„Stadtbild“-Debatte

„Merz sollte sich nicht zu sehr am Modell Trump orientieren“

Der Tübinger Rhetorik-Professor Joachim Knape nimmt sich Merz’ „Stadtbild“-Äußerung vor – und hat ein paar kommunikative Ratschläge für den Kanzler.

Kanzler Friedrich Merz war im Juni bei Donald Trump in Washington zum Antrittsbesuch.

© MICHAEL KAPPELER/AFP

Kanzler Friedrich Merz war im Juni bei Donald Trump in Washington zum Antrittsbesuch.

Von Tobias Peter

Der Tübinger Rhetorik-Professor Joachim Knape wirft Friedrich Merz vor, mit diffusen Äußerungen Schaden anzurichten. Merz solle sich vor zugespitzten Äußerungen besser und intensiver beraten lassen, empfiehlt Knape.

Herr Knape, Friedrich Merz hat mit seiner „Stadtbild“-Äußerung viel Wirbel ausgelöst. Hat er damit etwas richtig oder etwas falsch gemacht?

Das war ein kommunikativ sehr unbedarftes Manöver von Friedrich Merz. Er wollte auf die Ängste von Menschen im Land eingehen, darüber, wie sie das Stadtbild empfinden. Das ist nicht verkehrt. Das muss er dann aber klar so sagen. Und er hätte von Anfang an präzise sagen müssen, was er in der Sache meint. Das Diffuse an Merz‘ Äußerung hat dazu geführt, dass alle Menschen mit Migrationshintergrund sich angegriffen fühlen konnten.

Das sind sehr viele Menschen in der Bevölkerung.

Genau. Es ist gesellschaftlich spaltend, wenn ein Kanzler sich hier nicht wohlüberlegt ausdrückt. Er kann so etwas auch nicht, wie es dann hieß, allein in seiner Rolle als CDU-Vorsitzender sagen. Merz ist für die Menschen immer der Kanzler. Das lässt sich nicht künstlich trennen.

Sehen Sie ein sich wiederholendes Kommunikationsmuster bei Merz?

Ja. Er haut mal einen Spruch raus, ohne richtig im Blick zu haben, was das auslösen kann. Dann muss er hinterher schon mal Dinge geraderücken. Das schadet seiner Glaubwürdigkeit. Bei allen. Der Rat aus der Sicht eines Kommunikationsprofis muss sein: Merz sollte sich, bevor er sich zugespitzt äußert, besser beraten lassen.

Ist es nicht auch erfrischend, dass Merz sich freier äußert als Olaf Scholz oder Angela Merkel? Er ist doch Kanzler, nicht Bundespräsident.

Da ist selbstverständlich auch etwas dran. Aber ein Kanzler ist eben auch niemand, der folgenlos etwas dahinsagen sagen kann. Berechtigte Kritik muss er dann aushalten.

Passt Merz‘ Kommunikation gut oder schlecht in die Zeit?

Auf der Weltbühne hat gerade ein Politikertyp Konjunktur, der für Rücksichtslosigkeit und populistische Phrasen steht. Meine Hoffnung ist: Merz sollte sich nicht zu sehr am Modell Trump orientieren.

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Erstellt:
23. Oktober 2025, 17:10 Uhr

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