Die Kriterien der Flottenpartner, mit denen wir zusammenkommen wollen", sagte Neubauer. Es laufe ein strenger Auswahlprozess, um zu gewährleisten, dass die Rider dort fest angestellt sind und entsprechend bezahlt werden. 

Der Gesamtbetriebsrat kritisierte, es sei in der Praxis kaum zu kontrollieren, ob sich die Subunternehmen an Recht und Gesetz hielten. "Von solchen Subunternehmen in der Lieferdienstbranche, auf die Lieferando die Verantwortung für seine Beschäftigten nun abschieben will, häufen sich Berichte über eklatante Rechtsverstöße." Das Gremium sprach von einem "Sumpf aus Subunternehmen" und appellierte an die Politik zu handeln. 

Scheinselbstständigkeit in der Branche ein großes Problem

Lieferando verweist darauf, dass die Zusammenarbeit mit Subunternehmen im Markt gängige Praxis sei. Tatsächlich gehen auch Wettbewerber wie Uber Eats und Wolt so vor. Wolt betont, dass bei den eigenen Partnerunternehmen die Fahrerinnen und Fahrer stets direkt angestellt sind. Doch das ist nicht bei allen Wettbewerbern der Fall. 

Arbeitnehmervertreter kritisieren daher im Lieferdienst-Sektor ausbeuterische Verhältnisse und weit verbreitete Scheinselbstständigkeit. Das Problem ist EU-weit so groß, dass die EU-Kommission eine Plattformrichtlinie erlassen hat, um Scheinselbstständigkeit im Plattformgeschäft zu unterbinden. Diese muss auf nationaler Ebene noch umgesetzt werden.

Dass Lieferando die Fahrer meist direkt beschäftigt hat, stieß daher auf Zuspruch bei Arbeitnehmervertretern. Entsprechend groß ist nun die Empörung. "Wir sind fassungslos, das ist eine absolute Katastrophe", sagte Mark Baumeister, Referatsleiter Gastgewerbe bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), der dpa. "Lieferando gibt die Verantwortung für Beschäftigte ab, das können wir nicht gutheißen. Wir sehen das als einen Angriff auf Mitbestimmung und Beschäftigtenstrukturen bei Lieferando."

Baumeister sendete einen Appell an die Politik. Diese müsse handeln, um solche Geschäftsmodelle in Zukunft zu unterbinden. "Wir brauchen definitiv das Gebot der Festanstellung wie in der Fleischindustrie."

Die NGG kämpft bereits seit Jahren um einen Tarifvertrag für die Lieferando-Beschäftigten und einen Mindestlohn von 15 Euro pro Stunde. Erst kürzlich rief die Gewerkschaft deshalb erneut zu Warnstreiks in Hamburg auf. Mit der Auslagerung eines Teils des Liefergeschäfts an Drittunternehmen dürfte es die Gewerkschaft deutlich schwerer haben, für einheitliche Beschäftigungsverhältnisse zu sorgen. 

Bisher waren die Rider bei Lieferando fest angestellt - nun will das Unternehmen auch auf Subunternehmen setzen. (Archivbild)

© Monika Skolimowska/dpa

Bisher waren die Rider bei Lieferando fest angestellt - nun will das Unternehmen auch auf Subunternehmen setzen. (Archivbild)

Die Gewerkschaft NGG kämpt seit Jahren für einen Tarifvertrag und einen Mindestlohn bei Lieferando.(Archivbild)

© Robert Michael/dpa

Die Gewerkschaft NGG kämpt seit Jahren für einen Tarifvertrag und einen Mindestlohn bei Lieferando.(Archivbild)

Auch Wolt und andere Wettbewerber setzen auf Subunternehmen bei der Auslieferung. (Archivbild)

© Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa

Auch Wolt und andere Wettbewerber setzen auf Subunternehmen bei der Auslieferung. (Archivbild)

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Erstellt:
17. Juli 2025, 16:14 Uhr
Aktualisiert:
17. Juli 2025, 23:26 Uhr

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