Mit dem Vierbeiner gegen die Angst

Labradoodle Ilsa begrüßt die Patienten von Zahnärztin Christoff, Mischling Hugo hat seinen Platz in der Logopädiepraxis Lank.

Labrador/Border-Collie-Mischling Hugo mit Logopädin Katrin Lank. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Labrador/Border-Collie-Mischling Hugo mit Logopädin Katrin Lank. Foto: A. Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

BACKNANG. Egal, wie alt man ist – Haustiere bereichern das Leben. Dass Tiere, und insbesondere Hunde, wichtige Helfer und Alltagsbegleiter sein können, beweist schon ihr jahrzehntelanger Einsatz als Blinden- oder Lawinenhund. Und auch in immer mehr Therapieeinrichtungen oder Praxen kommt der vierbeinige Helfer zum Einsatz. Auch bei Zahnärztin Eva Christoff gehört eine vierbeinige Mitarbeiterin dazu. Ilsa ist noch recht jung, erst zwei Jahre zählt die Labradoodle-Dame. Mit ihrem flauschigen Aussehen gleicht sie einem Teddy, das nimmt vielen Patienten die Furcht vor dem Zahnarztbesuch in der Backnanger Praxis.

Um ihren Patienten das unangenehme Gefühl zu nehmen, das doch viele beschleicht, wenn man eine Zahnarztpraxis betritt, hat sich Christoff einiges einfallen lassen. So arbeitet sie mit Aromatherapie, um schon einmal den typischen Praxengeruch zu eliminieren. Auch Techniken aus der Hypnoseausbildung nutzt sie erfolgreich, um den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Und dann kam eben der Gedanke auf, einen vierbeinigen Helfer einzusetzen.

„Durch Tiere entsteht eine angenehme Energie. Und die Labradoodle sind unendlich empathisch“, erklärt Eva Christoff, warum die Wahl auf diese Rasse gefallen ist. Die Hunde haaren nicht und sind auch für Allergiker geeignet, also hypoallergen. Bei der Arbeit verhält sich Ilsa vorbildlich. Sie bellt nicht, sie springt nicht an Menschen hoch. Und mit ihrer etwa kniehohen Größe ist sie klein genug, um nicht an die hygienisch einwandfrei aufbereiteten Instrumente gelangen zu können. Schon als Welpe kam sie mit in die Praxis. Nach der Welpenschule hat dann ein „Personal Trainer“ mit ihr erarbeitet, was für ihren Alltag als therapeutische Begleiterin wichtig ist. Patienten werden darauf hingewiesen, dass ein Hund in der Praxis ist. Möchte jemand keinen Kontakt, wird das in der Patientenakte vermerkt. „Aber viele verlangen nach ihr“, so Christoff, „und sind enttäuscht, wenn sie mal nicht da ist.“

Ilsa muss nicht viel machen, sondern nur da sein und Ruhe ausstrahlen.

Für Eva Christoff und ihre Mitarbeiterinnen ist Ilsa ebenso ein Gewinn wie für die Patienten: „Sie tut gut.“ Und dafür muss Ilsa eigentlich gar nicht viel machen, nur da sein und Ruhe ausstrahlen. Die knuffige Hundedame einfach mal streicheln. Das hilft schon sehr. „Manche Patienten krallen sich richtig fest in den Hund. Doch das lässt dann nach“, hat Christoff beobachtet. Jedenfalls garantiert die kluge, gelehrige, familienfreundliche und anhängliche Ilsa, dass viele Patienten mit einem Lächeln ihren Zahnarztbesuch beginnen, wenn sie am Empfang stehend Ilsa entdecken. Das „Alles-halb-so-schlimm-Gefühl“ verdrängt mehr und mehr das zuweilen etwas mulmige Gefühl in der Magengrube. Das ist wirklich unglaublich viel. Und wenn später zu Hause die erste Frage nicht lautet „War’s schlimm?“, sondern „Hast du Ilsa gesehen?“, dann ist dies tierisch gut.

Auch in der Praxis für Logopädie von Katrin Lank in Backnang gibt es einen Vierbeiner. Als der Labrador/Border-Collie-Mischling Hugo mit einem Jahr, aus dem Tierschutz vermittelt, zu Familie Lank kam, war er zwar ein sehr netter, aber „überhaupt nicht erzogener Hund“, sagt die Logopädin lachend. Daher hieß es zunächst einmal – ab in die Hundeschule. Im Anschluss daran wurde mit der Ausbildung zum Therapiehund begonnen. Die Voraussetzungen dafür waren sehr gut, denn Hugo ist nicht nur gutmütig und intelligent, er möchte auch arbeiten und seinem Besitzer gefallen, das zeichnet die beiden Hunderassen aus. Ein halbes Jahr lang ging es jede Woche einmal nach Göppingen zur Ausbildung bei der Interessengemeinschaft Therapiehunde. Ein wichtiges Element dabei: Der Hund muss seinem Hundeführer mitteilen können, wenn ihm eine Situation zu viel wird, damit dieser ihn aus der Situation holen kann. Keinesfalls darf der Hund das selbst regeln. Hugo hat die Prüfungen erfolgreich bestanden.

Mittlerweile ist er sieben Jahre alt und der Liebling von Mitarbeitern und Patienten. „Für Kinder ist es besonders spannend, zu sehen, dass etwas passiert, wenn man mit dem Hund spricht“, verrät Katrin Lank. Und er schafft es sogar, dass „hippelige“ und nervöse Kinder während der Therapie ruhiger werden. Denn Hugo ruht dann unter dem Tisch und die kleinen Patienten versprechen gern, sich so zu verhalten, dass der schwarze Vierbeiner mit dem treuherzigen Blick nicht in seinem Nickerchen gestört wird: „Das funktioniert viel besser, als Kinder ständig zu ermahnen, dass sie ruhiger und konzentrierter sein sollen.“

Ein Kind wollte nicht mit der Logopädin sprechen, sondern las dem Hund Geschichten vor.

Doch nicht nur Kinder reagieren positiv auf ihn. Einmal in der Woche besucht das Hugo/Lank-Team eine Demenzstation im Altenheim. Vor Hugo war es wesentlich schwieriger, die Bewohner zu motivieren; mittlerweile warten sie schon freudig im Foyer, bis der Rüde und sein Frauchen kommen.

In der Praxis hat Hugo seinen festen Platz unter einem Tisch in einer Ecke des Raumes. Das ist seine Ecke; wenn er sich dort aufhält, darf ihn niemand stören, das ist sehr wichtig. Kommt ein Patient, der zurückhaltender ist oder den Hund nicht im Raum haben möchte, wird auf diesen Wunsch eingegangen. So lange ist Hugo dann in einem anderen Raum. Doch tatsächlich hatte Katrin Lank in den vergangenen viereinhalb Jahren mit Kollege Hugo bisher nur zwei Patienten, die den Hund nicht dabei haben wollten. Viele haben sich recht schnell geöffnet.

So gibt es etwa das eine Kind, das zwar zu Beginn der Therapie noch nicht mit der Logopädin sprechen wollte, aber mit großer Hingabe dem vierbeinigen Therapeuten Geschichten aus Kinderbüchern vorlas. Oder das Kind mit Downsyndrom, das zu Beginn absolut nichts mit ihm zu tun haben wollte. Mittlerweile steht der Hund so im Vordergrund, dass das Kind gleich wieder heim möchte, wenn Hugo mal einen freien Tag hat.

„Ein Hund ist völlig wertungsfrei“, erklärt Katrin Lank. „Er korrigiert nicht. Er spielt einfach weiter.“ Ältere Patienten werden aktiver und lebendiger, wenn sie das Gefühl vermittelt bekommen, gebraucht zu werden, beispielsweise den Hund an der Leine zu halten. Und Kinder sind unglaublich stolz, wenn der Hund auf sie gehört hat.

Die beiden Hunde unterscheiden übrigens sehr genau zwischen Heim und Arbeit. Und während sie sich im Job ganz vorbildlich und diszipliniert verhalten, geht es zu Hause gern mal anders zu. Da wird dann auch mal getobt. Jeder hat schließlich ein Recht auf Feierabend. Den gönnen wir Ilsa und Hugo von Herzen.

Spiel mit der Chefin: Zahnärztin Eva Christoff mit der Labradoodle-Dame Ilsa. Foto: V. Weinbeer

Spiel mit der Chefin: Zahnärztin Eva Christoff mit der Labradoodle-Dame Ilsa. Foto: V. Weinbeer

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Erstellt:
25. November 2020, 11:30 Uhr

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