Not-Abschluss bei Metall: Piloteinigung ohne Lohnerhöhung

dpa Düsseldorf/Frankfurt. Keine Lohnerhöhungen, dafür freie Tage zur Kinderbetreuung und Solidarfonds. Gewerkschaft und Arbeitgeber zimmern wegen der Corona-Krise in der deutschen Metall- und Elektroindustrie einen Not-Tarifabschluss.

Das Logo der IG Metall auf dem Helm eines Stahlarbeiters. Foto: Bernd Thissen/dpa

Das Logo der IG Metall auf dem Helm eines Stahlarbeiters. Foto: Bernd Thissen/dpa

Unter dem Druck der Coronakrise haben Arbeitgeber und Gewerkschaft der Metall- und Elektroindustrie einen schnellen Tarifabschluss erzielt.

Die in Nordrhein-Westfalen geschlossene Pilotvereinbarung sieht vor, die Löhne in diesem Jahr nicht mehr zu erhöhen. Arbeitnehmer mit kleinen Kindern erhalten zusätzliche freie Tage, für Kurzarbeiter soll es Ausgleichszahlungen geben. Dazu sollen die Unternehmen in Solidarfonds einzahlen, über deren Verteilung dann in den Betrieben entschieden wird, wie die IG Metall und der Unternehmerverband Metall NRW am Freitag mitteilten.

Mit der Einigung in NRW sind die regionalen Verhandlungen für die rund 4 Millionen Beschäftigten der Branche bundesweit faktisch bis zum Jahresende ausgesetzt worden. Der Präsident von Gesamtmetall, Rainer Dulger, lobte den Not-Abschluss als „Zeichen der Vernunft“. Es könnten keine Tarifverhandlungen „nach dem üblichen Muster“ geführt werden.

Beschäftigte mit Kindern bis 12 Jahren sollen bis zu fünf freie Tage zur Kinderbetreuung erhalten, wenn sie zuvor ihre Arbeitszeitkonten abgeräumt und weitere tarifliche Möglichkeiten für freie Tage ausgeschöpft haben.

Um ein möglichst hohes Kurzarbeitergeld zu erreichen, soll das Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf die monatlichen Einkommen aufgeteilt werden. Für die Unternehmen sinken durch dieses bereits in der Finanzkrise 2009 erprobte Instrument die Kosten. Die Beschäftigten erhalten im Gegenzug einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen.

Der NRW-Bezirksleiter der IG Metall, Knut Giesler, bezifferte die Belastung des einzelnen Betriebs durch den Abschluss auf 0 bis 1,5 Prozent. Die genaue Höhe hänge davon ab, in welchem Umfang die Solidarfonds in Anspruch genommen würden.

Die Unternehmen sollen in die Fonds je Vollzeitbeschäftigten 350 Euro einzahlen. Einen allgemeinen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld gibt es nicht. „Es wird nicht jeder etwas aus diesem Topf bekommen“, sagte Giesler. Gezahlt werde dort, „wo die Not am größten ist“. Über die Verteilung des Geldes wird in den Betrieben entschieden.

Mit dem Topf könne man die Nettoentgelte der Beschäftigten in den ersten Monaten bei etwa 80 Prozent des Normalniveaus absichern, erklärte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. Das reiche angesichts einer flächendeckenden „Kurzarbeit Null“ aber bei weitem nicht aus. In dieser Woche hatten die großen Automobil-Hersteller angekündigt, ihre Werke zu schließen.

Hofmann kritisierte insbesondere die Bundesregierung, die bislang keine umfassende Unterstützung für Kurzarbeiter geschaffen habe, auf der anderen Seite aber Milliardenpakete für Unternehmen und Freiberufler schnüre. In der Krise seien aber nicht nur Industriearbeiter betroffen: „In allen tariflosen Betrieben und in Branchen ohne starke Tarifpartnerschaft stehen die Menschen im Regen. Eine schlagartige Reduzierung des Einkommens um über 40 Prozent kann kein Familienhaushalt tragen.“

Der Präsident der NRW-Metallarbeitgeber, Arndt G. Kirchhoff, betonte, der Kompromiss habe das Ziel, Unternehmen nicht weiter zu belasten und die Beschäftigten zu unterstützen. „In dieser außergewöhnlich schwierigen Situation bietet dieser Tarifabschluss unseren Unternehmen und unseren Beschäftigten wertvolle Planungssicherheit.“ Es sei angesichts des Fachkräftemangels erklärtes Ziel, die Belegschaften komplett zu halten. „Es soll keiner von Bord gehen.“

Der Not-Abschluss verlängert den eigentlich zum 31. März gekündigten Entgelt-Tarifvertrag bis zum Jahresende 2020 ohne weitere Erhöhungen. Wegen der vereinbarten Friedenspflicht sind bis zum 29. Januar 2021 keine Warnstreiks erlaubt.

Die IG Metall hatte ursprünglich auf eine konkrete Lohnforderung verzichtet und wollte stattdessen Jobs in den anstehenden Modernisierungsschüben sichern. Außerdem wollte die Gewerkschaft Regelungen verankern, wie Unternehmen bei Auftragsflauten reagieren. Stichworte dazu sind Qualifizierungen, Stopp von Mehrarbeit, Nutzung von Arbeitszeitkonten und Aufzahlungen bei Kurzarbeit. Diese Themen würden nach der Krise wieder aufgenommen, kündigten Hofmann und Giesler an.

Nach Hofmanns Worten hat der Vorstand der IG Metall den Pilotabschluss bereits gebilligt und den übrigen Bezirken zur Übernahme empfohlen. Lediglich in Baden-Württemberg gebe es bereits einen wirksamen Vertrag zur Aufstockung von Kurzarbeitergeld, so dass dort andere Themen behandelt werden müssten. Wenn der Arbeitgeberbundesverband Gesamtmetall mitziehe müsse keine Zeit verplempert werden und die Abschlüsse könnten schon über das Wochenende unterzeichnet werden. Erste IG Metall-Bezirke signalisierten bereits ihren Willen zur Übernahme.

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Erstellt:
20. März 2020, 11:54 Uhr

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