Mit der Kuh auf Du und Du

Gymnasiastin Annika Barden aus Freiburg hat während der Sommerferien in einem Milchviehbetrieb in Sulzbach mitgearbeitet.

Mit den tierischen Bewohnern des Bauernhofs hat sich Annika Barden schnell angefreundet. Auch der Besuch bei einer Zuchtviehauktion gehörte zu ihrem Praktikum. Foto: U. Gruber

Mit den tierischen Bewohnern des Bauernhofs hat sich Annika Barden schnell angefreundet. Auch der Besuch bei einer Zuchtviehauktion gehörte zu ihrem Praktikum. Foto: U. Gruber

SULZBACH AN DER MURR. Landleben live – so heißt das Programm des Evangelischen Bauernwerks Württemberg, das Annika Barden aus Freiburg im Breisgau einen Einblick in die Landwirtschaft verschaffte. Für drei Wochen während der Sommerferien lebte und arbeitete die 17-jährige Gymnasiastin auf dem Milchviehbetrieb von Frank und Ute Gruber in Sulzbach an der Murr. In ihrem Bericht schildert die Städterin ihre Eindrücke vom Leben auf dem Land:

„Was klingt schöner, als während der Ferien früh aufzustehen und zu arbeiten? Vieles wahrscheinlich. Urlaub auf dem Bauernhof zum Beispiel, inklusive Kälber füttern, Babykatzen streicheln und mit dem Hofhund spielen. Das alles und noch viel mehr durfte ich diese Sommerferien auf dem Hof von Grubers machen. Dorthin wurde ich nämlich für ein dreiwöchiges Praktikum vermittelt.

Morgens geht’s erst mal ab in den Stall. Ich bin dafür zuständig, die Kühe in den Melkstand zu treiben. Hilfe bekomme ich dabei von Hofhund Robby, der jeden Morgen schon vor der jungen Bäuerin und mir hoch motiviert vor dem Stall steht. Es ist ein echt cooles Gefühl, Teamarbeit mit einem Hund zu machen. Auch wenn er manchmal genau da auf die Kühe lauert, wo ich sie hintreiben will. Vielleicht verstehe ich aber auch einfach seine Logik noch nicht ganz.

Sind alle Kühe dann erst mal da, wo sie sein sollen, helfe ich beim Abwischen der Zitzen und beim „Anmelken“. Anfangs stand ich teilweise Ewigkeiten bei derselben Kuh herum und es wollte einfach keine Milch kommen. Nach ein paar Tagen war das aber schon kein Problem mehr – ein motivierender Fortschritt. Während die Kühe an der Melkmaschine sind, habe ich Zeit, Landwirtschaftsmeisterin Magda mit Fragen zu löchern. Und ich bin erstaunt, wie verschieden die Zitzen von Tier zu Tier sind. Hätte ich nie gedacht, dass die Unterschiede bei Kühen derselben Rasse so groß sind. Kein Wunder erkennt Magda viele ihrer Kühe schon am Euter.

Nachdem alle Kühe gemolken sind und der Melkstand aufgeräumt und geputzt ist, ist es Zeit fürs Frühstück. Beim Händewaschen und einem Blick in den Spiegel frage ich mich jedes Mal aufs Neue, wie ich es schaffe, in so kurzer Zeit so voller Dreckspritzer zu sein. Es ist echt ungewohnt, sich zu waschen, weil man tatsächlich sichtbar dreckig ist und nicht nur aus reiner Hygiene.

Beim Gespräch am Frühstückstisch bekomme ich dann so allerhand mit, was für landwirtschaftliche Betriebe wichtig ist: Zum Beispiel, wie wenig für Äpfel bezahlt wird – nämlich sieben Cent für ein Kilo Mostobst – und wie sich die Trockenheit auf den Feldern bemerkbar macht. Besprochen wird natürlich auch, welche Arbeiten für den Tag anstehen. Dass diese so unterschiedlich sein können, hätte ich nie gedacht. Aber genau das macht es interessant: An einem Tag bin ich zum Beispiel beim Honigschleudern dabei. Ehrlich gesagt, habe ich mir zuvor noch nie überlegt, wie der Honig wohl aus der Wabe herausgeholt wird – und jetzt kann ich es direkt selber ausprobieren. Nebenbei erzählt mir Bäuerin Ute noch einiges über Bienen. Wirklich faszinierende Tiere. Und gar nicht so aggressiv, wie es immer heißt: Obwohl wir nur mit Rauch und ohne Schutzanzug ausgestattet die Waben aus den Zargen nehmen, werde ich nicht gestochen.

Ganz neu war für mich auch, dass Fahrsilos jedes Mal vor dem Befüllen mit einem speziellen schwarzen Lack gestrichen werden müssen, um die Wand vor der Säure der gärenden Silage zu schützen. Das gehört zu den vielen arbeitsintensiven Dingen, von denen Stadtmenschen wie ich nichts wissen.

Generell habe ich gelernt, dass Milchviehhaltung mit viel mehr Aufwand verbunden ist, als ich dachte: Futter anbauen, schneiden, silieren, abdecken, mischen und verteilen. Kühe melken, bei Krankheit behandeln, besamen, Trächtigkeit kontrollieren, bei der Geburt helfen, Kälber versorgen. Jeder mit einem eigenen Betrieb weiß, dass diese Liste endlos weiterginge. Was auch bedeutet, dass es hier endlos viele Dinge zu lernen, erleben und ausprobieren gibt. Für diese Fülle an neuen Erfahrungen stehe ich dann auch in den Ferien gerne früh auf.“

Landleben-live

Ob als Aktivferien oder zur Berufsorientierung – Landleben-live ist ein Angebot für Jugendliche ab 14 Jahren und Landwirtsfamilien. Das Evangelische Bauernwerk vermittelt jährlich zwischen 70 und 100 Jugendliche auf Höfe. Teilnehmer ab 16 Jahren können auch in andere Bundesländer und in die Schweiz vermittelt werden.

Das Programm will Brücken zwischen Städtern und Landbewohnern schaffen und die Wertschätzung für die Landwirtschaft erhöhen. Manche Teilnehmer entdecken dabei sogar ihre Berufung für den späteren beruflichen Weg.

Interessierte Jugendliche (oder auch Erwachsene) wenden sich an Bildungsreferentin Veronika Grossenbacher vom Evangelischen Bauernwerk unter 07942/
107-12 oder per E-Mail an v.grossenbacher@hohebuch.de. Weitere Informationen gibt es unter www.landleben-live.de.

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Erstellt:
24. September 2020, 16:00 Uhr

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