Debatte um Toni Hofreiter

Mit Kind im Bundestag – ist das richtig?

Das Bild, das den Bundestagsabgeordneten Anton Hofreiter mit Sohn auf dem Schoß zeigt, während er eine Ausschusssitzung leitet, hat eine rege Debatte ausgelöst. Dürfen Kinder bald auch ins Plenum?

Der grüne Abgeordnete Toni Hofreiter nahm seinen Sohn mit in den EU-Ausschuss des Deutschen Bundestags.

© dpa/Michael Kappeler

Der grüne Abgeordnete Toni Hofreiter nahm seinen Sohn mit in den EU-Ausschuss des Deutschen Bundestags.

Von Norbert Wallet

Routine im EU-Ausschuss des Deutschen Bundestages an diesem Montag. Auf dem Programm steht die Beratung über „Chancen und Risiken der 750 Milliarden Euro umfassenden Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) als Hauptbestandteil des Corona-Wiederaufbauprogramms ‚Next Generation EU‘“. Die Sitzung leitet der Ausschussvorsitzende Anton Hofreiter (Grüne), und damit jeder sieht, dass er der Sitzungsleiter ist, steht eine große Glocke vor ihm auf dem Tisch.

Neben der Glocke steht ein kleines Spielzeug-Polizeiauto. Was schon anzeigen sollte, dass an diesem Tag eben doch nicht die Routine regiert. Hofreiter hat nämlich seinen kleinen Sohn mit zur Sitzung gebracht. Offenbar hat irgendetwas mit der Betreuung nicht funktioniert und der Kleine musste mit. Also sitzt er auf Hofreiters Schoß, Knuddeldecke fest im Griff und Trinkflasche in Reichweite.

Das Foto ist nicht nur ungewöhnlich, sondern auch witzig, denn Papa Vorsitzender hat gerade das Wort und redet mit einer Hand am Mikro, als wenn wirklich alles wäre wie immer.

„Das hier ist doch eher for show“

Ein Bundestagsmitarbeiter hat den Schnappschuss ins Netz gestellt und in den sozialen Netzwerken begann postwendend eine intensive und kontroverse Debatte, die noch andauert. Viele feierten den 52-jährigen Politiker. Aber es gab auch Kritik. „Ich finde es etwas albern, so zu tun, als könne ein MdB keine Betreuung für die Dauer einer Sitzung finanzieren. Wir brauchen definitiv viel mehr Vereinbarkeit – aber das hier ist ja nun doch eher for show“, schrieb ein User.

Der Vorwurf, Hofreiter habe hier gezielt „for show“, also eines kalkulierten Effektes wegen, gehandelt, dürfte rundweg abwegig sein. Das Foto wurde nicht in seinem Auftrag aufgenommen. Sein Kind kam im März 2021 zur Welt, wonach der Vater eine kurze Auszeit nahm. Er wurde schon des Öfteren mit Kinderwagen im Bundestag gesehen und sein Büro sagt, dass er nicht zum ersten Mal das Kind mit zu Sitzungen genommen hat, wenn es Betreuungsprobleme gab.

Gleichwohl hat der Vorgang eine muntere Debatte unter den Abgeordneten ausgelöst. Im Ausschuss hatte es wohlgemerkt nicht das geringste Wort der Kritik gegeben, und auch darüber hinaus trifft Hofreiter auf viel Verständnis. Er habe das Bild „sehr sympathisch“ gefunden, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, unserer Zeitung. Der Arbeitsalltag im Bundestag sei „von großer Dynamik geprägt“. Da lasse sich „nicht jeder Tag im Vorfeld genau planen“. Seine SPD-Kollegin Katja Mast sagte, sie fände „überhaupt nichts dabei, wenn mir Kinder im politischen Alltag begegnen“. Zuspruch kam auch von der CSU-Politikern Dorothea Bär. Bei Hofreiter habe es offenbar „viele überrascht und überfordert, dass sich auch Väter um ihre Kinder kümmern können und auch wollen“.

Es geht um handfeste Veränderungen

Die Debatte bleibt aber beim politischen Wohlwollen nicht stehen. Es geht um handfeste Veränderungen. Der FDP-Abgeordnete Johannes Vogel hat nun angeregt zu prüfen, „ob der Bundestag in seinen Regeln modern genug ist“. Er will auch über das Verbot diskutieren, Kinder ins Plenum des Bundestags mitzunehmen. Tatsächlich können Abgeordnete nach derzeitiger Regelung ihre Kinder grundsätzlich nicht mit in den Plenarsaal nehmen. Es entspräche „ständiger parlamentarischer Praxis“, dass der Plenarsaal nur von Abgeordneten und in der Verfassung mit Zutrittsrecht ausgestatteten Mitgliedern der Bundesregierung und des Bundesrats betreten werden dürfe, teilte die Pressestelle des Bundestags auf Anfrage unserer Zeitung mit. Ausnahmen gebe es „nach vorheriger Absprache mit dem sitzungsleitenden Präsidenten“. Damit soll ermöglicht werden, „ dass Abgeordnete Babys für kurze Zeit mit in den Plenarsaal nehmen, insbesondere um die Teilnahme an einer namentlichen Abstimmung zu ermöglichen, wenn eine anderweitige Betreuung des Kindes nicht möglich war“. Für Ausschüsse gibt es keine ausdrückliche Regelung.

Kubicki weil keine weiteren „Sonderrechte“ für Abgeordnete

Wird es künftig zu Lockerungen kommen? Bisher gibt es aus dem Bundestagspräsidium eine – ablehnende – Stimme. Bundestagsvize-Präsident Wolfgang Kubicki (FDP) hält es für falsch, Abgeordneten des Bundestages, „die ohnehin schon privilegiert sind“, weitere Sonderrechte einzuräumen, sagte er. Mit ihrem „weit überdurchschnittlichen Einkommen“ sollte es ihnen möglich sein, eine Betreuung zu organisieren. Dass damit die Meinung des gesamten Bundestags-Präsidium zusammenfasst, ist aber eher unwahrscheinlich.

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Erstellt:
23. Juni 2022, 16:56 Uhr

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