Loveparade-Prozess eingestellt

dpa Düsseldorf. 21 Tote, 650 Verletzte: Vor knapp zehn Jahren endete die Loveparade in Duisburg in einer Katastrophe. Nun wurde das Strafverfahren eingestellt - der Mammutprozess endet ohne Urteil.

Die Gedenkstelle für die Opfer der Loveparade 2010 in Duisburg. Foto: Bernd Thissen/dpa

Die Gedenkstelle für die Opfer der Loveparade 2010 in Duisburg. Foto: Bernd Thissen/dpa

Der Strafprozess um das Unglück bei der Loveparade 2010 mit 21 Toten ist ohne Urteil zu Ende gegangen. Das Landgericht Duisburg stellte das Verfahren wegen vermutlich geringer Schuld der drei Angeklagten ein.

Eines der aufwendigsten Strafverfahren der Nachkriegszeit endete damit nach knapp zweieinhalb Jahren und 184 Sitzungstagen. Vorangegangen war eine zweimonatige coronabedingte Unterbrechung. Anwälte von Nebenklägern und ein Verteidiger kritisierten die Einstellung.

In dem Prozess ging es um die tödlichen Verletzungen von 21 jungen Menschen bei einem Gedränge auf der Loveparade in Duisburg im Juli 2010. Mehr als 650 Menschen wurden verletzt. Einige leiden bis heute unter den Folgen. Wegen der vielen Verfahrensbeteiligten war in einem großen Saal des Kongresszentrums Düsseldorf verhandelt worden.

Zuletzt hatten noch drei leitende Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent auf der Anklagebank gesessen. Sie sind mittlerweile 43, 60 und 67 Jahre alt. Die Verfahren gegen sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und einen weiteren Lopavent-Mitarbeiter waren bereits vor über einem Jahr eingestellt worden, ebenfalls ohne Auflagen. Die Anklage lautete auf fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung. Der Vorwurf der fahrlässigen Tötung wäre Ende Juli verjährt.

Eine mögliche individuelle Schuld der Angeklagten an der Katastrophe sei als gering anzusehen, stellte das Gericht fest. Zwar sah es bei den Angeklagten „schwere Planungsfehler“. Die Handlungen der Angeklagten hätten die schrecklichen Geschehnisse jedoch nicht allein, „sondern erst im Zusammenwirken mit einer Vielzahl anderer Umstände möglich gemacht“. Die Angeklagten hätten sich in der Planungsphase darum bemüht, eine für die Besucher sichere Veranstaltung zu organisieren. Bei der Entscheidung für eine Einstellung sei auch berücksichtigt worden, dass die Angeklagten durch die lange Verfahrensdauer Belastungen ausgesetzt gewesen seien.

Das Gericht begründete seinen Beschluss ausführlich und ging vor allem auf das Zustandekommen der Katastrophe ein. Eine Vielzahl von Umständen habe zu dem Gedränge mit dem tödlichen Verlauf geführt. Als wesentliche Ursachen für das Unglück nannte es zum einen den Veranstaltungsort, der für das Konzept und die Besuchermengen nicht geeignet gewesen sei. „Die Vereinzelungsanlagen und Schleusen waren nicht auf die erwartenden Personenmengen ausgerichtet. Zäune führten zu zusätzlichen Engstellen“, sagte Richter Mario Plein. „Der Stau vor den Vereinzelungsanlagen war absehbar.“ Kommunikationsprobleme hätten die Situation verschärft: Krisengespräche von Polizei und Feuerwehr seien ohne die Veranstalterin geführt worden. Die Steuerung der Personenströme sei unkoordiniert gewesen.

„Unpassende Anordnungen“ der Polizei hätten die Probleme verschärft. Der Funkverkehr der Polizei sei erheblich gestört gewesen. Die Polizei habe ihre zugesagte Unterstützung bei der Schließung der überlasteten Zugänge nicht erbracht, weil ihre Kräfte anderweitig gebunden gewesen seien. Im Bereich der Hauptzugangsrampe seien die Ströme schließlich zum Stillstand gekommen. Um 16.30 Uhr sei die Stimmung gekippt und eine lebensbedrohliche Lage mit Wellenbewegungen entstanden.

Das Unglück hätte auch am Veranstaltungstag noch verhindert oder zumindest in den Folgen abgemildert werden können. Das Gericht nannte als Maßnahmen etwa eine zwischen Veranstalter und Polizei abgestimmte Steuerung der Personenströme, zeitweise Schließungen von Vorsperren oder verstärkten Einsatz von Ordnern, um Personen von der Rampe weg zu leiten. Auch ein vorübergehendes Anhalten der Musikwagen auf der Paradestrecke wäre möglich gewesen.

„Den großen Bösewicht haben wir nicht gefunden. Es war eine Katastrophe ohne Bösewicht“, sagte Plein. Leute hätten Fehler gemacht, obwohl sie ihr Bestes gegeben hätten, ja sogar ihre eigenen Kinder zum Techno-Spektakel ließen. „Ich hoffe sehr, dass Sie im Laufe der Zeit damit leben können und Ruhe finden“, sagte Plein zu einer Hinterbliebenen, die als einzige Nebenklägerin zum letzten Prozesstag gekommen war.

„Dies ist ein schlechter Tag für die Justiz“, kritisierte Nebenklage-Anwalt Julius Reiter den Einstellungsbeschluss. „Die Art und Weise der Beendigung unter Abwesenheit des Sachverständigen, den wir nicht befragen konnten, ist ein unwürdiges Ende des Prozess.“ Verteidiger Volker Römermann kritisierte dagegen, dass seinem Mandanten durch die Einstellung ein fairer „Abschluss des Verfahrens durch einen Freispruch verwehrt“ worden sei.

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Erstellt:
4. Mai 2020, 09:49 Uhr

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