Messe-Branche hofft 2021 auf klassisches Geschäft

dpa Leipzig. Für die Messe-Wirtschaft war das Corona-Jahr 2020 verheerend. Auch zu Anfang dieses Jahres wird auf den Messegeländen noch nichts los sein. Trotzdem übt sich die Branche in Optimismus.

Ein Mann streicht während des Aufbaus der Hannover Messe einen Messestand. Foto: Christophe Gateau/dpa

Ein Mann streicht während des Aufbaus der Hannover Messe einen Messestand. Foto: Christophe Gateau/dpa

Wenn Markus Geisenberger und Martin Buhl-Wagner über 2021 sprechen, dann ist viel von Zuversicht die Rede. Sie sind Geschäftsführer der Leipziger Messe und streben nach dem desaströsen Corona-Jahr 2020 zurück zu herkömmlichen Messen mit persönlichen Treffen.

„Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir wollen uns persönlich erleben, um Sympathie zu entwickeln und Vertrauen zu fassen. Nur so entsteht Zusammenarbeit“ sagt Buhl-Wagner. Er ist überzeugt: „Die Pandemie zeigt überdeutlich die Unverzichtbarkeit von Präsenz-Messen und -Kongressen.“

In den ersten drei Monaten des neuen Jahres rechnet in der Branche aber noch niemand mit Publikumsveranstaltungen. Erst ab dem zweiten Quartal soll es wieder losgehen. Im Messekalender der Leipziger sticht dabei die große Buchmesse heraus, die sie extra von ihrem angestammten Termin im März in den Mai verlegt haben. Auf jeden Fall, das ist das Signal, soll es die Bücherschau in diesem Jahr geben - nachdem sie 2020 eine der ersten großen Messen gewesen war, die wegen Corona abgesagt wurde. Bundesweit folgten ihr mehr als 250 weitere abgesagte Messen, dazu unzählige Kongresse und Großveranstaltungen.

„Die Corona-Pandemie hat die deutsche Messewirtschaft 2020 in kaum vorstellbarem Ausmaß getroffen“, sagt Jörn Holtmeier, Geschäftsführer des Branchenverbandes AUMA. „Von über 360 geplanten internationalen und regionalen Messen wurden über 70 Prozent abgesagt oder in das nächste Jahr verschoben.“ Unter normalen Umständen erwirtschafte die Branche einen Umsatz von vier Milliarden Euro. 2020 wurde laut Holtmeier nur etwa ein Viertel davon erreicht. Im neuen Jahr soll besser werden, auch wenn das Vorkrisenniveau von 2019 unerreichbar bleiben wird.

Auch die umsatzstärkste deutsche Messegesellschaft, die Frankfurter Messe, hofft wieder auf bessere Geschäfte. „Derzeit kann man kaum planen. Wir schätzen den Umsatz vorsichtig auf 300 Millionen Euro, das wären 50 Millionen mehr als im vergangenen Jahr“, sagte Messechef Wolfgang Marzin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstag). 2019 hatte die Messe 736 Millionen Euro erlöst. „Wenn die aktuellen Einschränkungen und die Impfungen ihren Zweck erfüllen, sind wir zuversichtlich, dass all die Messen, die wir vom ersten in das zweite Quartal verschoben haben, auch stattfinden können“, sagte Marzin.

Die großen Messe-Gesellschaften, darunter auch die Frankfurter, sind in öffentlichem Eigentum - sie können auf finanzielle Unterstützung ihrer Besitzer, also Länder oder Kommunen, setzen. Doch wie sieht es mit all den Jobs aus, die am Messegeschäft hängen - den Messebauern, der Hotel- und Gastrobranche, den Taxifahrern und Spediteuren? AUMA-Chef Holtmeier rechnet vor, dass die Veranstaltung von Messen in normalen Jahren 28 Milliarden Euro zur Wirtschaftsleistung beitrage. Davon seien 2020 nur rund 6 Milliarden übrig geblieben.

„Das Jahr war unterm Strich verheerend. Das ist völlig unstrittig“, sagt Jan Kalbfleisch, Geschäftsführer des Fachverbands Messe- und Ausstellungsbau (Famab). Zwar sei die befürchtete große Pleitewelle unter den 5000 zumeist mittelständischen Messebau-Unternehmen bisher ausgeblieben. „Das liegt aber ausschließlich daran, dass die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ist“, sagt Kalbfleisch. Für viele Betriebe werde der Blick in die Bücher zum Bilanzstichtag 31. Dezember ein böses Erwachen bringen.

Kalbfleisch ist zudem unzufrieden mit den Corona-Hilfen der Bundesregierung. Sie wechselten zu oft, und die Novemberhilfen etwa seien so kompliziert und mit Ausnahmen belegt, dass bei den Unternehmen kaum etwas ankomme. „Wir sagen immer: Man kann fast froh sein, dass man dort nicht noch was einzahlen muss.“ Der Verbandschef fordert eine feste, fixkostenbasierte Hilfe für die Unternehmen, „statt monatlich wechselnder Programme, von denen man nicht weiß, was am Ende übrig bleibt“. 2021 rechnet Kalbfleisch erst im zweiten Halbjahr mit einer Belebung des Geschäfts.

Vor allem auf die zweite Jahreshälfte setzt auch Detlef Knaack, Chef des Messe-Caterers Fairgourmet in Leipzig. Mit 80 Mitarbeitern kümmert er sich normalerweise um die Verpflegung von Kongressen und Events. Seit April 2020 seien seine Küchen- und Servicekräfte schon in Kurzarbeit. „Wir werden auf jeden Fall Januar, Februar und März verlieren. Das holt man auch nicht mehr auf. Die Tasse Kaffee wird dann ja nicht nochmal getrunken.“ Die Lage sei bei den Konkurrenten nicht anders. „Wir teilen sonst nicht viel. Aber im Augenblick teilen wir alle das gleiche Leid.“

Nach dem abrupten Corona-Stopp für die Messen im vorigen Frühjahr haben viele Veranstalter versucht, ihre Formate ins Digitale zu retten. Das hat je nach Thema mal mehr und mal weniger gut geklappt. Laut Messe-Verband AUMA beklagen 40 Prozent der Unternehmen aus großen Investitionsgüterbranchen, die sonst auf Messen ausstellen, wirtschaftliche Einbußen, weil ihnen die traditionellen Plattformen für Geschäftsanbahnung und -abschluss fehlten. Trotz aller Zuversicht: Der Weg für die Messebranche zurück zur Normalität bleibt weit. Leipzigs Messe-Chef Martin Buhl-Wagner sagt, er wäre froh, 2021 die Hälfte des Umsatzes des Vorkrisenjahres 2019 zu erreichen.

© dpa-infocom, dpa:210107-99-928658/5

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Erstellt:
7. Januar 2021, 09:17 Uhr

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