Mit einer App für die Steillagen werben

Die steilen Rebhänge im Landkreis Ludwigsburg sollen noch besser als bisher vermarktet werden. Der Kreis lässt sich das 65000 Euro kosten. In Rosswag setzt die Genossenschaft auf Patenschaften, in Hessigheim sucht das Consortium Montis Casei Jungwinzer.

Von Herbst an soll es die App fürs Smartphone geben. Foto: S. Granville

© Simon Granville

Von Herbst an soll es die App fürs Smartphone geben. Foto: S. Granville

Von Andreas Hennings und Karin Götz

LUDWIGSBURG. Der Landkreis Ludwigsburg ist der Kreis mit den meisten Steillagen – bundesweit. 23 Hektar sind es an der Zahl. Dieses Alleinstellungsmerkmal möchte der Kreis bekannter machen und als Markenzeichen etablieren. Beworben werden sollen die Steillagen mit einer Webseite und einer App. Das Motto dieses Marketingprojekts lautet: „Echt. Schön. Schräg.“ Der Ausschuss für Umwelt und Technik des Ludwigsburger Kreistags hatte der Planung und Finanzierung bereits zugestimmt und gab jetzt auch grünes Licht für die ausgearbeitete Marketingstrategie, die 65000 Euro kosten soll.

Von diesem Herbst an soll eine App kostenfrei zum Herunterladen bereitstehen. Ihr Inhalt basiert auf drei Säulen: Wissen vermitteln über die Steillagen und ihre Bewirtschaftung , den Tourismus entlang von Neckar und Enz ankurbeln und die Wirtschaft fördern, etwa die Wengerter und die Genossenschaften.

Mit ihnen wurde bei der Erstellung des Inhalts auch zusammengearbeitet, ebenso wie mit den Tourismusgemeinschaften. Maßgeblich involviert sind darüber hinaus sieben Kommunen zwischen Bönnigheim und Ludwigsburg, die sich dem Projekt angeschlossen hatten und es mitfinanzieren. „Ziel ist es, dass auch die anderen Gemeinden noch mitmachen. Erst einmal handelt es sich aber um ein gefördertes Projekt, und das beinhaltet die sieben Kommunen“, betont Stefanie Bartzsch, die Leiterin des Kreis-Geschäftsbereichs Controlling und Landkreisentwicklung. In der App soll das ganze Kreisgebiet aufgeführt sein – ohne Werbung für aktuelle Events zu machen. Die Webseite ist zudem als Schnittstelle aller Beteiligten gedacht – nicht aber als Doppelung vorhandener Formate.

Im Fokus der Kreisräte stehen neben dem Marketingaspekt auch die Wengerter. „Die beste App hilft nichts, wenn wir irgendwann keine Steillagen mehr haben“, warnt Stefanie Liepins (SPD). Volker Godel von der FDP fordert eine höhere finanzielle Unterstützung und den Abbau von Bürokratie. 2021 hatte der Kreistag bereits eine solche Förderung beschlossen. Man sei also, findet Landrat Dietmar Allgaier, auf einem guten Weg.

Marketingideen für den Erhalt der Steillagen gibt es viele. Unter anderem in Rosswag. Die dortige kleine Genossenschaft mit rund 260 Mitgliedern hat ein Solidaritätsmodell in Form von Patenschaften für Terrassen in den Steillagen entwickelt. Ein Pate stellt den Wengertern übers Jahr hinweg jeden Tag einen Euro zur Verfügung. Dafür bekommt er ein Namensschild im Weinberg und ein Zertifikat mit GPS-Koordinaten seines Terrassenstücks in den Mühlhäuser Felsengärten, in der Rosswager Halde oder im Vaihinger Schlossweinberg am Kaltenstein.

Hintergrundinfos zum Wein, dessen Herkunft und den Erzeugern gibt es in digitalen Weinstammtischen. Eine Weinbergführung vor dem Herbst vervollständigt das Angebot sowie die Möglichkeit, bei der Lese mitzuhelfen. Als Naturaldividende erhält jeder der Teilnehmer des sogenannten Steillagenkollektivs jedes Jahr noch Weinpakete.

Im Gegenzug dazu verpflichten sich die Kollektiv-Wengerter auf den Verzicht von Herbiziden und Insektiziden, um damit die Biodiversität im Weinberg weiter zu fördern. Und sie verpflichten sich, die Trockenmauern zu erhalten. Der monetäre Vorteil für die Wengerter: Sie bekommen einen höheren Auszahlungsbetrag für ihre Trauben und die Pflege der Trockenmauern wird extra honoriert – und zwar mit bis zu 150 Euro je Terrasse. „Unser Ziel ist es, dass sich Kunden, Mitglieder, Mitarbeiter und alle in der Region mit unserem Tun identifizieren können“, betont Rolf Allmendinger, Vorstandsvorsitzender der Lembergerland-Kellerei.

Gute und schlechte Neuigkeiten gibt es in Sachen Steillagen-Marketing aus Hessigheim. 28 Investoren hat der Geschäftsführer des Consortiums Montis Casei, Herbert Müller, für sein neuestes Steillagenprojekt gefunden. Zusammen mit Fabian Alber betreibt er in Hessigheim die exNicrum Weinmanufaktur und erzeugt in den Steillagen am Käsberg und Wurmberg Weine aus mediterranen Rebsorten.

Die Idee des Investorenmodells: Ein Teil der Steillagenweinberge soll von den Eigentümern, die die Handarbeit in den Terrassen nicht mehr leisten können, in neue Hände gelegt werden. Das erforderliche private Kapital ist da, allerdings will niemand die Weinberge bewirtschaften. „Nicht einmal für sehr gutes Geld“, zieht Müller ernüchtert Bilanz.

Deshalb hoffen die beiden jetzt, einen Jungwinzer zu finden, den die Aufgabe reizt, einen auf Steillagen spezialisierten Betrieb aufzubauen. Das Start-up soll mit technischen Elementen wie Schienenbahnen und Drohnen, pilzwiderstandsfähigen Rebsorten und Begrünung nach neuesten Erkenntnissen als zukunftsfähiger Musterbetrieb mit Geld und Rat gefördert werden. Ob das Projekt gelingt, wird sich zeigen. Für Müller ist aber klar: „Wenn man selbst mit Geld und starken Partnern an der Seite niemanden findet, dann geht der Weinbau in den Steillagen weiter den Bach runter.“

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Erstellt:
30. März 2022, 06:00 Uhr

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