Millionenstreit um Batteriefabrik: doch eine Ulm-Empfehlung?

dpa/lsw Ulm. Es geht um Millionen - und um die globale Konkurrenzfähigkeit Deutschlands. Da hätten sich viele mehr Transparenz bei der Weichenstellung für die künftige Batterieforschung gewünscht.

Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. Foto: Soeren Stache/Archivbild

Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. Foto: Soeren Stache/Archivbild

Mehr als drei Wochen nach der Entscheidung der Bundesregierung für Münster anstelle von Ulm als Standort einer Forschungsfabrik für Batteriezellen gehen die Debatten darum weiter. Abgeordnete mehrerer Parteien riefen Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) auf, alle Einzelheiten der Entscheidungsfindung offenzulegen. Karliczeks Sprecher Ulrich Scharlack bekräftigte daraufhin am Freitag die Darstellung der Ministerin, dass es seitens der sogenannten Gründungskommission mit Experten und Vertretern der Industrie keine Empfehlung für Ulm oder einen anderen Standort gegeben habe. „Jede andere Behauptung ist falsch und wahrheitswidrig“, sagte Scharlack.

Zuvor hatte der Berliner „Tagesspiegel“ über ein ihm vorliegendes Schreiben aus dem Kreis der Gründungskommission berichtet. Darin sei Ulm als Standort für den Bau der mit einer halben Milliarde Euro vom Bund geförderten Forschungsfabrik empfohlen worden. Scharlack zufolge handelt es sich dabei aber lediglich um den Entwurf eines einzelnen Mitglieds der Kommission mit einem Votum für Ulm - aber nicht um eine von den anderen Experten mitgetragene Empfehlung.

Der in einigen Medien zitierte Entwurf sei in einem dazugehörigen Anschreiben des Verfassers an das Forschungsministerium vom 23. Juni als „Input“ und „Diskussionsbeitrag“ charakterisiert worden, so der Sprecher. Wörtlich laute es in dem Anschreiben: „Der Beitrag ist selbstverständlich nicht als Vorwegnahme einer Entscheidung zu verstehen.“ In der für die Standortwahl ausschlaggebenden Sitzung im Ministerium am 25. Juni sei das Schreiben gar nicht behandelt worden.

Die Ulmer SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis erklärte unter Hinweis auf Medienberichte: „Ich erwarte endlich eine eindeutige Erklärung über die Standortwahl und keine halbgaren Ausflüchte mehr.“ Ähnliche Forderungen erhoben Politiker der Grünen. Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) hatte bereits zuvor die lückenlose Offenlegung der Entscheidungsfindung angemahnt.

Die Ulmer CDU-Bundestagsabgeordnete Ronja Kemmer sagte: „Eine Offenlegung der vollständigen Sitzungsunterlagen und Abläufe wäre für alle beteiligten Seiten der ehrlichste Weg.“ Der offensichtliche Widerspruch zwischen Angaben des Forschungsministeriums und der Presse zeige, „dass noch nicht alle Unklarheiten ausgeräumt wurden“.

Vollständige Aufklärung verlangte auch die FDP. Sie warf der Ministerin einen „unwürdige Salamitaktik“ vor. „Frau Karliczek gibt nur nachträglich zu, was ohnehin schon vorher von Dritten Stück für Stück ans Licht befördert wurde“, sagte der baden-württembergische FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer. Zu klären sei unter anderem, wieso eine Empfehlung für Ulm von mindestens einem Experte und vielleicht sogar einer Mehrheit in der Kommission nicht in der entscheidenden Sitzung des Gremiums diskutiert worden sei.

Zur Frage, wieso von der Gründungskommission keine offizielle Empfehlung abgegeben worden sei, erklärte das Forschungsministerium: „Dies hätte für einige Vertreter von Unternehmen Interessenkonflikte hervorrufen können, so dass von einer solchen konkreten Empfehlung oder Reihung möglicher Standorte ausdrücklich abgesehen wurde.“ Dies wird nun allerdings bezweifelt.

Mitglieder der Gründungskommission waren zur Verschwiegenheit verpflichtete Vertreter von an der Batterieproduktion interessierten Unternehmen, des Forschungs- und des Wirtschaftsministeriums sowie der Fraunhofer-Gesellschaft. Ausschlaggebend für Münster war nach Angaben des Karliczek-Ministeriums, dass die Bewerbung der Stadt Münster einen „überzeugenden und rechtlich realisierbaren Ansatz, wie die testweise produzierten Batterien optimal genutzt und nach der Nutzungsphase über ein Recycling-System wiederverwertet werden können“ beinhaltet habe.

Derweil beharrt Bayern nach der gescheiterten Kandidatur Augsburgs für die Batterieforschungsfabrik auf einer Millionenförderung. „Ich erwarte, dass man uns im Süden nicht hängen lässt, der Förderbeitrag aus Berlin muss für uns schon einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag ausmachen“, sagte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) der „Augsburger Allgemeinen“.

Er kritisierte, die Erklärungsversuche von Forschungsministerin Karliczek für die Entscheidung zugunsten Münsters seien unzureichend. Augsburg soll nun laut Karliczek ebenso wie Ulm und Karlsruhe sowie Salzgitter als ein mit Münster verbundener Standort der Batteriezellenforschung gefördert werden.

An der Wahl Münsters hatte es von Anfang an Kritik gegeben - auch, weil Karliczek aus Ibbenbüren in der Nähe von Münster kommt. Die Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU/Bayern), Winfried Kretschmann (Grüne/Baden-Württemberg) und Stephan Weil (SPD/Niedersachsen) hatten sich in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Entscheidung beschwert.

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Erstellt:
19. Juli 2019, 17:43 Uhr

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