Mischung aus poetischem Pop, Poetry-Slam und Rap

„Humor meets Music“ lautet das Motto in der Auenwaldhalle zum Thema Vielfalt und Toleranz – Wenig Zuhörer, aber ausgelassene Stimmung

Leise und poetisch ist der Einstieg mit der Liedermacherin Nadine Fingerhut. „Hallo Leben, hallo Liebe, hallo Weltschmerz..„, singt sie mit sanfter Stimme, zu der man sich bei dem Dauerregen draußen am liebsten auf ein gemütliches Sofa kuscheln möchte. Unter dem Motto „Humor meets Music“ wurde in die Auenwaldhalle eingeladen.

Der musikalische Part: Nadine Fabienne Fingerhut mit Frank Wesemann und Erik Regul (links). Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Der musikalische Part: Nadine Fabienne Fingerhut mit Frank Wesemann und Erik Regul (links). Foto: J. Fiedler

Von Ute Gruber

AUENWALD. Musik und Humor zusammenzubringen, das ist das Ziel dieser Veranstaltung, die von Dani Suara vom Backnanger Musikveranstalter Mamagei entertainment&services organisiert wurde. Poetischer Pop, Poetry-Slam und Rap wechseln sich in einer unterhaltsamen Mischung dabei ab.

Der Musik folgt die erste Entscheidung im Poetry-Slam: Marius Loy und Nikita Gorbunov buhlen nacheinander mit ihren lyrischen Kurz-Einlagen um die Gunst des Publikums. Marius Loys „Leben läuft in geregelten Bahnen“, er hat „Zeit für abstrakte Gedanken“, sein „Einkaufszettel ist ein Fairtrade-Versprechen“. Er stellt fest: „Wir führen nur noch Wirtschaftskriege und empfiehlt: Kind, nimm die Ängste nicht so ernst, wenn sie irrational sind.“

Nikita Gorbunov lässt sich zunächst aus dem Publikum ein Wort zurufen, um es in seinen vorbereiteten Text einzufügen. „Penis!“ schallt es da dreist und deutlich. Der Profi lässt sich nicht beirren, sinniert zuerst mal, wie denn da der korrekte Plural wäre: „Penisa?!“ und trägt den rhythmischen Text mit den eingesetzten Penes oder Penissen (laut Duden) zum johlenden Vergnügen des Publikums – und ohne rot zu werden – vor. „Sonst sagen die Leute: Apfel, oder so was.“ Dann nimmt der bärtige Stuttgarter mit russischen Wurzeln das Veranstaltungsmotto Vielfalt auf die Schippe, denn er als Entertainer „mit einem leuchtend strahlenden Migrationshintergrund“ solle ständig was zum Thema Vielfalt machen. „Frau Gorbunov“ werde er dann von Veranstaltern ohne Kenntnisse der russischen Vornamensgebung angeschrieben, „wollen Sie nicht was zu Vielfalt machen?“ Und so habe er jetzt „auf Vielfältigkeitsveranstaltungen alles vervielfältig, was sich vervielfältigen lässt“. Gebetsmühlenhaft werde Toleranz gepredigt, Menschen aus 317 Nationen schnauften in Stuttgart friedlich Feinstaub ein. „In Kornwestheim haben sie eine Nation mehr als wir – tauschen wir ein paar Mongolen ein, die sind selten hier.“ Eine Woche gegen Rassismus sei wie Kehrwoche auf einer sauberen Treppe: „Ich kann so nicht arbeiten: Wo sind die Rassisten!?“

Dann gibt Applaus für Rapper Redick. Der Backnanger und unter anderem Gewinner des Nachwuchsfestivals im Rahmen des Backnanger Straßenfests, rappt: „Allen geht es schlecht, es geht um Tod oder Leben, vor allem aber um Geld.“ In der zweiten Runde der Dichterschlacht hinterfragt der deutsche Vizemeister von 2016, Nik Salsflausen, die positive Bewertung des Begriffes Menschlichkeit: „Menschsein – das ist nicht nur arte, Menschsein ist das ganze Fernsehprogramm.“ Auch Hass, Gewalt, Grausamkeit seien menschlich. „Oder stellt etwa ein Pinguin das Nacktfoto seiner Ex ins Internet?!“ Kontrahent Kai Bosch ist ein Phänomen: Der 21-Jährige wuchs als chronischer Stotterer auf, war aber fasziniert von Sprache und hat zunächst ein Buch geschrieben. „Sprache hat mich fasziniert. Ich wollte aber nicht nur schreiben, sondern auch sprechen“, erinnert sich Kai in einem Interview. Mit Hartnäckigkeit und Intensivkursen schaffte er es zum U-20 Poetry-Slam-Meister. Poetisch und nachdenklich sind seine witzigen Wortspiele.

Am Ende gibt es

Pokale für alle

Organisator Dani Suara moderiert die Auftritte. Nachdem der vorgesehene Moderator ausgefallen ist, sei er heute Mädchen für alles: Vor, hinter und auf der Bühne betreut er Pressevertreter, koordiniert die Einsätze der Künstler, macht die Ansagen und singt zuletzt noch im Duo mit Musikerkollege – „Bruder“ - Redick. Zuletzt gibt es Pokale für alle: Einen ersten Platz für den geborenen Moskauer Nikita Gorbunov, einen zweiten für den Wortkünstler Kai Bosch, den dritten und vierten für Nik Salsflausen beziehungsweise Marius Loy. Gänzlich verzichten musste man auf Starcomedian Benaissa Lamroubal, der krankheitsbedingt abgesagt hat.

Die überschaubare Zuschauermenge beklatschte die Auftritte. Der Wechsel zwischen gereimtem Gedankenbeschuss und musikalischen Einlagen kam an. Trotz der wenigen Zuhörer herrschte eine prächtige Stimmung im Saal. Veranstalter des Abends war der Jugendtreff Auenwald in Zusammenarbeit mit dem Kulturkreis Weissacher Tal, der Initiative „Wir für Jugendbeteiligung“, die Musicbar „Das Wohnzimmer“ kümmerte sich um die Bewirtung, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützte die Initiative finanziell im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.

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Erstellt:
24. Dezember 2018, 06:00 Uhr

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