Flüchtlingsgipfel in Berlin

Migration – der Bund soll helfen

Vertreter von Bundesländern und Kommunen kommen nach Berlin, um mit Nancy Faeser über die Flüchtlingsaufnahme zu reden. Beim Thema Geld wird sich die Regierung aber bedeckt halten.

Bundesinnenminister Nancy Faeser (SPD) hat zu einem Flüchtlingsgipfel an diesem Donnerstag nach Berlin geladen.

© dpa/Michael Kappeler

Bundesinnenminister Nancy Faeser (SPD) hat zu einem Flüchtlingsgipfel an diesem Donnerstag nach Berlin geladen.

Von Norbert Wallet

Am Donnerstag trifft sich in Berlin eine hochrangige Runde. Bei den etwas pompös „Flüchtlingsgipfel“ genannten Beratungen sollen Wege gefunden werden, die angespannte Lage im Zusammenhang mit der Aufnahme von Schutzbedürftigen und Asylbewerbern zu verbessern. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wer sind die Teilnehmer beim Flüchtlingsgipfel?

Die Idee ist, die drei Verwaltungsebenen Bund, Länder und Kommunen an einen Tisch zu bringen. Eingeladen hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD.) Für den Bund wird auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, und der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp, teilnehmen. Dazu kommen die zuständigen Länderminister und die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände.

Wie groß ist der Andrang an Asylbewerbern und Kriegsflüchtlingen?

Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine hat Deutschland 1 062 000 Menschen aufgenommen, die vor den Kampfhandlungen geflohen sind. Im vergangenen Jahr sind aber auch 244 000 Asylbewerber in Deutschland angekommen. Das bedeutete eine Steigerung um 27,9 Prozent. Die Hauptherkunftsländer waren Syrien, Afghanistan, die Türkei und der Irak. Allein im Januar wurden rund 29 000 Erstanträge gestellt. Es deutet also nichts auf eine Entspannung der Lage hin.

Wie ausgelastet sind die Aufnahme-Kapazitäten der Unterbringung?

Zwar haben inzwischen alle Bundesländer seit dem Beginn des Ukraine-Krieges ihre Aufnahmekapazitäten deutlich erweitert – seit März 2022 wurden etwa 75 000 Plätze geschaffen –, das reicht aber bei Weitem nicht aus. In allen Bundesländern sind die Aufnahmekapazitäten stark ausgelastet. Eine aktuelle Umfrage des Mediendienstes Integration zeigt, dass die Belegung der Erstaufnahmeeinrichtungen stark variiert. In Bayern sind die Aufnahmeeinrichtungen beispielsweise zu rund 90 Prozent ausgelastet, in Hessen dagegen nur zu 50 Prozent. Besonders angespannt ist die Situation dabei in den Großstädten. In vielen Landkreisen befürchtet man, dass die Kommunen nun nicht mehr um die Belegung von Turnhallen herumkommen werden.

Was hat die Bundesregierung unternommen, um den Kommunen zu helfen?

Für 2022 hatte die Bundesregierung Ländern und Kommunen pauschal zwei Milliarden Euro zur Versorgung der Menschen aus der Ukraine zugesagt. Im Oktober wurde dies um 1,5 Milliarden erhöht – und zwar für 2022 und 2023. In diesem Jahr sollen weitere 1,25 Milliarden hinzukommen, sodass für 2023 bislang 2,75 Milliarden zu Buche stehen. Der Bund hat den Kommunen inzwischen 330 Liegenschaften des Bundes mit einer Kapazität von insgesamt 68 000 Plätze zur mietfreien Nutzung zur Verfügung gestellt. Die Kommunen beklagen aber, dass sie viele Gebäude teils sehr aufwendig für den neuen Nutzungszweck herrichten müssen.

Was fordern die Kommunen?

Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, forderte gegenüber unserer Zeitung „konkrete Ergebnisse“. Wichtige Fragen seien „die Unterbringung Geflüchteter und die Begrenzung irregulärer Migration nach Deutschland“. Zu einer breiten Unterstützung aus Berlin zählten aber auch finanzielle Bedarfe, sagte Sager: „So fordern wir seit Langem die vollständige Übernahme der Unterkunftskosten für anerkannte Flüchtlinge.“ Dabei geht es um eine Summe von zusätzlich zwei Milliarden Euro aus der Bundeskasse.

Was kann der Bund anbieten?

Es ist ziemlich sicher, dass beim Thema Finanzen für Länder und Kommunen nichts zu holen sein wird. Vor allem Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte sich sperrig gegenüber den Wünschen der Kommunen gezeigt. Das heißt aber nicht, dass es bei den Finanzen gar keine Bewegung geben wird. Es wird spekuliert, dass die nächste Konferenz der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler im kommenden März eine Lösung bringen könnte. Der Bund denkt eher an praktische Hilfen: So soll über das beschleunigte serielle Bauen von Flüchtlingsunterkünften gesprochen werden. Vermutlich wird Faeser auch eine Liste weiterer nutzbarer Bundesliegenschaften vorlegen. Es soll auch darum gehen, welche Hindernisse für die Arbeitsaufnahme Geflüchteter abgebaut werden können, um deren Integration in den Arbeitsmarkt zu verbessern.

Welche weiteren Themen werden eine Rolle spielen?

Die Bundesinnenministerin hat ein Interesse, deutlich zu machen, dass es nicht nur um Aufnahme geht, sondern auch um eine verbesserte Abschiebung von Personen ohne Bleibeberechtigung. Dass hier ganz praktische Verbesserungen notwendig sind, zeigte zuletzt in tragischer Weise der Fall des Attentäters von Brockstedt, dessen Abschiebung möglich gewesen wäre, hätten die beteiligten Behörden besser kooperiert. Bei der Gipfelrunde wird auch der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp, dabei sein. Nancy Faeser wird zudem Fragen beantworten müssen, zu welchen neuen Belastungen die von ihr zugesagte Aufnahme von Opfern des schlimmen Erdbebens in Syrien und der Türkei führen kann.

Was sagt die Opposition?

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm, sagte unserer Zeitung, die Ampelkoalition sei mit ihrem Migrationskurs „gegen die Wand gefahren“. Vielfache Signale einer Öffnung hätten „für die starke Zunahme illegaler Migration gesorgt“. Dies führe zusammen mit der notwendigen Hilfe für unsere ukrainischen Nachbarn zu einer Überlastung der Kommunen. Die Bundesregierung sei gefordert, „für wirksame Unterstützung und Entlastung zu sorgen“.

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Erstellt:
15. Februar 2023, 16:56 Uhr
Aktualisiert:
15. Februar 2023, 22:04 Uhr

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