Maas fordert von der Türkei Ende der Provokationen

dpa Nikosia. Seit Wochen versucht Deutschland, im Streit der EU-Partner Griechenland und Zypern mit der Türkei zu vermitteln. Außenminister Maas reist deswegen zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit in die Region. Eine Vermittlungsreise ist es diesmal aber nicht.

Warnt die Türkei vor weiteren Provokationen gegenüber Griechenland und Zypern: Bundesaußenminister Heiko Maas. Foto: Michael Kappeler/dpa

Warnt die Türkei vor weiteren Provokationen gegenüber Griechenland und Zypern: Bundesaußenminister Heiko Maas. Foto: Michael Kappeler/dpa

Bundesaußenminister Heiko Maas hat die Türkei eindringlich aufgefordert, Provokationen gegenüber den EU-Staaten Griechenland und Zypern zu unterlassen.

„Das Wechselspiel der Türkei zwischen Eskalation und Entspannungspolitik, das muss jetzt aufhören“, sagte Maas am Dienstag bei einem Besuch in der zyprischen Hauptstadt Nikosia. Die erneute Entsendung des türkischen Forschungsschiffs „Oruc Reis“ zur Erdgas-Erkundung vor der griechischen Mittelmeerinsel Kastelorizo sei „das Gegenteil einer vertrauensbildenden Maßnahme“.

Sollte es tatsächlich zu neuen Explorationen kommen, wäre das ein „herber Rückschlag“ für die Bemühungen um Deeskalation und auch für die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei, betonte der Außenminister, der nach einem kurzen Aufenthalt in Zypern auch die griechische Hauptstadt Athen besuchte. „Deutschland und die Europäische Union stehen solidarisch an der Seite Zyperns und an der Seite Griechenlands.“ Maas drohte der Türkei zwar nicht offen mit Sanktionen, verwies aber auf einen EU-Beschluss, der Strafmaßnahmen als Option vorsieht.

Unmittelbar vor der Reise hatte die Türkei am Montag angekündigt, das Forschungsschiff „Oruc Reis“ erneut zu seismischen Bodenuntersuchungen in die umstrittenen Gewässer südlich von Kastelorizo zu schicken. Ankara argumentiert, dass das Gebiet zum Festlandsockel der Türkei gehöre.

Einen ähnlichen Konflikt gibt es um die Insel Zypern, vor deren Küste schon reiche Erdgasvorkommen entdeckt wurden. Der Streit war im August eskaliert, hatte sich dann zwischenzeitlich aber wieder etwas entspannt.

Deutschland versucht seit Wochen zu vermitteln. Maas hatte bereits Ende August Athen und Ankara besucht und dabei eindringlich darauf hingewiesen, wie gefährlich die Lage sei. Der Streit habe sich zu einem „Spiel mit dem Feuer“ entwickelt, sagte er damals.

Diesmal verzichtete Maas kurzfristig auf einen Besuch in der türkischen Hauptstadt und legte damit zumindest vorübergehend auch die deutsche Vermittlerrolle ab. Er habe angesichts der aktuellen Lage „ganz bewusst“ nur Athen und Nikosia besucht, sagte er. Es liege nun an der Türkei, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Gespräche mit den anderen beiden Streitparteien erfolgreich sein könnten. „Das geht nur ohne einseitige Provokationen.“

Mit Provokationen meint Maas auch eine Aktion im türkisch kontrollierten Nordzypern in der vergangenen Woche. Dort wurde am Donnerstag ein Strandabschnitt in Famagusta nach mehr als 40 Jahren teilweise geöffnet, der seit der Teilung der Insel 1974 unbewohntes militärisches Sperrgebiet ist. Dies sei „ein völlig unnötiger und provokativer Schritt, der im Widerspruch zu den laufenden Bemühungen um Entspannung auch in dieser Frage zu verstehen ist“, sagte Maas. „Wir verstehen deshalb auch den tiefen Frust über die einseitigen Schritte der Türkei, die wir in den letzten Tagen mitverfolgen mussten.“

Beim EU-Gipfel Anfang Oktober hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch für ein konstruktives Verhältnis zur Türkei geworben und auf scharfe Ansagen in Richtung Ankara verzichtet. Mit der erneuten Entsendung der „Oruc Reis“ hat die Geduld der Bundesregierung mit dem Nato-Partner Türkei nun offensichtlich ein Ende. „Die Halbwertzeit von Zusagen muss länger als zwei Tage sein“, sagte Maas.

Die EU will sich spätestens im Dezember erneut mit dem Streit im östlichen Mittelmeer befassen. Er könnte aber auch schon beim bevorstehenden Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag Thema werden. Zypern und Griechenland dringen schon lange auf Strafmaßnahmen gegen Ankara.

Der zyprische Außenminister Nikos Christodoulidis erklärte, Ankara habe offenbar beschlossen, die Spannungen mit Zypern und Griechenland aufrecht zu erhalten. Die Zyprer warteten nun auf die Reaktion der EU. Der griechische Außenminister Nikos Dendias forderte die Europäische Union direkt auf, sich mit Sanktionen zu befassen. Die Türkei zeige mit ihrem Verhalten, dass sie den Dialog zur Überwindung der Streitigkeiten um Energievorkommen im östlichen Mittelmeer nicht wirklich wolle, sondern vielmehr torpediere, sagte er.

In Ankara war am Dienstag die schwedische Außenministerin Ann Linde zu Gast und traf ihren türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu. Der wies die Vorwürfe aus der EU zurück. Solidarität innerhalb der EU sei wichtig, aber nicht, wenn sie ungerecht sei, sagte er. Nie werde Griechenland gerügt. „Eben diese Doppelmoral fechten wir an, das sage ich ganz ehrlich.“

© dpa-infocom, dpa:201013-99-927756/7

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Erstellt:
13. Oktober 2020, 14:29 Uhr

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