Besuch in Litauen

Merz‘ Außenpolitik: Wie der neue Kanzler den Unterschied macht

Merz punktet mit seinem Stil in der Außenpolitik – und zeigt mit der Bundeswehrbrigade in Litauen, dass Deutschland sicherheitspolitisch erwachsen wird, kommentiert Tobias Peter.

Kanzler Friedrich Merz mit dem litauischen Präsidenten Gitanas Nauseda beim Besuch in Vilnius.

© Michael Kappeler

Kanzler Friedrich Merz mit dem litauischen Präsidenten Gitanas Nauseda beim Besuch in Vilnius.

Von Tobias Peter

Friedrich Merz setzt mit seiner Reise nach Litauen ein dreifaches Signal. Erstens zeigt der Kanzler ganz Europa und vor allem den baltischen Staaten: Deutschland nimmt seine Verantwortung für die gemeinsame Sicherheit ernst. Zweitens sind Merz‘ Reise und die Aufstellung der Panzerbrigade 45 der Bundeswehr an der Nato-Ostflanke eine Botschaft an den russischen Präsidenten Wladimir Putin: Deutschland nimmt seine Rolle entschieden wahr. Das ist drittens ein Zeichen auch an US-Präsident Donald Trump, der mehr eigenes Engagement der Europäer fordert.

Putin hat mit seinem Krieg gegen die Ukraine die bisherige Weltordnung zerstört – und damit Deutschland gezwungen, sich auf den Weg zu machen, außen- und sicherheitspolitisch erwachsen zu werden. Durch den selbstbezogenen, erratischen Kurs Trumps in der US-Politik ist dieses Ziel noch dringlicher geworden. Dass die Bundesregierung nun zum Schutz Litauens zum ersten Mal einen gefechtsbereiten und eigenständig handlungsfähigen Kampfverband dauerhaft außerhalb Deutschlands stationieren will, ist ein wichtiger Schritt.

Merz verkörpert Deutschlands außenpolitische Rolle überzeugender als Scholz

Die Brigade, die mit 5000 Angehörigen der Bundeswehr bis Ende 2027 voll einsatzfähig sein soll, ist ein Leuchtturmprojekt noch aus der Zeit von Bundeskanzler Olaf Scholz. Bei aller verbalen Schärfe, die es im Wahlkampf zwischen Scholz und Merz auch in der Frage des Umgangs mit Russland gab, herrscht in wichtigen außenpolitischen Linien Kontinuität. Gleichzeitig gibt es zwei wichtige Unterschiede.

Mit den Änderungen an der Schuldenbremse ist jetzt definitiv genug Geld dafür da, dass Deutschland seiner Rolle gerecht werden kann. Wenn es hart auf hart kommt, können Merz und seine Regierung für die Bundeswehr unbegrenzt Schulden aufnehmen. Der Weg dorthin war für Merz – nachdem er im Wahlkampf anders geklungen hatte – nicht rühmlich. Entscheidend ist, dass er ihn gegangen ist. Sonst wären der Bundesregierung in wichtigen sicherheitspolitischen Fragen die Hände gefesselt.

Der andere Unterschied ist: Merz verkörpert die neue deutsche Rolle nach Außen überzeugender als sein Vorgänger. Merz lässt alle spüren, dass er die Verantwortung übernehmen möchte. Auf seinen ersten Reisen und auch in Litauen hat er gezeigt, wie geschickt er darin ist, eine menschliche Ebene mit seinen Partnern zu finden. Das lag Scholz nicht. Außenpolitik ist mehr als ein nüchterner Interessensabgleich. Manchmal gehört dazu, wie Merz dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor den Augen der Weltöffentlichkeit empathisch an die Schulter zu fassen und zu sagen: „Ruf immer an, wenn du willst.“

Deutschland kann Merz’ Tatendrang gut gebrauchen

Im Tohuwabohu um die Frage der Sanktionen gegen Russland sahen Merz und andere wichtige europäischen Staatschefs hingegen nicht immer überzeugend aus. Zur Wahrheit gehört aber auch: In Zeiten, in denen mit Trump der mächtigste Mann der Welt im schlimmsten Fall minütlich seine Meinung ändern kann, wird das immer wieder passieren. Dass Merz dies nicht schreckt, und er trotzdem versucht, gemeinsam mit Frankreich und anderen eine Führungsrolle zu übernehmen, ist erst einmal positiv.

Um den (Außen-)Politiker Merz zu verstehen, muss man sich vorstellen, er, Olaf Scholz und Angela Merkel stünden gemeinsam vor einer etwas kippligen Brücke. Merkel würde geschickt versuchen, die anderen beiden zu überreden, voranzugehen. Scholz würde vorschlagen, zunächst ein Gutachten einzuholen. Merz wäre am ehesten derjenige, der losmarschiert. Erwachsen zu werden, bedeutet auch, kalkulierte Risiken einzugehen. Deutschland kann Merz‘ Tatendrang jetzt gut gebrauchen.

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Erstellt:
22. Mai 2025, 15:10 Uhr

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