Deutsche Bahn
Machtkampf überschattet Neustart
Die Gewerkschaft EVG lehnt die Wunschkandidaten von Verkehrsminister Schnieder und der Regierung ab. Die Berufung von Palla und Rompf ist fraglich.

© AFP/TOBIAS SCHWARZ
Verkehrsminister Patrick Schnieder (rechts) mit Evelyn Palla und Dirk Rompf während der Vorstellung
Von dpa
Erstmals seit der Bahnreform 1994 gibt es offenen Streit um die Neubesetzung der Chefposten bei der Deutschen Bahn. Die einflussreiche EVG will bei der Aufsichtsratssitzung der DB AG an diesem Dienstag gegen die Berufung von Evelyn Palla zur neuen Vorstandsvorsitzenden des Staatskonzerns stimmen. Das kündigte der EVG-Gewerkschaftschef und SPD-Verkehrspolitiker Martin Burkert bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz an.
Berufung des früheren DB-Vorstand Dirk Rompf lehnt die EVG strikt ab
Nur wenige Stunden zuvor hatte Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) den Medien die 51-jährige Südtirolerin, die bisher den Regionalverkehr der DB leitet, als seine Wunschkandidatin für den scheidenden Konzernchef Richard Lutz vorgestellt. Zudem präsentierte der Minister den Verkehrsberater und früheren DB-Vorstand Dirk Rompf als designierten neuen Chef der DB Infra-Go AG.
Dessen Berufung lehnt die EVG strikt ab mit der Begründung, dass in dessen Amtszeit das Schienennetz stark vernachlässigt worden sei. „Der Weg nach vorn kann niemals durch die Vergangenheit führen“, sagte Burkert, der auch Vizechef des DB-Aufsichtsrats ist, der von Ex-Staatssekretär Werner Gatzer (SPD) geleitet wird. Bis Redaktionsschluss blieb offen, ob die Berufung von Palla an die Holdingspitze am Widerstand der EVG scheitert. Die Gewerkschaft kontrolliert knapp die Hälfte der Sitze im Holding-Aufsichtsrat, der sich am Dienstag und Mittwoch zur Klausurtagung trifft. Man kläre derzeit noch, ob für die Berufung eine Zweidrittel-Mehrheit nötig sei, sagte ein EVG-Sprecher unserer Redaktion.
In diesem Fall könnte der Bund als Eigentümer seine Wunschkandidatin nicht gegen die Arbeitnehmerbank durchsetzen. Das könnte auch Streit in der Koalition auslösen, zumal Kanzler Friedrich Merz (CDU) sowie Finanzminister und SPD-Chef Lars Klingbeil dem Vernehmen nach in die Entscheidung zur neuen DB-Spitze eingebunden waren.
Burkert betont, dass sich die Ablehnung nicht gegen Palla, sondern allein gegen Rompf richte, der sechs Jahre für die Infrastruktur verantwortlich gewesen sei und mit seinem „Sparwahn“ Mitschuld an der heutigen Lage trage. Der designierten DB-Chefin sei der Manager von Schnieder aufgedrückt worden, das beschere ihr einen Fehlstart. Laut Aktienrecht könne der künftige Vorsitzende der DB Infra-Go AG nur von deren Aufsichtsrat bestellt werden, der später tagt und in dem die Gewerkschaften ebenfalls paritätisch mitbestimmen.
Die ICE-Flotte soll zumindest wieder 70 Prozent Pünktlichkeit schaffen
Der Machtkampf zwischen dem Bund und der EVG überschattet den geplanten Neustart bei der Bahn. Schnieder will die Bahn mit seiner „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene“ nach vorne bringen. Das rund 30-seitige Papier sieht Strukturreformen und neues Personal beim DB-Konzern sowie verstärktes Engagement des Bundes für den Schienenverkehr vor. Eine konkrete Zielvorgabe: Die ICE-Flotte soll zumindest wieder 70 Prozent Pünktlichkeit schaffen, allerdings erst bis 2029 und nicht wie bisher geplant schon im nächsten Jahr.
Bei der Vorstellung der Agenda und der Wunschkandidaten erklärte Schnieder, es brauche einen langen Atem auf dem Weg zu besserem Schienenverkehr. In diesem Sommer habe die Pünktlichkeit im Fernverkehr erstmals an drei Tagen in Folge unter 40 Prozent gelegen. Die bisherige Sanierung habe „keinen nachhaltigen Erfolg erzielt“.
„Wir räumen auf!“
Gleichwohl dankte Schnieder dem bisherigen DB-Chef Lutz für seine Arbeit. Dessen Vertrag läuft noch bis 2027, bei vorzeitiger Ablösung sind bis zu zwei Jahresgehälter fällig. 2024 verdiente Lutz rund 2,1 Millionen Euro inklusive hoher Erfolgsprämien. Seine designierte Nachfolgerin kündigte eine neue Ära im Schienenverkehr an: „Dies ist der Tag des Neuanfangs. Wir räumen auf.“ Allerdings werde die Sanierung der Eisenbahn-Infrastruktur ein Marathon. Der DB-Holdingvorstand soll laut Schnieder von acht auf sechs Mitglieder verkleinert werden, die bisherige Technikvorständin Daniela Gerd Tom Markotten sowie Infrastrukturvorstand Berthold Huber werden demnach den Konzern verlassen. Auch der Vorstand der Infra-Go soll von acht auf sechs Mitglieder schrumpfen, der bisherige Chef Philipp Nagl weichen, aber im Konzern bleiben.
Eine Taskforce der Branche soll rasch Vorschläge erarbeiten
Die Agenda sieht drei „Sofortprogramme“ vor für mehr Sicherheit und Sauberkeit an Bahnhöfen, bessere Kundenkommunikation und mehr Komfort in Fernzügen. Eine Taskforce der Branche soll rasch Vorschläge für mehr Zuverlässigkeit der Bahn erarbeiten, der Wettbewerb auf der Schiene soll fairer werden. Die Verbände Mofair und Güterbahnen kritisieren die Agenda als unzureichend. Die Allianz pro Schiene, der Bundesverband Schienen-Nahverkehr und der Verband der Bahnindustrie in Deutschland begrüßten dagegen, dass der Verkehrsminister die lang erwarteten Eckpunkte für besseren Bahnverkehr vorgelegt hat. Der erste Schritt zu klareren Verantwortlichkeiten und Rollen sei damit getan.