Mehr kostenfreie Konzerte beim Murrhardter Sommerpalast

Interview Hardy Wieland, Geschäftsführer der Sommerpalast gGmbH und früherer Mitbegründer, berichtet vom neuen Konzept des Murrhardter Kulturfestivals. Es werden mehr kostenlose Konzerte im Biergarten angeboten. Finanzieren will der Verein dies über eine freiwillige Abgabe.

Für viele ist der Sommerpalast neben Konzerten und Kleinkunst auch ein Anlass, sich nach langer Zeit wiederzutreffen. Foto: Alexander Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Für viele ist der Sommerpalast neben Konzerten und Kleinkunst auch ein Anlass, sich nach langer Zeit wiederzutreffen. Foto: Alexander Becher

Der Sommerpalast bekommt eine neue Struktur. Es gibt noch drei Bühnenveranstaltungen im Zelt, draußen sind nun aber vier Bands zu Gast. Darf man noch von einem Zeltfestival sprechen?

Ja, natürlich. Der Unterschied ist nicht, ob die Vorstellung oder das Konzert im Zelt oder draußen stattfindet, sondern dass wir mehr kostenlose Veranstaltungen im Programm haben und das sind diejenigen im Biergarten. Wir haben festgestellt, dass man dazu Platz braucht – für eine Kultur im Biergarten, die ebenso gewichtig ist und ihren Stellenwert hat. Die Menschen kommen vor allem wegen der Atmosphäre zum Sommerpalast, gehen mal ins Zelt, wieder raus, es ist also ein ständiges Wandern. Deshalb haben wir uns entschlossen, die Veranstaltungen zu reduzieren, bei denen man eine Eintrittskarte kaufen und konzentriert dabeibleiben muss. Jetzt gehen wir stärker auf die Bühne draußen, wo die Besucher mehr konsumieren und sich auch unterhalten können. Das heißt aber nicht, dass es qualitative Abstriche gibt. Beispielsweise die Gruppe FRA! gehört zu den Bands, die wir normalerweise auf die Zeltbühne zum Konzert mit Eintritt bitten würden. Sie kommt aus Ghana und macht auf ihrer Europatournee in Murrhardt Station. Das bedeutet aber auch, dass wir anders kalkulieren müssen, weil ja die Eintrittsgelder zur Finanzierung wegfallen.

Mehr kostenfreie Konzerte beim Murrhardter Sommerpalast

© Tobias Sellmaier

Genau, es bleiben nur drei Eintrittsveranstaltungen, das würde 40 Prozent weniger Einnahmen bedeuten.

Ja, die drei Veranstaltungen bringen Eintritte rein, aber eben nicht fünf wie bisher. Für diejenigen Veranstaltungen, bei denen kein Eintritt verlangt wird, wollen wir es dieses Mal über eine freiwillige Basis machen und zwar mit zwei Festivalbändeln, die jeder kaufen kann. Einen für „Fans“ für fünf Euro und einen für „Lover“ für zehn Euro. Eine Pflicht besteht nicht, aber mit dem Kauf kann man auch seine Solidarität ausdrücken. Das ist so ähnlich als würde der Hut rumgehen.

Sie setzen einfach darauf, dass sich genug beteiligen.

Es tummeln sich im Schnitt 800 bis 1000 Personen im Biergarten und wenn nur die Hälfte den Bändel kauft, könnten wir die Sache ganz gut finanzieren.

Wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie 2022 festgestellt, dass die Bühnenveranstaltungen im Zelt nicht mehr so gut besucht waren. Gibt es da einen kulturellen Wandel und wie erklären Sie sich das nachlassende Interesse?

Da befinden wir uns noch im Forschungsstadium. Letztes Jahr, im ersten nach der Coronapause, hat uns der Rückgang schon ein bisschen erschreckt. Der Sommerpalast war da aber keine Ausnahme. Landauf, landab blieben den Veranstaltungen gerade mal 30 Prozent der Zuschauer.

Das waren Kulturveranstaltungen mit Eintritt und festem Zuschauersetting vor großer Bühne?

Genau. Veranstaltungen, die sich die Leute auswählen, bei denen sie Eintritt zahlen und zwei Stunden investieren. Das hat einen verpflichtenden Charakter. Vor dem Hintergrund, dass große Festivals ähnlich wie Rock am Ring, Rock im Park oder Southside in den letzten zehn Jahren extrem zugenommen haben, haben wir uns gefragt: Was bewegt Leute, 200 Euro Eintritt für zwei Tage zu bezahlen? Da spielen 100 Bands, und man nimmt das eigentlich gar nicht so konzentriert wahr. Und das heißt, die Leute zahlen eigentlich mehr für die Atmosphäre des Festivals. Sie schauen mal bei einer Bühne vorbei, wenn sie es nicht interessiert, gehen sie weiter zum nächsten Konzert oder um mit Leuten zu reden. Unabhängig vom Eintritt erinnert das auch ein bisschen an den Sommerpalast. Ich glaube, dass mittlerweile die meisten Besucher kommen, um einfach diese Atmosphäre im Stadtgarten zu genießen, sich mit Menschen zu treffen, gut zu essen und dabei Kultur zu genießen.

Das heißt, es ist das Gesamtpaket.

Genau.

Bedeutet das, es ändert sich die Form, wie Kultur vermittelt wird, oder die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen?

Insgesamt ändert sich die Aufmerksamkeitsspanne, aber über die generelle Entwicklung lässt sich noch nichts sagen. Klar ist aber, dass die Leute von überall her zum Sommerpalast kommen, um ihre Freunde und Bekannten zu sehen. Also zum Beispiel die ganzen Kinder, die mit dem Festival groß geworden sind, heute woanders leben und beim Palast ihre Freunde treffen. Das ist genauso bei Leuten, die weggezogen sind. Das heißt, die Kultur ist der Anlass, aber nicht mehr das Bindende. Um diese Art des Treffens mehr zu unterstützen, haben wir gesagt, wir versuchen es nun mit diesem neuen Konzept.

Wie fühlt sich das Sommerpalasthelferteam, auch zahlenmäßig, aufgestellt?

Die Zahl des E-Mail-Verteilers liegt bei 300 Helfern, es gibt einen Stamm von 200 Personen, die immer da sind, auch schon über Jahre. Einzelne gehen weg, kommen dazu oder pausieren. Ich habe die Zielsetzung, dass jeder komplett ersetzbar sein muss. Dann lässt sich sagen, ich setze zwei Jahre aus, weil ich ein Kind bekomme, um später wieder Teil des Ganzen sein. In der Zwischenzeit gibt es jemand anderen, der die Position übernimmt. Genauso gibt es ein System, damit neue Leute dazukommen können. Und wenn ich sage, jeder muss ersetzbar sein, schließe ich mich selber mit ein. Früher war der Sommerpalast sehr stark auf mich ausgerichtet, mittlerweile gibt es für jeden Bereich Experten.

Wenn Sie sagen, auch Sie möchten ersetzbar sein, ginge das auch in Bezug auf das Kulturprogramm?

Ja. Natürlich nutzt man bestehende Möglichkeiten, aber ich hätte keine Angst, wenn ich jetzt vom Stuhl kippen würde, dass der Sommerpalast ganz normal weiterlaufen würde. Dann wird es vielleicht eine etwas andere Auswahl bei Kulturveranstaltungen geben, das würde aber trotzdem funktionieren.

Wie sind die bisherigen Erfahrungen als selbstverantwortlicher Veranstalter mit dem Verein Palastkultur? Was ist gut gelaufen, was war schwer?

Die ganze Buchführung, die früher die Stadt gemacht hat, zu leisten, ist schon eine Herausforderung. Dabei ging es nicht immer nur ums Geld, sondern auch um die personelle Unterstützung, die jetzt wegfällt. Aber von der Gesamtorganisation macht es natürlich vieles einfacher, wenn man selbst Entscheidungen treffen kann. Dadurch ist das Team flexibler und schneller.

Das Gespräch führte Christine Schick.

Foto: Tobias Sellmaier
Drei Vorstellungen finden vor großer Bühne im Zelt statt, vier Konzerte lassen sich im Biergarten genießen

Palastbühne Das neue Programm sieht drei Vorstellungen auf der Palastbühne im großen Festivalzelt vor: Kabarettist Florian Schröder bestreitet den Mittwoch, 19. Juli, 20 Uhr. Am Donnerstag, 20. Juli, 20 Uhr ist die britische Sängerin, Pianistin und Songschreiberin Izo FitzRoy mit Band und Backroundteam zu Gast und am Samstag, 22. Juli, 20 Uhr öffnet sich der Zeltvorhang fürs Varieté.

Biergartenbühne Im Freien lassen sich folgende Bands genießen: Am Freitag, 21. Juli, 20 Uhr tritt die Gruppe FRA! aus Ghana auf, die eine Mischung aus Afrobeat, Highlife, Afrofunk und Rock im Gepäck hat. Der Sonntag, 23. Juli, ist für drei Bands reserviert. Der Jazzfrühschoppen mit den Bourbon Street Ramblers und ihrer Dixieland- Swing-Auslese beginnt um 11 Uhr, am Abend um 18 Uhr tritt Mensch, Monique! auf. Das Duo aus Jule Schröder und Georg Saßnowski bringt Indiefolk und zwei Stimmen, eine Gitarre und einen Akustikbass mit. Den Schlusspunkt um 20.30 Uhr setzen The Beez, die verschiedenste musikalische Stilrichtungen zu einem einzigartigen Sound verwoben haben. Bei den Konzerten wird kein Eintritt verlangt. Das Team setzt darauf, dass die Gäste sich aber über den Kauf eines Festivalbändels für fünf oder zehn Euro beteiligen.

Kinderprogramm Der Zirkusverein Neumarkt gibt am Donnerstag und Freitag, 20. und 21. Juli, jeweils 10 Uhr eine Kindervorstellung mit Luftartistik, Schleuderbrett, Pole, Akrobatik, Tanz und jeder Menge Überraschungen.

Infos Weitere Infos zu den Veranstaltungen (mit Videos), Gastronomie, Tickets und Festival unter www.sommerpalast.de.

Neue Helfer Wer Interesse hat, ganz frisch zum Helferteam dazuzustoßen, ist eingeladen, zu einem Informationsabend am Dienstag, 13. Juni, um 19 Uhr zur Agentur Arcos im Klosterhof Murrhardt zu kommen.

Zum Artikel

Erstellt:
10. Juni 2023, 11:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Neue Stadtinfo in Backnang soll den Tourismus fördern

Die Stadt Backnang will rund 1,2 Millionen Euro in die ehemalige Adler-Apotheke gegenüber dem historischen Rathaus investieren. In einem Jahr soll dort eine moderne Anlaufstelle für Besucher der Stadt eröffnen.

Stadt & Kreis

Die Kleinsten in Bewegung bringen

Die bereits im Jahr 2019 beschlossene Einführung des sogenannten Bewegungspasses soll nun auch im Rems-Murr-Kreis endlich durchstarten. Kerngedanke des Projekts ist es, in den Kindertageseinrichtungen im Kreis die Freude an gesunder Bewegung zu fördern.