Alarmierende Studie

Mehr Antibiotika-Resistenzen durch Schmerzmittel?

Beunruhigende Nachrichten aus der Medizin: Auch gängige Schmerzmittel wie Ibuprofen und Paracetamol können Antibiotika-Resistenzen bei Bakterien fördern, wie eine neue Studie  enthüllt.

 

© Monika Skolimowska/dpa

 

Von Markus Brauer

Die Zahl der Antibiotika-Resistenz-Gene nimmt zu. Grund ist die Reaktion auf Antibiotika, die aufgrund von unsachgemäßer Entsorgung und des erhöhten Gebrauchs in der Human- oder Tiermedizin in die Umwelt gelangen.

Allerdings nicht nur dort. Mehrere Faktoren des globalen Wandels erhöhen ebenfalls die Antibiotika-Resistenz. Belegt ist dies zum Beispiel für die Verschmutzung durch Schwermetalle oder mit Mikroplastik, aber auch bei zahlreichen anderen Faktoren.

Was sind Antibiotika?

Antibiotika sind Medikamente gegen zum Teil lebensbedrohliche bakterielle Infektionen. Langfristig könnten sie ihre Wirksamkeit verlieren, wenn die Bakterien „lernen“, sich den Antibiotika durch die Ausbildung von Resistenzen zu widersetzen

Immer häufiger wirken Antibiotika nicht mehr, weil Bakterien Resistenzen gegen sie entwickelt haben. Infektionen werden dadurch zunehmend wieder zu einer tödlichen Gefahr.

Antimikrobielle Resistenz: Gefahr für globale Gesundheit

Nach Angaben des Europäischen Rechnungshofs sterben jedes Jahr rund 33 000 Menschen in der EU an Infektionen, die durch medikamentenresistente Keime verursacht wurden. Antimikrobielle Resistenz bedeutet, dass Mikroben wie Bakterien, Viren oder Parasiten Resistenzen gegen Arzneimittel entwickeln, die zuvor gewirkt haben.

„Antimikrobielle Resistenz ist eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit“, heißt es in dem Bericht. Bislang spreche nur wenig dafür, dass die bisherigen Bemühungen zur Eindämmung resistenter Keime die Gefahren für die Bevölkerung verringern konnten.

Eine zu häufige Verabreichung von Antibiotika an Menschen oder Tiere gilt als eine der Ursachen für die steigenden Resistenzen. Zumindest seien Antibiotika und andere antimikrobielle Medikamente bei Tieren zuletzt umsichtiger verwendet worden, heißt es im Rechnungshof-Bericht.

Übermäßiger Einsatz von Antibiotika schadet enorm

Der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Masttierhaltung wird seit langem kritisiert. Auch in der Humanmedizin wird zum Teil ohne Not ein Antibiotikum verschrieben – etwa bei einer Erkältung, die keine bakterielle Erkrankung ist.

In 90 Prozent der Fälle sind Viren Ursache einer Erkältung. Experten fordern schon seit langem, dass die Medikamente noch umsichtiger verwendet werden, die Resistenzen besser überwacht und Strategien für die Forschungsarbeit gestärkt werden.

Durch den ständigen Kontakt mit den Mitteln entwickeln die Bakterien Mutationen und zelluläre Anpassungen, die sie immun gegen die Wirkmechanismen der Antibiotika machen. Die Resistenzgene finden sich inzwischen in Böden, Gewässern und sogar in der Luft.

Ibuprofen, Paracetamol & Co im Test

Doch es gibt noch einen weiteren Treiber der Resistenzkrise: Auch nichtantibiotische Medikamente können Bakterien offenbar dabei helfen, Resistenzen gegen Antibiotika zu entwickeln, wie ein Team um Hanbiao Chen von der University of South Australia ermittelt hat.

Für ihre im Fachjournal „npj Antimicrobials and Resistance“ veröffentlichten Studie hatten sie den Effekt von neun verschiedenen gängigen Arzneimitteln auf den Darmkeim Escherichia coli und seine Anfälligkeit gegen das Breitband-Antibiotikum Ciprofloxacin untersucht.

Unter den untersuchten Medikamenten waren die Schmerzmittel Ibuprofen, Paracetamol, Diclofenac und Tramadol, aber auch das Blutdruckmittel Furosemid, das Diabetesmittel Metformin, ein Cholesterinsenker und weitere gängige Arzneien.

Für die Tests wurden die Bakterien zusammen mit einem oder mehreren dieser Mittel kultiviert, außerdem enthielt das Nährmedium niedrige Dosen des Antibiotikums. Die Forschenden untersuchten das Wachstum der Bakterien, ihre Mutationsrate und ihre Reaktion auf die volle Dosis von Ciprofloxacin und weiteren Antibiotika.

Schmerzmittel fördern die Resistenz von Bakterien

Die Analysen zeigten: Nach Gabe von Ibuprofen oder Paracetamol wuchsen die Bakterien trotz Antibiotikum unvermindert weiter. Der normalerweise hemmende Effekt blieb weitgehend aus. Im Test mit der vollen Dosis Ciprofloxacin konnte das Antibiotikum viele dieser Darmkeime dann nicht mehr abtöten. „Bedenklich ist zudem, dass die Bakterien hinterher nicht nur gegen Ciprofloxacin resistent waren, sondern auch gegen mehrere andere Antibiotika“, sagt Seniorautorin Henrietta Venter von der University of South Australia.

Noch deutlicher fiel dieser Effekt aus, wenn diese Schmerzmittel zusammen oder in Kombination mit anderen Arzneimitteln zu den Bakterienkulturen gegeben wurden. Die Tests zeigen beispielsweise eine 64-fache Erhöhung der Resistenz für die mit Kombination Ibuprofen und Diclofenac und eine 32-fache Erhöhung der Widerstandsfähigkeit nach Gabe von Ibuprofen mit Paracetamol oder Metformin.

Damit bestätigen die Ergebnisse, dass auch einige gängige Schmerzmittel Antibiotika-Resistenzen fördern können,obwohl diese Medikamente selbst nicht antibiotisch wirken. „Antibiotika-Resistenz beruht heute nicht mehr nur auf den Antibiotika selbst“, erklärt Venter.

Mutationen machen bakterielle Zellpumpen überaktiv

Den Grund für diese Resistenz-fördernde Wirkung vor allem von Ibuprofen und Paracetamol entdeckte das Team, als es sich das Genom der Bakterien näher ansah. Die Präsenz der Schmerzmittel hatte die Mutationsrate von Escherichia coli deutlich erhöht.

„Hatten die Bakterien zusätzlich zum Antibiotikum auch Kontakt mit Ibuprofen oder Paracetamol, entwickelten sie mehr genetische Veränderungen als nur mit dem Antibiotikum allein“, berichtet Venter. „Dies half ihnen dabei, schneller zu wachsen und hochgradig resistent zu werden.“

Konkret bewirkten die Mutationen dies, weil sie auch in den Genen entstehen, welche die sogenannten Efflux-Pumpen der Bakterienzellen kontrollieren, wie das Team herausfand. Diese in der Zellwand sitzenden Pumpen können eingedrungene Antibiotika-Moleküle aktiv wieder aus der Zelle hinausbefördern. „Diese Pumpen agieren schnell und nichtspezifisch, das macht sie zu einer der ersten Verteidigungslinien der Erreger“, schreiben die Wissenschaftler.

Die durch die Schmerzmittel geförderten Mutationen führen dazu, dass diese Pumpen überaktiv sind. Sie befördern die Antibiotika-Moleküle dadurch aus der Zelle, bevor diese ihre Wirkung entfalten können, wie Venter erklärt.

Relevant vor allem für Ältere und chronisch Kranke

Nach Ansicht des Forschungsteams ist dies eine alarmierende Erkenntnis. Denn gerade chronische kranke oder ältere Menschen müssen oft dauerhaft mehrere Medikamente gleichzeitig einnehmen.

Kommt dann noch ein Antibiotikum dazu, kann dies das Risiko für Antibiotika-Resistenzen signifikant erhöhen. „Dies gilt besonders für Menschen in Pflegeheimen, die häufig zahlreiche Arzneimittel erhalten – das macht sie zur idealen Brutstätte für neue Antibiotika-Resistenzen“, sagt Venter.

Das bedeute nicht, dass man aufhören müsse, diese Arzneimittel zu verwenden. „Aber wir müssen mehr darauf achten, wie sie mit Antibiotika interagieren“, mahnt Venter.

Das Forschersteam plädiert dafür, solche Medikamenten-Wechselwirkungen stärker zu erforschen und auch genau zu prüfen, welche Arzneimittel grade bei älteren Menschen wirklich nötig seien. Tatsächlich haben andere Studien bereits gezeigt, dass viele Senioren mehr Mittel einnehmen als sie eigentlich bräuchten.

Zum Artikel

Erstellt:
27. August 2025, 13:06 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen