Tausende gehen im Südwesten gegen Rassismus auf die Straße

dpa/lsw Stuttgart. Hunderte sind angekündigt, tausende Teilnehmer kommen: Der große Zuspruch auf den Demos gegen Rassismus im Südwesten überrascht Veranstalter und Polizei. Ein starkes Statement in mehreren Städten, das weitgehend friedlich blieb.

Zahlreiche Menschen bei einer Demonstration gegen Rassismus und Polizeigewalt in Stuttgart. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Zahlreiche Menschen bei einer Demonstration gegen Rassismus und Polizeigewalt in Stuttgart. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Mit diesem Zuspruch hatte wohl keiner gerechnet: Weit über zehntausend Menschen haben am Samstag im Südwesten gegen Rassismus und Hass demonstriert - ein Vielfaches der eigentlich angemeldeten Teilnehmerzahl. „Black lives matter“ (schwarze Leben zählen), „Black skin is not a crime“ (schwarze Haut ist kein Verbrechen) oder „Justice for George Floyd“ (Gerechtigkeit für George Floyd) stand auf zahlreichen Transparenten und Plakaten, die die Menschen in mehreren Städten in die Höhe hielten. Anlass ist der Tod des Afroamerikaners George Floyd, der am 25. Mai in den USA starb, nachdem ihm ein Polizist minutenlang ein Knie auf den Hals drückte. Sein Tod hatte eine Welle der Empörung auch in Baden-Württemberg ausgelöst.

Angekündigt waren die Proteste eigentlich als „Silent Demos“, also stille Demonstrationen. Der Plan: Mit Transparenten und Körpersprache auf das Problem des Rassismus aufmerksam machen. Vollkommen still blieben die Kundgebungen im Land aber nicht. In Stuttgart gab es Reden, Musik und „black lives matter“-Rufe. Teilweise zogen die Menschen durch die Straßen und am Abend kam es in der Landeshauptstadt nach der eigentlichen Demonstration zu mehreren Zwischenfällen. In Mannheim und Karlsruhe saßen die Demonstranten mit in die Höhe gereckten Fäusten und vielfach schwarz gekleidet auf dem Boden.

Die „Silent Demos“ hatten ihren Anfang mit der Idee von Nadia Asiamah genommen. Die 22-jährige Stuttgarterin hatte die Demo in Stuttgart angemeldet. „Für mich war es nicht genug, wenn man auf Social Media postet. Man muss mehr dafür tun“, sagte Asiamah. Für sie war es die erste Demo, die sie organisierte. Anfangs habe sie 20 Mitstreiter gesucht. Bald habe sich aber herausgestellt, dass viel mehr kommen wollen. Außerdem hätten sich bald auch Aktivisten aus anderen Städten gemeldet. Mehr als 20 „Silent Demos“ waren schließlich am Samstag in ganz Deutschland angekündigt - nach dem Stuttgarter Vorbild.

In der Landeshauptstadt waren zunächst nur 700 Teilnehmer angemeldet gewesen. Doch es strömten Tausende in den Schlosspark vor der Oper, sagte die Polizei ohne genaue Zahlen zu nennen. In Mannheim kamen statt der erwarteten 1000 Menschen rund 6000 Teilnehmer zusammen. In Karlsruhe waren es rund 3000 auf dem Schlossplatz. Darüber hinaus gab es im Land weitere Demos mit teils über 1000 Teilnehmern gegen Rassismus unter anderen Mottos, zum Beispiel in Karlsruhe mit rund 1500 Teilnehmern sowie in Tübingen und Konstanz.

„Ich stehe heute hier, weil der Traum von Martin Luther King nicht in Erfüllung gegangen ist“, sagte der Demo-Mitorganisator Lionel Njoya in Stuttgart: Rassismus töte. Der von einem Polizisten getötete Floyd, die rechtsextremen Taten in Halle und Hanau - „all diese Vorfälle sind Teil einer langen Serie von Diskriminierung, rechtem Terror und Rassismus“, sagte Njoya. „Ist es noch ein Einzelfall, wenn es ständig irgendwo passiert?“ Rassismus begegne ihm im Fitnessstudio, im Zug, in den Medien oder im Urlaub. „Wann seht ihr mich endlich als Subjekt und nicht Vertreter einer Gruppe an?“

Ein Stuttgarter Polizeisprecher sagte angesichts des großen Andrangs, es sei offensichtlich sehr vielen ein Anliegen gewesen. Eine Auflösung der Demo wäre unverhältnismäßig gewesen. Während die Demonstranten in Stuttgart trotz Corona teilweise dicht gedrängt standen, berichtete ein Sprecher der Polizei Mannheim, die Teilnehmer hätten die Abstandsregeln größtenteils eingehalten.

In der Landeshauptstadt kam es im Zuge der Demonstrationen allerdings zu mehreren Zwischenfällen am Samstagabend: Nach der eigentlichen Kundgebung am neuen Schloss hätte sich mehrere einzelne Aufzüge formiert, berichtete die Polizei. Personengruppen hätten sich dabei mehrfach in der Innenstadt und um den Stadtkern herumbewegt. „Die Stimmung in den Aufzügen war teils sehr aggressiv“, hieß es. Die Einsatzkräfte seien mehrfach mit Gegenständen beworfen und Pyrotechnik gezündet worden. Auf den Straßen rund um den Stadtkern kam es teils zu erheblichen Verkehrsbehinderungen, mehrere Menschen wurden vorübergehend festgenommen. In Mannheim und Karlsruhe blieb hingegen alles ruhig, wie die Polizei sagte.

Njoya sagte weiter in seiner Rede: Es sei immer einfach, mit dem Finger auf andere zu zeigen. „In meinen Augen sind Menschen, die ungerechte Zustände und ungerechte Taten sehen und wegsehen, schlimmer als die Täter, die sie begehen. Denn diese Menschen wissen, dass es Ungerechtigkeit ist und entscheiden sich trotzdem aktiv dafür wegzusehen.“ Njoya setzte sich für friedliche Proteste ein: „Wir müssen nichts anzünden und zerstören, um Veränderung zu bringen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die Generation sind, die Veränderung bringen kann!“.

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Erstellt:
6. Juni 2020, 14:56 Uhr

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