Neue Umfrage
Linke vor Grünen: Wenn sich der Zeitgeist wendet
Zum ersten Mal seit Langem liegt die Linke in einer Umfrage vor den Grünen. Dieser Trend könnte sich fortsetzen, meint Hauptstadtkorrespondentin Rebekka Wiese.

© Hannes P. Albert/dpa
Die Grünen haben noch immer keine Strategie gegen das Umfragetief gefunden.
Von Rebekka Wiese
Es ist nur eine Umfrage, nur ein Prozentpunkt. Dennoch ist es mehr als das: ein Trend. Zum ersten Mal seit sieben Jahren liegt die Linkspartei vor den Grünen. Bei der aktuellen Insa-Umfrage gaben 11 Prozent der Befragten an, dass sie für die Linke stimmen würden, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre. Für die Grünen entschieden sich in der Umfrage nur 10 Prozent.
Es ist eine Entwicklung, die schon im Wahlkampf einsetzte. Im Januar gewann die Linke plötzlich dazu – vor allem auf Kosten der Grünen. Das erzählt nicht nur etwas über den Zustand der Gesellschaft. Dies zeigt auch, dass die Grünen auf diese neue Wirklichkeit noch keine Antworten gefunden haben.
Neue Zeiten, andere Themen
Dass die Grünen vor einigen Jahren in den Umfragen ganz weit vorn lagen, hatten sie auch dem Zeitgeist zu verdanken – und der Klimabewegung, die in dieser Zeit entstand. Doch auch wenn die Klimakrise geblieben ist: Nach Pandemie, Krieg und Wirtschaftsflaute erscheinen vielen Menschen andere Themen wichtiger. Die Frage der sozialen Gerechtigkeit, seit je ein Kernthema der Linken, ist aktuell wie lange nicht. Und die Linke hat ein gutes Gespür für Social-Media-Plattformen. Wobei ihr auch helfen dürfte, dass sie keine Polarisierung scheut – und auf Bundesebene noch nie regiert hat.
Die Grünen wirken daneben wie erstarrt. Auch weil sie nicht wissen, wohin sie sich nun wenden sollen. Ihrer linken Wählerschaft zufolge wollen sie zu wenig, den Konservativen zu viel. Vor allem gelingt es den Grünen nicht, eigene Themen zu setzen, auf die neuen Fragen der Zeit zu reagieren. Wenn sie über Rente oder Mieten zu sprechen, wirkt das fast schräg. Man traut ihnen hier nur wenig zu.
Für die Grünen geht es jetzt nicht einfach darum, einen Prozentpunkt zurückzugewinnen. Sie müssen versuchen, den Trend umzukehren. Doch noch fehlt ihnen die Strategie. Auf den Zeitgeist sollten sie sich nicht mehr verlassen.