Meditationseinlage im Spendertreiben

Auf das Abarbeiten eines Fragebogens, Fieber-, Blutdruck- und Hämoglobinwertmessen folgt eine Ärztin, die genau nachhakt. Sie ist auch diejenige, die Blutdruck und Puls dazu bringt, sich wieder in geordnete Bahnen zu begeben. Gut für den Erstspendendurchlauf.

Die eigentliche Blutspende geht vergleichsweise schnell. Damit der Lebenssaft besser in den Beutel fließt, hilft die Spenderin, indem sie immer wieder eine Mullbinde mit der Hand zusammendrückt. Fotos: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Die eigentliche Blutspende geht vergleichsweise schnell. Damit der Lebenssaft besser in den Beutel fließt, hilft die Spenderin, indem sie immer wieder eine Mullbinde mit der Hand zusammendrückt. Fotos: J. Fiedler

Von Christine Schick

Murrhardt. Immer mal wieder ploppt die Idee auf – eigentlich wäre es doch gut, zur Blutspende zu gehen. Erst neulich hat der Kollege Bernhard Romanowski geschrieben, dass der Blutkonservenvorrat zurzeit etwas knapper wird, da Urlaubszeit ist und gleichzeitig mehr verschobene Operationen nachgeholt werden (wir berichteten). Freitags, der klassische Termin, an dem Spendenaktionen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Murrhardt laufen, ist im Redaktionsalltag allerdings wenig Zeit. Und bei einem ersten Mal ist sicher etwas mehr Puffer notwendig. Puffer, der einem fehlt, um einen Bericht zu schreiben. Aber warum nicht einfach beides verbinden? Der Plan, als Erstspenderin vom Prozedere zu berichten, ist also gefasst und das DRK informiert.

Stehe zu meinem online vergebenen Termin am Eingang der Festhalle bereit. Der erste Schritt kommt mir rein beruflich gesehen bekannt vor: Unterlagen durcharbeiten. Es gilt, den Blutspenderfragebogen durchzulesen und Zutreffendes anzukreuzen. Bei ein paar Punkten bin ich allerdings nicht ganz so sicher. Ist Impfung auch eine Coronaimpfung? Wie sieht es mit einer Erkrankung aus, die schon rund 20 Jahre zurückliegt? Wird sich vermutlich im Arztgespräch klären. Leichter fällt die Einschätzung beim vertraulichen Selbstausschluss. Über diesen lässt sich die Spende anonym von der Verwendbarkeit ausschließen, weil ein Risiko zur Übertragung von Infektionskrankheiten besteht, der Spender dies aber nicht öffentlich machen möchte, beispielsweise weil er von Bekannten oder Verwandten begleitet wird.

Frauen können maximal viermal im Jahr, Männer sechsmal spenden.

© Jörg Fiedler

Frauen können maximal viermal im Jahr, Männer sechsmal spenden.

Dann komme ich zur zweiten Station, an der Katharina Dederer übernimmt. Die Krankenschwester vom DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg/Hessen nimmt sich Zeit, um alles Wichtige zu erläutern, und steht für Fragen bereit. Es wird Temperatur gemessen, bis 37,5 Grad liegt man im Toleranzbereich, ansonsten ist keine Spende möglich. Dann gibt es einen Piks in den Mittelfinger, um den Hämoglobinwert des Blutes zu bestimmen. Auch hier bestehen Normwerte. Bei Frauen sollte er zwischen 12,5 und 16,5 liegen, bei Männern zwischen 13,5 und 18,5. Liege mit 15,3 also im grünen Bereich. Beim Blutdruck und Puls rechnet Katharina Dederer mit ein, dass es die Erstspende und keine völlig entspannte Situation ist. Die für eine normale Lage zu hohen Werte wecken aber den Ehrgeiz der Ärztin, in deren Paraventecke nun auch die Ergebnisse des Fragebogens besprochen werden. Das Display ihres Blutdruckmessgeräts ist größer, die Zahlen sind von Weitem lesbar. Sie schüttelt den Kopf, ist nicht zufrieden. Noch nicht. Nachdem auch die medizinischen Fragen abgeklärt sind, sagt sie: „Wir messen noch mal. Versuchen Sie, ganz entspannt, ruhig zu werden. Ein bisschen so, als würden sie meditieren.“ Na gut. Meine Meditationserfahrung ist zwar mehr als überschaubar, aber ich schließe die Augen und lasse das Blutspendertreiben selbiges sein. Mein Glaube an die kleine Intervention ist ebenfalls überschaubar, aber überraschenderweise funktioniert sie.

Bei Kreislaufproblemen wird abgebrochen, das kommt ab und zu vor

Die Ärztin nickt. „Gut.“ Die Werte stimmen sie zufrieden und es geht zur eigentlichen Spende. An den Liegen steht Katharina Dederer. Nehme als Rechtshänderin eine, um am linken Arm abzapfen zu lassen. Routiniert führt die 23-Jährige die Nadel in die Vene und fixiert sie mit Klebebändern. Erst wird noch eine Portion für Untersuchungen abgenommen. „Es wird ein großes Blutbild gemacht“, sagt sie. Zudem wird auf Hepatitis, HIV und Infektionskrankheiten untersucht. „Gibt es einen pathologischen Befund, bekommt der Spender Bescheid.“ Ein weiteres Argument, hier dabei zu sein.

Als die Röhrchen beklebt sind, schließt die Mitarbeiterin den Beutel an, der ab und zu hin- und herschwenkt. „Fühlen Sie sich gut?“, fragt Katharina Dederer. „Ja!“ Sollte der Kreislauf sich in irgendeiner Weise negativ bemerkbar machen, bittet sie Signal zu geben. Das ist nicht der Fall, aber was wäre, wenn man abbrechen müsste? Zielmarke ist, einen halben Liter zu spenden, aber auch wenn die Hälfte geschafft ist, kann das DRK-Team das Blut verwenden, sollte sich der Spender schlecht fühlen und unterbrechen müssen. „Das kommt schon ab und zu vor.“ Ist es allerdings weniger als ein Viertelliter, steht der Aufwand nicht mehr im Verhältnis.

Damit das Blut auch entschlossen in Richtung Beutel fließt, heißt es, eine Mullbinde immer mal wieder mit der linken Hand zu kneten. Katharina Dederer wechselt zu einer Frau neben mir, die sich erkundigt, ob vor dem Hintergrund von Corona die Spendenlage schwieriger sei. Die Krankenschwester räumt ein, dass es abhängig von der Kommune sei. Gebe es keine größeren Räumlichkeiten, könne schon mal ein bisheriger Spendenort wegfallen, aber mit der Online-Terminvergabe habe man bisher gute Erfahrung gemacht. „Das ist für uns sogar besser planbar“, sagt sie. Nach gefühlt wenigen Minuten fängt die Maschinerie neben mir an, deutlich zu piepsen, was so viel heißt wie: Der halbe Liter ist komplett. Ich bekomme einen kleinen Verband an der Einstichstelle – zur Sicherheit, weil die Spender nicht mehr zum Essen bleiben und sich so durchgeblutete Pflaster nicht mehr selbstverständlich erneuern lassen. Ein paar Minuten soll ich noch liegen bleiben. Katharina Dederer besorgt mir noch etwas zu trinken. Meine Spende bringt sie zu den vorgesehenen Behältern, auch die großen Kühlboxen für den späteren Transport stehen bereit. Die Spenden werden in den kommenden zwei Wochen verwendet. „Sie sollten heute Anstrengungen vermeiden und nach der Spende nicht Auto fahren“, meint meine medizinische Begleiterin. Auch von einem Abendschoppen rät sie ab. „Manche erzählen mir, dass sie nach der Spende angenehm müde sind und in der Nacht dann besonders gut schlafen können“, sagt die Krankenschwester.

Wie kam die 23-Jährige eigentlich zum DRK-Blutspendedienst? Nach ihrer Ausbildung hat sie zunächst weiter in der Klinik gearbeitet, aber da sie mittlerweile ein Psychologiestudium aufgenommen hat, hat sie nach einer gut planbaren 50-Prozent-Stelle gesucht und sie beim DRK-Blutspendedienst gefunden. Kein Wunder, dass ich mich so gut betreut gefühlt habe. Zum Abschluss gibt es noch ein Lunchpaketchen, mit dem ich von dannen ziehen kann.

In Murrhardt ist die Spendenbereitschaft trotz der Ferienzeit wie bisher

Bilanz des DRK Murrhardt Wie Philipp Wolff vom Murrhardter Ortsverein berichtet, haben sich 192 Spender in der Festhalle eingefunden, 174 Frauen und Männer konnten dann auch zum Aderlass schreiten. Erstspender waren es diesmal 23. Im Vergleich zu vorherigen Spenden während der Pandemie gab es kaum Abweichungen.

Spende und Corona Die Hygieneauflagen variieren je nach konkreter Lage und Infektionszahlen. Der Ortsverein hat die Anzahl der Helfer reduziert, was aufgrund der wegfallenden Bewirtung machbar ist. Das Jugendrotkreuz bereitet die Lunchpakete schon im Vorfeld vor. Insofern gibt es bei den Helfern aktuell keine Engpässe. Auch die Terminplanung wirkt sich positiv aus. Es gibt nicht mehr diese Spenderstaus wie früher, so Wolff. Das DRK Murrhardt freut sich aber über neue Mitglieder, die sich ehrenamtlich im Ortsverein engagieren wollen. Kontakt aufnehmen lässt sich über die E-Mail-Adresse bereitschaft@drk-murrhardt.de.

Spendenfrequenz Frauen können viermal im Jahr spenden (auch in den Wechseljahren), Männer sechsmal. Erstspender werden kann man bis zum vollendeten 65. Lebensjahr. Das letzte Spendedatum ist einen Tag vor dem 73. Geburtstag.

Verwendung Statistisch gesehen wird das meiste Blut inzwischen zur Behandlung von Krebspatienten benötigt. Es folgen Erkrankungen des Herzens, Magen- und Darmkrankheiten, Sport- und Verkehrsunfälle. Bei schweren Unfällen kann es vorkommen, dass wegen bestimmter innerer Verletzungen mindestens zehn Blutkonserven pro Unfallopfer bereitstehen müssen, so das DRK. Ein großer Teil der Bundesbürger ist mindestens einmal im Leben auf das Blut anderer angewiesen. Infos: www.drk-blutspende.de

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Erstellt:
12. August 2021, 16:00 Uhr

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