Entwicklungszusammenarbeit
Mehr Wirtschaft – und weniger Radwege in Peru
Die Bundesregierung will die Entwicklungshilfepolitik neu ausrichten. Diese soll sich auch in den Dienst deutscher Unternehmen stellen.

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Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan will einen Kurswechsel in der Entwicklungspolitik anstoßen.
Von Tobias Heimbach
Deutschlands Engagement in der Entwicklungshilfe war zuletzt in Verruf geraten. Dabei würden nur fragwürdige Projekte finanziert, etwa Radwege in Peru, so lautete vielfach der Vorwurf. Dass im konkreten Fall oft falsche Summe genannt wurden, ging in der Debatte zumeist unter. Der Eindruck, der sich bei vielen festsetzte, war: deutsches Steuergeld wird sinnlos in aller Welt verbrannt. Wohl auch um diesem Argument entgegenzutreten, hat Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) einen Kurswechsel angekündigt. Ihre Vorstellungen präsentierte sie am Dienstag in Berlin bei einer Konferenz unter dem Titel „Starke Partnerschaften für eine erfolgreiche Wirtschaft weltweit“. Was hat die Ministerin vor?
Warum gibt es diese Neuausrichtung?
Russland und China suchen ihren Einfluss durch wirtschaftliche Zusammenarbeit auszubauen. Die USA reduzieren ihr globales Engagement dramatisch. Präsident Donald Trump ließ sogar die US-Entwicklungshilfeagentur auflösen. Gleichzeitig sind viele Länder, die man früher die „Dritte Welt“ nannte, heute dynamische Volkswirtschaften mit viel Potenzial – und neuem Selbstbewusstsein. „Länder wie Indonesien oder Südafrika sagen, sie wollten mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit – auf Augenhöhe“, sagte Alabali Radovan. Das ist der eine Teil der Geschichte.
Ein entscheidender Faktor: Das Geld im Bundeshaushalt ist knapp. Der Etat des Entwicklungsministeriums wird im Vergleich zu 2024 um etwa eine Milliarde Euro sinken. Und wofür die restlichen rund 10 Milliarden Euro ausgegeben werden, steht in diesen Zeiten unter einem größeren Rechtfertigungsdruck – siehe Radwege in Peru.
Was soll sich ändern?
Gemeinhin spricht man gern vom „Entwicklungshilfeministerium“, doch tatsächliche heißt es offiziell „Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“. Künftig soll der Schwerpunkt auf dem ersten Teil des Namens liegen. Die Interessen der deutschen Wirtschaft sollen hierbei besonders berücksichtigt werden.
Laut Ministerin Alabali Radovan gibt es drei Schwerpunkte: Erstens soll es einen stärkeren Dialog mit der Wirtschaft in der Entwicklungszusammenarbeit geben. Bevor Deutschland mit anderen Ländern über Entwicklungshilfe verhandelt, will man sich mit Vertretern der Wirtschaft absprechen. An die Vertreter der Wirtschaft gewandt, sagte Alabali Radovan in Berlin: „Was brauchen Sie, um sich stärker im globalen Süden engagieren?“ Zweitens heißt es, man wolle dafür sorgen, dass die Chancen deutscher Unternehmen bei Vergaben der Entwicklungszusammenarbeit steigen. „Wir wollen es der deutschen Wirtschaft einfacher machen“, sagte Alabali Radovan. Oft kämen deutsche und europäische Unternehmen in Ausschreibungen nicht zum Zug, weil der Wettbewerb mit China oft ungleich sei.
Drittens soll es um die gezielte Unterstützung deutscher Unternehmen gehen. Wo deutsche und europäische Unternehmen besondere Versorgungs- und Investitionsinteressen haben, wolle man etwa kritische und strategische Rohstoffe stärker in den Blick nehmen, verspricht das Ministerium.
Welche Ziele verfolgt man mit der Neuausrichtung?
Immer wieder wurde am Dienstag deutlich ausgesprochen, worauf es in Zukunft ankommen soll: etwa um neue Märkte und einen Zugang zu Rohstoffen. „Bei Kobalt und Kupfer führt kein Weg am globalen Süden vorbei“, sagte Alabali Radovan. Ohne diese Metalle gebe es keine Digitalisierung und keine Energiewende. Deutsche Entwicklungsmittel sollten zudem „Markteintritte“ für deutsche Unternehmen ermöglichen, sagte Staatssekretär Stefan Rouenhoff (CDU) aus dem Wirtschaftsministerium.
Wo will man Engagement reduzieren?
Im Interview mit dem „Deutschlandfunk“ beteuerte Alabali Radovan, man wolle weiter Klimaschutz und Krisenprävention betreiben. Auch die „wertebasierte“ Entwicklungszusammenarbeit gehe weiter. Doch man kann davon ausgehen, dass es in Zukunft weniger Programme zur Förderung von Frauen oder der Zivilgesellschaft geben wird.