Mehr als „nur“ Lehrerin und Spielerin

Karrieren abseits des Sports (15): Bei Burgstettens Oberliga-Tischtennisteam marschiert Jutta Ernst als Kapitänin vorneweg, auch im Beruf trägt die 52-Jährige zusätzliche Verantwortung. Am Gymnasium in der Taus ist sie seit 2017 stellvertretende Schulleiterin.

Von Steffen Grün

„Ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben.“ Toll für alle, die das sagen können. Jutta Ernst tut es, ohne lange nachdenken zu müssen. Und das liegt sicher auch daran, dass sie viel Freude an ihrem Job und ihrem Hobby hat. Ein absolutes Highlight war es für sie, als beides Hand in Hand ging. Das von ihr angeleitete Tischtennis- Schulteam schaffte bei Jugend trainiert für Olympia den Sprung zum Bundesfinale nach Berlin, „das war eine außergewöhnliche Leistung und hat mich besonders gefreut. Da kam alles zusammen.“

Jutta Ernst unterrichtet vier Fächer. Zu Geografie, Gemeinschaftskunde und Wirtschaft gesellt sich Sport, „das war immer klar“. Schließlich ist sie vielseitig begabt, kam ursprünglich aus der Leichtathletik und auch Ballsportarten „sind mir durchaus vertraut“. So rannte sie einst im Uni-Team dem runden Leder nach. Im Umgang mit dem weitaus kleineren Ball hat sie allerdings mit Abstand die größten Stärken, weshalb sie sich zeitweise sogar vorstellen konnte, als Tischtennistrainerin ihre Brötchen zu verdienen. Letztlich wurde die gebürtige Reutlingerin, die im Stadtteil Betzingen aufgewachsen ist, aber doch Lehrerin. Es war die richtige Entscheidung, „die Arbeitszeiten kommen meinem Biorhythmus eher entgegen“. Jutta Ernst hat kein Problem mit dem frühen Aufstehen, zumal deshalb am Abend wenigstens ab und zu die Zeit für die Übungseinheiten mit dem Oberligateam des TTV Burgstetten bleibt.

Sportlehrerin zu werden, war für Jutta Ernst eine Selbstverständlichkeit. Sie hat aber noch drei weitere Fächer, dazu gehört Geografie.Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Sportlehrerin zu werden, war für Jutta Ernst eine Selbstverständlichkeit. Sie hat aber noch drei weitere Fächer, dazu gehört Geografie.Foto: A. Becher

Dass es möglich ist, im sechsten Lebensjahrzehnt noch in einer so hohen Liga um Punkte zu kämpfen, erklärt die Ex-Zweitligaspielerin des TSV Betzingen damit, dass Tischtennis eine „Lifetime-Sportart“ ist. Ein gutes Auge, ein feines Händchen und viel Erfahrung gleichen manches aus, obwohl das Spiel viel schneller geworden ist, seit Ernst vor über 40 Jahren bei ihrem Heimatklub anfing. Es sei immer wieder nötig, sich neue Techniken und Taktiken anzueignen, sagt sie und erklärt es anhand ihrer Rolle als Abwehrspielerin, einer seltenen Spezies: „Da stand man früher drei, vier Meter hinter der Platte und hat fast nur abgewehrt. Heute steht man zwei Meter dahinter und greift auch viel mehr an.“ Den Ball nur auf die andere Seite zurückzuschaufeln und auf Fehler zu warten, ist kein Erfolgsrezept mehr: „Mit reiner Abwehrarbeit sind die Siegchancen deutlich gesunken, weil die Angriffsspielerinnen vom viel schnelleren Material profitieren.“

Jutta Ernst brauchte Geduld, bis beim TTV ein Platz frei wurde.

Mit der Zeit zu gehen, ist auch im Beruf Selbstverständlichkeit und Notwendigkeit zugleich. „Durch die Digitalisierung ist es viel komplexer geworden“, sagt die stellvertretende Schulleiterin am Backnanger Tausgymnasium und schaut auf ihre Anfänge zurück: „Ich musste nicht einmal einen Computer bedienen, heute gibt’s Fernunterricht.“ Ihr Referendariat machte die 52-Jährige erst in Pfullingen und dann in Wendlingen, weil das Robert-Bosch-Gymnasium ein Tischtennis-Bundesstützpunkt war. Als A-Lizenz-Inhaberin, die schon als Schülerin Kinder und später sogar Erstligaspielerinnen trainiert hatte, wurde sie vom Tischtennisverband angefordert.

Im Jahr 2000 trat Ernst die Stelle an ihrer jetzigen Schule an, damals „zogen wir auch nach Burgstall um“. Der Wechsel vom TSV Betzingen zum TTV Burgstetten ließ dagegen noch zwei Jahre auf sich warten, „weil mich die damalige Mannschaft nicht wollte“. Hört sich hart an, ist jedoch längst abgehakt, „es war ein verschworenes Team und ich wäre die fünfte Frau gewesen“. Eine zu viel fürs benötigte Quartett, zudem hatten die vorherigen Duelle beider Klubs zu gewisser Rivalität geführt. Erst durch eine Schwangerschaft wurde ein Platz frei, seither ist Ernst nicht mehr wegzudenken. War es damals noch die Zweite, weil der TTV eine Weile sogar eine Zweitligatruppe hatte, so ist es nun schon seit langer Zeit die Erste und die sportliche Heimat ist die Oberliga. Andrea Winter und Elke Anders, die aus der anfänglichen Mannschaft auch noch dabei sind, dürften längst froh sein, „dass sie nicht mehr gegen mich spielen müssen, sondern mich in ihren Reihen wissen“, sagt Jutta Ernst schmunzelnd.

Jutta Ernst ist seit rund 20 Jahren eine Punktegarantin für den TTV Burgstetten.Foto: T. Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Jutta Ernst ist seit rund 20 Jahren eine Punktegarantin für den TTV Burgstetten.Foto: T. Sellmaier

Weil alle ihren Sport mit dem Beruf und der Familie unter einen Hut bringen müssen, sind nicht immer ein, zwei Einheiten pro Woche drin. Manchmal muss es auch ohne Training klappen. Für Ernst ist es vor allem zum Schuljahresbeginn schwierig, wenn sich die Arbeit auf dem Schreibtisch türmt, weil etwa Stundenpläne zu basteln sind. Blöderweise kollidiert es mit der Saisonvorbereitung, wenn Training besonders wichtig wäre. Ernst kompensiert es mit ihrer Erfahrung, als Kapitänin ist sie trotzdem unumstritten. In der Funktion stellt sie das Team auf, was trotz manchem taktischen Kniff deutlich einfacher ist, als die Stunden- und Vertretungspläne zu erstellen. In einem anderen Punkt sieht sie aber wieder eine klare Parallele zwischen Sport und Job: „Bin ich an der Platte auf der Verliererstraße, muss ich schnell einen Lösungsweg umsetzen und schauen, ob er erfolgreich ist. Wenn nicht, muss ich wieder einen neuen Lösungsweg finden.“ Das sei in der Schule ähnlich, auch da sei es nicht ratsam, Probleme aussitzen zu wollen.

Insgesamt scheint Ernst mit ihrer Vorgehensweise gut zu fahren, die Erfolge im Tischtennis und die Beförderungen im Beruf lassen es vermuten. Glück gehört aber auch dazu, sagt sie in aller Bescheidenheit, etwa „zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein“. Weil sie keine langen Fahrten zum Training oder an ihren Arbeitsplatz mag, hätte sie sich wohl keinen Verein und keine Schule in weiter Ferne gesucht, nur um höherklassig zu spielen oder stellvertretende Schulleiterin zu werden. Letztlich fügte sich alles bestens und das sorgt für die große Zufriedenheit mit ihrem Leben.

In dieser Serie stellen wir Athleten in ihrem Berufsalltag vor. Dabei geht es um bekannte Sportler und um solche, die ungewöhnliche Jobs haben oder bei der Arbeit besonders erfolgreich sind. Weitere Kandidaten können sich unter sportredaktion@bkz.de melden.

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Erstellt:
19. März 2021, 06:00 Uhr

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