Kanzler in Washington
Friedrich Merz ist Sieger in der Trump-Show
Der Antrittsbesuch des Kanzlers im Weißen Haus verläuft bestens. Merz setzt dabei in einer wichtigen Frage auch einen eigenen Akzent.

© MICHAEL KAPPELER/AFP
Merz kann geduldig zuhören. Der deutsche Bundeskanzler ist zum Antrittsbesuch beim US-Präsidenten.
Von Tobias Peter
Es ist ein starkes Kompliment von US-Präsident Donald Trump an Bundeskanzler Friedrich Merz – auch wenn es ein bisschen seltsam daherkommt.
Der Kanzler spreche so gutes Englisch, sagt Trump bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Oval Office. Dann fragt er, an Merz gewandt: „Würden Sie sagen, es ist so gut wie Ihr Deutsch?“ Merz antwortet, Englisch sei nicht seine Muttersprache. Er versuche, fast alles zu verstehen und so gut zu sprechen, wie er könne. „Das ist eine großartige Leistung“, sagt Trump. Es klingt ein wenig wie das Lob für ein Schulkind. Doch spätestens hier ist klar: Es läuft sehr gut für Merz beim Antrittsbesuch in Washington.
Merz spricht Englisch. Aber er hat zuvor auf Bitten der Journalisten einige Sätze auf Deutsch gesagt. Er sagte: „Ich freue mich sehr, hier zu sein und wir bereiten eine Vertiefung unserer Zusammenarbeit vor.“
Eine heikle Mission
Zum ersten Mal zu Besuch bei Donald Trump zu sein, das schien für den deutschen Regierungschef ungefähr so heikel, wie für einen Teenager das Vorstellungsgespräch bei den Eltern der Freundin. Wenn das schiefgeht, sind die Folgen sehr unangenehm. Nur dass es in diesem Fall gleich um die großen Fragen der Weltpolitik geht.
Doch Merz findet im Weißen Haus den richtigen Umgang mit Trump. Er sitzt oft weit zurückgelehnt in seinem Stuhl und hört erst einmal zu. Dann beugt sich der Kanzler immer mal wieder nach vorn, um Interesse zu signalisieren. Merz spricht darüber, dass er im Jahr 1982 erstmals in den USA war – als Ronald Reagan Präsident war. Deutschland und die USA hätten so viel gemeinsam sagt Merz. Trump gefällt das.
„Great“ – dieses Wort fällt immer wieder. Merz sei ein „großartiger Anführer“, sagt Merz. Er findet es auch großartig, dass Merz nicht Angela Merkel ist, von deren Flüchtlingspolitik er nichts hielt. Dann lobt Trump auch immer wieder die eigene Großartigkeit. Merz hört zu. Der US-Präsident macht gelegentlich seltsame Witze. Aber er greift den Kanzler nicht an.
Dabei gab viele Gründe für Friedrich Merz vor diesem Besuch nervös zu sein – auch wenn ihm davon vorab nichts anzumerken war. Allein schon, weil Donald Trump aus den Besuchen anderer Staats- und Regierungschefs gern eine Show macht. Fast wie im Dschungelcamp, wo unangenehme Prüfungen warten – solche, von denen man vorher nicht so genau weiß, was sie eigentlich sind.
Der Egomane und sein Lieblingssatz
Trump, bekanntlich ein Egomane, würde vermutlich der Vergleich mit der eigenen langjährigen Reality-TV-Show „The Apprentice“ besser gefallen. Der Moderator konnte am Ende jeder Folge jeweils einen Kandidaten entlassen. Mit den harschen Worten: „You’re fired!“ Also: „Du bist gefeuert.“ Trump ist einer, dem dieser Satz Freude macht.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird sich bei seinem Besuch im Weißen Haus ungefähr so gefühlt haben, als habe Trump ihm diesen Satz entgegengeschleudert. „Du spielst mit dem Dritten Weltkrieg“, ging Trump Selenskyj an, dessen Land das Opfer eines brutalen Angriffskriegs durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin ist.
Trump sprach laut. Er brüllte den Satz fast in Selenskyjs Gesicht. Sein Zeigefinger war hoch erhoben. Und Trump warf Selenskyj noch vor: „Du bist respektlos.“ Es sind Bilder, die zeigen, wie sich bei einem Treffen, live im TV übertragen, die Weltgeschichte ändern kann. Wie die USA vom wohlwollenden Hegemon zum Fiesling wurden.
Mehr Geld fürs Militär
Merz hat diese Bilder mehr als einmal gesehen. Der Mann, der ursprünglich einmal die Schuldenbremse verteidigen wollte, hätte als Kanzler angesichts der außenpolitischen Herausforderungen vermutlich ohnehin seinen Kurs in dieser Frage ändern müssen. Aber nun war die Notwendigkeit, dass Deutschland mehr in Verteidigung investieren muss, so greifbar wie nie. Merz steuerte, noch bevor er im Bundestag zum Kanzler gewählt wurde, auf die historische Grundgesetzänderung zu. Jetzt kann Deutschland fürs Militär im Zweifel unbegrenzt Schulden machen. Das kommt bei Trump an.
Auch im Fall von Merz ist der Besuch des ausländischen Staatsgasts für Trump eine Show. Aber es ist keine Show auf Kosten des Kanzlers. Sondern in erster Linie eine Trump-Show.
Man muss sich Trump wie einen Menschen vorstellen, der nach dem Sport unter der Dusche laut zu allen anderen sagt: „Seht her, meiner ist der Größte.“ Und der es goutiert, wenn man ihm das noch bestätigt. Merz ist nicht als Schleimer nach Washington gekommen. Aber er ist darauf eingestellt, die Selbstbespiegelung des US-Präsidenten gelassen zu ertragen.
Er hört sich an, wie Trump darüber spricht, dass das Oval Office, wo er empfangen wird, viel schöner sei als früher. Dass Trump die Inflation hervorragend bekämpft habe. Eier seien nun 400 Prozent billiger. „Jeder hat jetzt Eier“, sagt Trump. Der US-Präsident behauptet auch, mit ihm im Amt hätte es den Ukraine-Krieg nie gegeben.
Merz spricht Trump nicht nach dem Mund
Der Austausch über den Krieg ist Merz‘ stärkster Moment. Er nutzt einerseits die Gelegenheit, Trump zuzustimmen, dass der Krieg möglichst beendet werden sollen. Er sagt dem US-Präsidenten, dieser sei die Schlüsselperson, damit etwas gelingen könnte. Es ist der Versuch, die USA in der Ukraine-Politik mit den Europäern an Bord zu halten.
Doch Merz spricht dem US-Präsidenten auch nicht nach dem Mund. Trump vergleicht beide Konfliktparteien mit kleinen Kindern. Merz lässt keinen Zweifel daran, dass er Wladimir Putin in Moskau als den Schuldigen für den Krieg sieht. Es ist nicht so, als widerspräche er Trump offensiv. Die beiden reden eher aneinander vorbei. Aber Merz kann seine Sicht platzieren.
In seinen ersten Amtswochen hat sich Merz stark auf die Außenpolitik konzentriert. Doch sein Erfolg hängt auch davon ab, ob ihm in Deutschland die wirtschaftliche Wende gelingt. Hier ist der Zoll-Streit, den der Zocker Trump begonnen hat, ein gigantisches Risiko. Der Teil der Reise, bei dem Merz und Trump unter vier Augen sprechen, ist enorm wichtig.
Auch kleine Geschenke können helfen. Merz hat sich etwas Besonderes einfallen lassen. Am Telefon hatte er mit Trump über dessen Großvater gesprochen, der in Kallstadt, heute in Rheinland-Pfalz, geboren ist. Merz hat also die Geburtsurkunde besorgen lassen. Trump bekommt nun vom deutschen Kanzler zwei Urkunden geschenkt. Eine ist ein Abbild der originalen Geburtsurkunde des Großvaters. Die andere zeigt eine ähnlich gestaltete Übersetzung ins Englische. Goldgerahmt. Dass Trumps Großvater Friedrich hieß, ist ein besonderer Clou.
Merz wusste vor seinem Besuch, dass es im Umgang mit Trump Glück und Geschick braucht. In Washington hat Merz beides.